Niederlande Referendum Warum das Ergebnis den Brexit wahrscheinlicher macht

Der negative Ausgang des niederländischen Referendums lässt die Gefahr wachsen, dass die EU ihren drittgrößten Mitgliedstaat verliert: Großbritannien. Ob den Niederländern das bei der Abstimmung klar war? Eine Analyse.

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Im Juni stimmen die Briten über den Verbleib in der EU ab. Quelle: Reuters

Brüssel Die EU ist in keinem guten Zustand, konstatierte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im September 2015. Seitdem ist nichts besser geworden. Die Niederländer haben es gerade wieder bewiesen mit ihrem Nein zu einem wichtigen außenpolitischen Vertrag der europäischen Staatengemeinschaft.

In einem Referendum lehnten am Mittwoch 64 Prozent der Wähler engere Beziehungen zur Ukraine ab. Um das osteuropäische Land ging es dabei nur vordergründig. Sicher, die Ukraine genießt nicht gerade den besten Ruf. Dass der ukrainische Präsident Poroschenko unmittelbar vor der niederländischen Abstimmung als Eigentümer einer dubiosen Briefkastenfirma in den Panama Papers auftauchte, hat bestimmt nicht geholfen.

Doch die Ukraine ist weit weg von Holland. Den Niederländern ging es um etwas, was viel näher liegt: Brüssel, die dort ansässigen Institutionen, die EU. Die europäische Staatengemeinschaft hat – schon wieder – einen Rückschlag erlitten. Die EU-Gegner können sich die Hände reiben.

Das gilt nicht nur für den niederländischen Nationalisten Geert Wilders, sondern auch für seine rechtspopulistischen Freunde in anderen EU-Staaten, zum Beispiel Marine Le Pen in Frankreich und Nigel Farage in Großbritannien. Vor allem letzterer darf sich nun freuen. Der Ausgang des niederländischen Referendums gibt ihm Rückenwind für eine weitaus bedeutendere Volksabstimmung: Am 23. Juni stimmen die Briten über ihre Mitgliedschaft in der EU ab.

Zwischen Befürwortern und Gegnern auf der Insel steht es Spitz auf Knopf – und nun platzt mitten in die heiße Wahlkampfphase das negative Votum aus Holland. Die Gefahr, dass die EU ihren drittgrößten Mitgliedstaat verliert, ist damit noch größer geworden. Ob den Niederländern das eigentlich klar war?


Ein britischer EU-Austritt würde Holland massiv schaden

Wahrscheinlich nicht. Ein britischer EU-Austritt würde doch gerade Holland massiv schaden. Das Land unterhält enge wirtschaftliche Beziehungen zum Vereinigten Königreich – und die würden durch einen britischen EU-Austritt massiv beschädigt. Großbritannien wäre plötzlich nicht mehr Teil des europäischen Binnenmarktes.

Die Handelsbeziehungen zwischen den Briten und dem Rest der EU müssten völlig neu geordnet werden, was viele Jahre in Anspruch nehmen und für extreme Verunsicherung sorgen würde. Die Niederlande sollten daher – rational betrachtet – ein sehr großes Interesse daran haben, dass Großbritannien für einen Verbleib in der EU stimmt.

Die Signalwirkung ihres Votums auf das britische Referendum und die daraus resultierenden Konsequenzen haben die holländischen Wahlbürger aber offenkundig nicht interessiert. Der überwältigenden Mehrheit von ihnen war die Ukraine-Abstimmung ganz egal: 68 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme gar nicht ab. So konnte eine Minderheit zum Zuge kommen: Die EU-Gegner in den Niederlanden haben es geschafft, ihre Anhänger an die Wahlurne zu bringen – und das übrigens nicht zum ersten Mal.

Schon einmal, im Jahr 2005, hat das niederländische Volk der EU in einer Volksabstimmung die Rote Karte gezeigt. Damals wurde die mühsam über Jahre ausgehandelte EU-Verfassung abgelehnt. Die musste danach gekürzt und umbenannt werden in den EU-Vertrag von Lissabon.

Verglichen damit hat das jetzige Nein-Votum kurzfristig weitaus weniger Auswirkungen. Rechtlich bindend ist das Ergebnis des Referendums ohnehin nicht. Das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine gilt faktisch bereits. Premier Rutte wird allenfalls eine vorübergehende Aussetzung von Teilen des Abkommens erreichen können.

Gleichwohl reicht die politische Bedeutung dieses Referendums weit über die Ukraine hinaus. Es zeigt einmal mehr, dass die Niederländer nicht mehr wissen, wozu diese EU eigentlich gut ist, warum man sich für sie ins Wahllokal bemühen sollte. Die niederländische Regierung hat es nicht geschafft, ihren Bürgern das zu erklären – ein Armutszeugnis.

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