Als Helmut Schmidt vor einigen Monaten die von der Europäischen Union und den USA beschlossenen Sanktionen gegen Russland als „dummes Zeug“ bezeichnete, wollte ihm kaum einer beipflichten. Dabei war die Begründung, die er hinterherschob gar nicht so abwegig. Weiter gehende wirtschaftliche Sanktionen würden ihr Ziel verfehlen, sagte der Altkanzler damals. Auch sie hätten vor allem symbolische Bedeutung, „aber sie treffen den Westen genauso wie die Russen“. Nun scheint sich die Andeutung Schmidts zu bewahrheiten.
Angesichts der jetzt beschlossenen massiven Sanktionsverschärfungen droht eine weitere Abkühlung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Westen und Russland. In der deutschen Wirtschaft wurden am Donnerstag schon Befürchtungen laut, dass Russland die Beschlüsse zu Strafmaßnahmen mit gleicher Münze zurückzahlen könnte. „Selbstverständlich haben die aktuellen Sanktionsverschärfungen zur Folge, dass die deutsch-russischen Handelsbeziehungen weiter beeinträchtigt werden“, sagte der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA), Anton F. Börner, Handelsblatt Online.
Die russische Führung nährte solche Ängste. „Sanktionen haben einen Bumerang-Effekt und führen die amerikanisch-russischen Beziehungen zweifellos in eine Sackgasse“, sagte der russische Präsident Wladimir Putin während eines Brasilien-Besuchs mit Blick auf die US-Entscheidung.
Das Finanzministerium in Washington hatte zuvor Strafmaßnahmen unter anderem gegen russische Rüstungs-, Finanz- und Energieunternehmen verhängt. Betroffen sind die Gazprombank, der Energiekonzern Rosneft, das Gasförderunternehmen Novatek und die Vnesheconombank (VEB), über die der Staat Zahlungen abwickelt. Guthaben der vier Firmen werden zwar nicht eingefroren, doch wurde ihr Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt beschränkt. Auch Rüstungsunternehmen wie der Hersteller von Kalaschnikow-Maschinengewehren sind betroffen.
Auch die EU legte mit neuen Sanktionen nach. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsländer beschlossen, die Reise- und Konto-Sperren gegen Russen und Ostukrainer auszuweiten, denen eine Destabilisierung der Ukraine vorgeworfen wird. Bis Ende Juli will die EU eine Liste von Firmen erarbeiten, die von Strafen betroffen sind. Die europäischen Projektförderbanken EBRD und EIB wurden angewiesen, keine neuen Projekte mit Russland zu genehmigen.
Die EU begab sich mit ihren Straf-Beschlüssen einen Schritt weiter in Richtung echter Wirtschaftssanktionen, die als „Phase 3“ in der Strategie der Europäer gelten. „Wir gehen jetzt schon in den wirtschaftlichen Bereich hinein“, räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein.
Deutscher Handelskonzern Metro als großer Verlierer
Unter den Folgen dürften auch deutsche Unternehmen leiden. Mit der Öl- und Gasindustrie werde eine der wenigen Branchen ins Visier genommen, in denen Russland weltmarktfähig sei, sagte BGA-Präsident Börner. „Wenn die Einnahmen aus diesem Sektor einbrechen sollten, wird Russland auch über weniger Devisen für den Kauf deutscher Produkte, etwa für Maschinen und Anlagen verfügen, worunter dann die deutschen Hersteller leiden.“ Auch die Modernisierung der russischen Wirtschaft werde dann ins Stocken geraten.
Gleichwohl gelte „das Primat und die Logik der Politik“, sagte Börner weiter. Die westlichen Regierungen hätten Russland klare politische Bedingungen gesetzt, die objektiv wohl nicht erfüllt worden seien. „Da bleibt den USA und der EU nichts anderes übrig, als die angedrohte nächste Stufe der Eskalation in Gang zu setzen, um glaubwürdig zu bleiben“, sagte Börner. „Ob und wie weit sich die Eskalationsspirale noch dreht, ist völlig ungewiss.“ Dies hänge an glaubwürdigen Schritten Russlands zur Deeskalation der Ukraine-Krise. „Die deutsche Wirtschaft hat auf diese Prozesse nur wenig bis gar keinen Einfluss und folgt politischen Vorgaben“, fügte der BGA-Präsident hinzu.