Obama zur Lage der Nation "Angst und Spaltung dürfen nicht um sich greifen"

Optimismus - das ist das Wort, das sich durch Barack Obamas letzte Rede zur Lage der Nation wie ein roter Faden zieht. Der US-Präsident appelliert an den Gemeinsinn - und sagt der Terrormiliz IS den Kampf an.

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US-Präsident Barack Obama Quelle: dpa

Stark, innovativ, tolerant und fair: Im Appell an einen unverbrüchlichen Zusammenhalt wie einen tiefgreifenden Politikwandel der USA sieht US-Präsident Barack Obama sein politisches Vermächtnis. In seiner letzten Rede zur Lage der Nation rief Obama am Dienstag (Ortszeit) in Washington kraftvoll zu Gemeinsinn und Offenheit auf, aber auch zur Wehrhaftigkeit. Angst und Spaltung dürften sich in den Vereinigten Staaten nicht durchsetzen, sagte er am Dienstagabend (Ortszeit) in Washington.

„Wie behalten wir Amerikas Sicherheit bei und führen die Welt an, ohne ihr Polizist zu sein?“ fragte Obama, der in einem Jahr aus dem Amt scheidet.

„Was damals wahr gewesen ist, kann auch heute gelingen: unsere einmaligen Stärken als Nation, Optimismus und Arbeitsmoral, Entdeckergeist und Innovationskraft, unsere Unterschiedlichkeit und unser Glauben an die Kraft des Gesetzes. Diese Dinge geben uns alles, was wir brauchen, um Wohlstand und Sicherheit für kommende Generationen zu sichern.“

Der Präsident präsentierte nicht, wie sonst bei diesem Anlass üblich, ein Programm für das neue Jahr. Vielmehr baute er auf einer Bilanz seiner Arbeit eine optimistische Vision für die Zukunft der USA auf.

Unter Verweis auf Errungenschaften der Vereinigten Staaten wie die vor Jahrzehnten gelungene Mondlandung fragte Obama: „Wie können wir den Funken der Innovation wieder entzünden?“

Obama rief zu einer nationalen Anstrengung auf, um den Krebs für immer zu besiegen. Nachdrücklich warb er für den Kampf gegen Klimawandel und Erderwärmung.

„Alles Gerede von einem wirtschaftlichen Niedergang der USA ist heiße Luft“, sagte Obama. Genau so sei es mit allen Sprüchen, Amerika werde schwächer und seine Feinde stärker. „Amerika ist die stärkste Nation der Welt. Punkt! Es ist nicht mal knapp!“, rief Obama. Wenn es um internationale Probleme gehe, schaue niemand nach Moskau oder Peking, sondern rufe die USA.

„Ich weiß, dass dieses gefährliche Zeiten sind“, sagte Obama. Er erwähnte unter anderem die Umbrüche in Nahost, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Chinas sowie das russische Vorgehen in Syrien und der Ukraine. „Aber während wir uns auf die Zerstörung des Islamischen Staates konzentrieren, spielen dem IS übertriebene Bezeichnungen wie „Dritter Weltkrieg“ direkt in die Hände“, sagte Obama.

Das sind die mächtigsten Menschen der Welt
Platz zehnAlljährlich kürt das amerikanische Forbes-Magazin die mächtigsten Menschen der Welt. 100 Personen listet das Magazin auf, die dank ihres Vermögens, ihrer unternehmerischen Verantwortung oder ihres politischen Amtes Einfluss auf das Weltgeschehen haben. Den zehnten Platz belegen im Jahr 2015 zwei Menschen: Die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page teilen sich den Platz. Sie sind erst im letzten Jahr neu in die Top Ten der mächtigsten Menschen der Welt aufgestiegen. Quelle: AP
Indian Prime Minister Narendra Modi Quelle: REUTERS
Platz achtZum zweiten Mal unter den Top Ten der mächtigsten Menschen ist der britische Premier David Cameron. Im vergangenen Jahr belegte er noch den zehnten Platz, weil es ihm gelungen war, Schottland doch noch im Vereinten Königreich zu halten. Seiner Wiederwahl im Mai verdanke er den Aufstieg auf Platz acht. Quelle: AP
Platz siebenSie bestimmt nicht nur die Geldpolitik der USA, auch Aktienindizes wie der Dax reagieren auf ihr Wort: Janet Yellen, Chefin der US-Notenbank Fed, ist die zweitmächtigste Frau der Welt. Quelle: REUTERS
Bill Gates Quelle: dapd
Platz fünfChinas Parteichef Xi Jinping ist nicht nur Chinas starker Mann. Im Ranking schafft er es auf Platz fünf der mächtigsten Menschen der Welt. Im Vorjahr belegte er allerdings noch den dritten Rang. Quelle: dpa
Platz vierWie in den zwei vorangegangenen Jahren landet der amtierende Papst Franziskus auf Platz vier. Im Jahr 2012 belegte das Oberhaupt der Katholischen Kirche, Papst Benedikt XVI., Platz fünf. Quelle: dpa

Die IS-Kämpfer stellten eine enorme Gefahr dar und müssten gestoppt werden. „Aber sie bedrohen nicht unsere nationale Existenz. Das ist höchstens die Geschichte, die der IS uns erzählen will.“ Auch stehe der IS nicht für den gesamten Islam.

