Neue Gesichtserkennungsbrillen Warum Bahnreisende für Chinas Polizei gläsern sind

Mit speziellen Sonnenbrillen gehen chinesische Polizisten auf Verbrecherjagd. Mehrere Kriminelle haben sie bereits festgenommen. Menschenrechtsgruppen sind alarmiert.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Düsseldorf Während in Deutschland über den Einsatz von Gesichtserkennungsprogrammen immer noch kontrovers diskutiert wird, breitet sie sich in China immer weiter aus: An den Bahnhöfen in Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan, testen Polizisten neuerdings Sonnenbrillen zur Gesichtserkennung, um Kriminelle zu fassen, wie der „Businessinsider“ und das „Wall Street Journal“ berichten.

Mit Hilfe der Brille, die der Google Glass ähnlich sieht, sollen die Beamten bereits sieben mutmaßliche Kriminelle festgenommen haben, 26 weitere Personen seien an Reisen innerhalb von China gehindert worden, weil sie mit gefälschten Identitätsdokumenten unterwegs gewesen seien. Denn in China müssen Reisende – anders als in Deutschland – ihre Papiere in den öffentlichen Verkehrsmitteln immer vorzeigen.

Die Identifizierung der Kriminellen ist deshalb möglich, weil die Brillen der Polizisten mit einer landesweiten Datenbank verbunden sind. Seit 2014 baut der chinesische Staat das sogenannte Bonitätssystem aus. Diese „Schufa“ für das gesamte Leben bedeutet, dass bis 2020 jedem Bürger eine Punktezahl zugewiesen wird, die sich aus seinem Verhalten bei der Arbeit, in der zivilen Sphäre und bei finanziellen Transaktionen zusammensetzt. Chinesische Technologiefirmen helfen bei diesem Vorhaben, indem sie riesige Datenmengen sammeln und Überwachungstechnologien austesten, um den Zuschlag für das offizielle System zu erhalten.

Gesichtserkennung gilt dabei als eines der mächtigsten Mittel, da künstliche Intelligenz inzwischen biometrische Daten schnell und akkurat mit einer großen Datenbank abgleichen kann, die sich aus Informationen von Behörden, sozialen Netzwerken und digitalen Geschäften speist. Im September des vergangenen Jahres waren laut Schätzung des Informationsdienstleisters IHS Markit etwa 176 Millionen Überwachungskameras im Einsatz, deren Zahl bis 2020 auf 450 Millionen anwachsen könnte.

Wu Fei, Chef des Unternehmens LL Vision Technology, das die Brille entwickelt hat, sagte gegenüber dem „Wall Street Journal“, dass diese in Tests innerhalb von 100 Millisekunden Gesichter aus einer Datenbank mit 10.000 Profilen identifizieren konnte. Das Ziel Chinas ist es laut Medienberichten, dass das System künftig innerhalb von drei Sekunden die gesamten 1,3 Milliarden chinesischen Bürger erkennen kann.

Menschenrechtsgruppen verurteilen solche Programme, weil sie das Recht der Menschen auf Privatsphäre verletzten. „Die chinesischen Behörden scheinen zu glauben, dass sie soziale Stabilität ermöglichen, indem sie Menschen unter die Lupe nehmen, aber die Programme verstärken die Feindseligkeit gegenüber der Regierung“, zitiert der „Businessinsider“ Sophie Richardson, China-Direktorin der Organisation Human Rights. Peking solle diese Programme sofort stoppen und alle Daten, die ohne Zustimmung der Betroffenen erhoben wurden, löschen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%