Neue Nato-Ära nach US-Wahl Europas Sicherheit hängt an Trump und Putin

Der globale Einfluss Europas ist nicht primär militärisch begründet. Das könnte bald zum Problem werden, denn ob die USA weiter für Europas Sicherheit garantieren, ist fraglich. Zugleich wird Russland immer aggressiver.

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Die Zukunft Europas hängt auch mit von diesen beiden Herren ab: Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) und dem gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Ihre außenpolitischen Äußerungen sorgten in Brüssel zuletzt für Verstimmung. Quelle: dpa

Pabrade Mit wachem Blick schaut Dalia Grybauskaite über die schneebedeckten Wälder rings um Pabrade – dem Schauplatz der jüngsten Nato-Übung „Eisernes Schwert“. Die litauische Präsidentin gilt als taffe Politikerin. Nicht nur weil sie einen Schwarzen Gürtel in Karate besitzt. Wie vielleicht kaum ein anderer Staatschef in der EU ist sie sich auch darüber im Klaren, dass Macht und Einfluss in diesen Tagen wieder viel mit militärischer Stärke zu tun haben.

Nicht ohne Grund ließ die Nato etwa 4000 Soldaten aus elf Ländern ausgerechnet in Litauen üben. Denn gerade am östlichen Rand der EU wird das zunehmend kriegerische Gehabe Russlands als reale Bedrohung empfunden. Die Mitgliedschaft in dem transatlantischen Militärbündnis ist für Staaten wie Litauen dabei ein geradezu existenzieller Schutz: Wegen des Nato-Vertrags würde sich Moskau im Falle eines Angriffs im Baltikum zugleich die USA zum Kriegsgegner machen – und davor dürfte selbst der zuletzt so aggressiv agierende russische Präsident Wladimir Putin zurückschrecken.

Die Frage ist allerdings, ob Europa sich auch künftig auf die Rückendeckung Washingtons verlassen kann. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat im Wahlkampf durchblicken lassen, dass er dies zumindest im Rahmen der bisherigen Verteilung der finanziellen Lasten nicht garantieren will. Auch im fast 2000 Kilometer von den winterlichen Wäldern Litauens entfernten Brüssel mehren sich daher die Forderungen nach einer Stärkung der eigenen Kapazitäten.

Bisher konnten die EU-Länder auch ohne Waffen oft viel bewirken - durch Handel, Diplomatie, Entwicklungshilfe und nicht zuletzt durch ihre Kultur. Doch die neue weltpolitische Lage erfordert ein Umdenken. „Soft Power“ allein reiche heute nicht mehr aus, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kürzlich vor Abgeordneten des europäischen Parlaments. Die Mitgliedsstaaten ermahnte er, ihre Militärausgaben nach Jahren regelmäßiger Kürzungen wieder zu erhöhen und das Engagement besser miteinander zu koordinieren.

Bei der Nato-Übung in Litauen bezeichnete Grybauskaite die USA als „Garant für den Frieden in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg“. In geteilter Verantwortung habe man lange für die Sicherheit des Kontinents gesorgt. „Wir rechnen damit, dass dieser Einsatz und dieses Einvernehmen auch weiterhin bestehen bleiben“, sagte die litauische Präsidentin. Mit Blick auf die noch recht unklaren Absichten Trumps drücken diese Aussagen aber wohl in erster Linie eine Hoffnung aus.

Kern der Zusammenarbeit innerhalb der EU war immer die Wirtschaft. Im militärischen Bereich blieben die europäischen Staaten vergleichsweise eigenständig. Im Rahmen der Nato erreichten sie bei Bedarf gemeinsam mit den USA meist die notwendige Schlagkraft. In den vergangenen Jahren zeigte sich jedoch immer wieder, dass das System seine Schwächen hat. „Angesichts der Brutalität des syrischen Regimes und seiner Unterstützer, namentlich Russland und Iran, sind wir nicht so effektiv, wie wir es gerne wären“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.


Die EU ist Teil des Problems

Teil des Problems ist gerade die Vielfalt der Europäischen Union: Das Spektrum reicht von den Atommächten Frankreich und Großbritannien bis zu Zwergstaaten wie Malta und Luxemburg. Und trotz jahrzehntelanger Bemühungen um Kooperation kocht bis heute jeder sein eigenes Süppchen.

„Wir haben in Europa 174 Arten von Waffen“, kritisierte Juncker. „Ein europäischer Hubschrauber-Typ und ein europäischer Panzer-Typ würden ausreichen.“ Stattdessen herrsche im militärischen Bereich eine enorme Verschwendung. Dem Kommissionspräsidenten zufolge wären bei besserer Zusammenarbeit jedes Jahr Einsparungen in Höhe von bis zu hundert Milliarden Euro möglich. 2Doch Synergie-Effekte allein würden nach Ansicht einiger Experten nicht ausreichen, um die Streitkräfte Europas fit für die Zukunft zu machen.

„Frieden ist keine Selbstverständlichkeit mehr, wir müssen ihn uns erkämpfen“, sagte Pierre de Villiers, Chef des französischen Generalstabs, in einer seltenen öffentlichen Stellungnahme zur politischen Debatte. In Frankreich fließen derzeit 1,77 Prozent des Bruttoinlandsprodukt ins Militärbudget. De Villiers fordert eine Aufstockung auf zwei Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre.

Diese zwei Prozent sind eigentlich der Richtwert, auf den sich die Nato-Länder offiziell geeinigt haben. Neben den USA, in denen die Verteidigungsausgaben 3,61 Prozent ausmachen, erfüllen aber nur vier der 22 EU-Länder innerhalb der Allianz diese Quote. Wenn Trump im kommenden Jahr zum ersten Mal zu einem Nato-Treffen nach Brüssel reist, wird er nicht weit schauen müssen, um einen in dieser Hinsicht besonders „nachlässigen“ Mitgliedsstaat auszumachen: Belgien belegt mit 0,85 Prozent in dieser Liste den vorletzten Platz.

Die litauische Präsidentin Grybauskaite dagegen ist offenbar entschlossen, sich von Trump nichts vorwerfen lassen zu können. Nach dem Besuch einer Nato-Einheit mit gepanzerten Fahrzeugen in der Kleinstadt Pabrade betonte sie, dass ihr Land auf dem Weg sei, die geforderte Quote zu erfüllen. „Litauen wird schon im kommenden Jahr 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukt beisteuern und im darauffolgenden Jahr, 2018, werden wir unsere zwei Prozent haben“, sagte sie. „Wir machen unsere Hausaufgaben - wir investieren in unsere Verteidigung.“

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