Notimporte angekündigt Japan geht die Butter aus

Japan geht die Butter aus. Schuld sind gestresste Milchkühe und der Mangel an Nachwuchsbauern, aber auch die Politik spielt eine Rolle. Nach seiner prognostizierten Wiederwahl dürfte Regierungschef Abe gefordert sein.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Butter ist in Japan – ausgerechnet so kurz vor Weihnachten – tatsächlich rationiert. Quelle: ap

Tokio Wenn Japaner dieser Tage für ein Foto posieren, sagen einige statt „Cheese“ eher „Butter“ – eine bittere Ironie. Denn Butter ist, so kurz vor Weihnachten, in dem Inselstaat tatsächlich rationiert. Es gibt einfach nicht genug davon. Die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe zeigte vor den Neuwahlen am Sonntag schnell Flagge und kündigte Notimporte aus anderen Ländern an.

Und sie befahl vier großen Molkereien Anfang Dezember, ihre für Privatverbraucher gedachte Butterproduktion um 30 Prozent zu steigern – zulasten von Trinkmilch und Sahneprodukten. Dabei zeichnete sich schon seit längerem ein Niedergang der heimischen Molkereiindustrie ab. 1963 zählte Japan noch 417.600 Milchbetriebe, im Februar waren es nur noch 18.600 – trotz hoher staatlicher Subventionen.

Gründe für diese Entwicklung und den aktuellen Buttermangel gibt es so einige. Sie reichen von überstrapazierten Milchkühen über Mangel an Nachwuchsbauern bis hin zu steigenden Kosten sowie Handels- und Preisbeschränkungen. Natürlich hat auch die Politik ihren Anteil daran, dass in der Vergangenheit so einiges schief lief. Als offiziellen Grund für die missliche Lage gibt die Regierung aber den ungewöhnlich heißen Sommer auf der nördlichen Insel Hokkaido an, die Wiege von Japans Milchprodukten.

Der Mangel ist allerdings auch ein Symptom für die staatlichen Schutzmaßnahmen der heimischen Industrie, die Importe von Landwirtschaftsprodukten begrenzen. Zudem gibt es großen Widerstand gegen einen Umbau der Milchwirtschaft, der einen marktöffnenden Effekt haben könnte. Abe wird darum kämpfen müssen, die versprochenen Reformen umsetzen zu können, auch wenn seine Liberale Demokratische Partei am Sonntag einen stärkeren Rückhalt bekommt.

In seiner bisherigen Amtszeit hatte der Regierungschef schon versprochen, die Landwirtschaft zu modernisieren und tief in die verkrusteten Bürokratie sowie in Interessenskreisen zu stochern. Doch außer einer verpfuschten Landreform habe er bislang wenig zustande gebracht, meinen Beobachter.

Japanische Landwirte wurden wie Bauern in den USA und vielen anderen Ländern traditionell vor ausländischer Konkurrenz geschützt. Dies geschah und geschieht aus politischen Gründen - aber auch, um einen gewissen Grad an Selbstversorgung in dem Inselstaat zu garantieren.

Die Zölle auf Importe von Landwirtschaftsprodukten betragen im Durchschnitt rund 23 Prozent. Zugleich zahlt der japanische Staat den Milchbauern 12,8 Yen (11 Cent) für ein Kilogramm Butter und 15,41 Yen (13 Cent) für ein Kilo Käse. Allerdings bekommen sie für Frischmilch noch mehr Geld als für Butter, weshalb nach Meinung von Kritikern an diesem Punkt das Problem mit dem Buttermangel schon anfängt. Denn viele Milchbauern gäben dem Verkauf von Frischmilch den Vorzug.


An- und Verkaufsystem hat versagt

Landwirte wie Shinjiro Ishbashi, der 300 Milchkühe auf seinem Hof in Chiba östlich von Tokio hält, rechnen mit diesen staatlichen Zuschüssen. Und er hofft, dass die Regierung sie weiter unterstützt. „Herr Abe sagt, er wird unser 'schönes Japan' bewahren und ich hoffe, dass er dies auch tut“, meint Ishibashi mit Blick auf das Loblied, das Abe stets auf Japans traditionelles Landleben anstimmt.

Dabei ist Japans Politik zum Schutz der heimischen Landwirtschaft einer der Gründe, warum sich zwölf Nationen bisher nicht auf das von den USA geleitete Pazifische Handelsabkommen einigen konnten. Unter den Staaten, die an den Verhandlungen teilnehmen, hat Japan den zweitgrößten Lebensmittelmarkt hinter den USA. Und ausländische Milchbauern sowie andere Landwirte sind erpicht darauf, einen größeren Zugang zu diesem Markt zu bekommen.

Doch die Regierung in Tokio blockt. Nach einer Studie der Regierung würde das Handelsabkommen mit der damit verbundenen Marktöffnung die Produktion der heimischen Landwirtschaft um 2,7 Billionen Yen ( etwa 18 Milliarden Euro) reduzieren. Ein Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums hingegen stellt diese Zahl infrage. Stattdessen geht das US-Ministerium davon aus, dass ein freierer Markt für Milchprodukte den Butterimport in Japan um die Hälfte auf rund sechs Milliarden Yen (etwa 40 Millionen Euro) steigern könnte.

In Japan versucht ein von dem Landwirtschaftsministerium kontrolliertes Unternehmen, mit dem An- und Weiterverkauf von Agrarprodukten eine gewisse Stabilität bei Preisen und Vorräten zu garantieren. Doch zumindest bei Butter scheint dieses System derzeit nicht zu greifen. Dabei blieb der Butterkonsum pro Person mit rund zwei Kilo pro Jahr rund zehn Jahre lang stabil. Der Milchkonsum fiel indes, wobei aber auch die Produktion von Rohmilch zwischen 1997 und 2013 von 8,6 Millionen Tonnen auf 7,45 Millionen Tonnen zurückging.

Das japanische Landwirtschaftsministerium hofft, bis Weihnachten den Buttermangel mit den Notimporten und der verordneten Mehrproduktion in den vier heimischen Betrieben in den Griff zu bekommen. Im kommenden Jahr wolle man die Versorgung stabilisieren, heißt es. Bei einem Wahlsieg am Sonntag hätte Abe weitere Jahre Zeit, um das Problem anzugehen. Die Neuwahlen hatte er ausgerufen, nachdem Japans Wirtschaft zwischen Juli und September überraschenderweise wieder in die Rezession gerutscht war. An den Urnen will sich Abe von den Wählern vor allem seinen als „Abenomics“ bekannten Wirtschaftskurs bestätigen lassen.

Doch ob Abe das erwartete neue Mandat wirklich auch dafür nutzen wird, die Landwirtschaft auf Vordermann zu bringen, das sieht Uri Dadush von der nichtstaatlichen Organisation Carnegie Endowment for International Peace nicht so klar. „Ob er die Strukturreformen macht oder nicht, ist ein anderes Thema“, sagte er während einer Telefonkonferenz mit Journalisten. „Denken Sie daran, dass dieser Mann bereits eine massive Mehrheit im Parlament auf seiner Seite hat.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%