Die Außenpolitik der USA könne nicht in der Fokussierung auf den IS haltmachen. Nahost, Afghanistan, Pakistan, Zentralamerika, Afrika und Asien: „Unsere Antwort kann nicht nur darin bestehen, laut aufzutreten, oder Bombenteppiche auf Zivilisten auszubreiten“, sagte Obama. So etwas funktioniere nur als Spruch im Fernsehen.

„Amerikas Führung im 21. Jahrhundert besteht nicht in der Wahl, den Rest der Welt zu ignorieren, oder jedwedes Land im Aufruhr zu besetzen und wiederaufzubauen. Führung meint eine kluge Anwendung militärischer Gewalt - und die Welt hinter den richtigen Gründen zu vereinen“, sagte Obama.

Er bekräftigte, das umstrittene Gefangenenlager auf Guantánamo schließen zu wollen. „Es ist teuer, es ist unnötig und es dient unseren Feinden nur als Rekrutierungsbroschüre.“

Das sind die mächtigsten Politiker der Welt
Hier sind gleich zwei der Politiker versammelt, die das US-amerikanische Time Magazine 2015 zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt zählt: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Ministerpräsident Narenda Modi bei der Eröffnung der Technologiemesse in Hannover. Während Modis Land in den vergangenen Jahren wirtschaftlich leichte Rückschläge gegenüber den vorherigen Boomjahren erlebt hat, führt Merkel eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt an. Doch persönlich sind sich die beiden Politiker, die Time mit 29 anderen Persönlichkeiten in der Kategorie „Leader“ für ihre Verdienste ehrt, doch recht ähnlich. Während Modi sich aus einfachen Verhältnissen vom Teehändler zum Ministerpräsidenten hochgearbeitet hat, war auch Merkels Weg an die Macht alles andere als einfach. Sie hat zwei Systeme kennengelernt und den Sprung an die Schaltstellen der Gegenwart geschafft. Über Modi schreibt US-Präsident Barack Obama für Time: „Wie Indien selbst verkörpert er das Traditionelle und die Moderne gleichermaßen“. Ein Spagat, den auch Merkel in der Unionsfraktion immer wieder leisten muss. Quelle: dpa
Angela Merkel wird vom Time Magazine in diesem Jahr insbesondere für ihre Vermittlung im Ukrainekonflikt geehrt. Die CDU-Politikerin ist eine von weniger Europäern und die einzige Deutsche in der Liste. Die Laudatio auf Merkel schrieb der ukrainische Präsident, der sie für ihr Engagement lobte. Sie beherrsche es, „die Hebel der wirtschaftlichen Macht Deutschlands in diplomatische Macht umzuwandeln, um Sicherheitspolitik zugunsten der ganzen Welt voranzutreiben“. Quelle: REUTERS
Doch die Liste, die jedes Jahr von Redakteuren und Korrespondenten des Magazins zusammengestellt wird, enthält nicht nur etablierte Toppolitiker. Stattdessen werden auch Personen berücksichtigt, von denen künftig weltbewegendes Handeln erwartet wird. Dies dürfte der Grund für die Listung von Muhammad Buhari sein, dem frisch gewählten nigerianischen Präsidenten. Dem ehemaligen autoritären Führer und konservativen Politiker wird zugetraut, die Korruption in seinem Land einzudämmen und erfolgreich gegen den Terrorismus durch die Gruppe Boko Haram vorzugehen. Quelle: dpa
Buharis Gegenspieler ist Abubaker Shekau und auch er steht auf der Liste der wichtigsten politischen Führer im Jahr 2015: Der Anführer der Terrormiliz Boko Haram, hier bei einer Videobotschaft zu sehen, in der er im Vorfeld der Wahlen in dem afrikanischen Land allen Nigerianern droht, die nicht an Allah glauben. Es ist ein Charakteristikum der Times Liste, dass es nicht unbedingt eine Würdigung für positive Taten ist, aufgenommen zu werden. Stattdessen soll abgebildet werden, wer die Welt verändert. Und dazu zählt die Redaktion offenbar auch die Terrorgruppe um Shekau.
In diese Kategorie der wenig bewunderten, aber dennoch viel beachteten Personen auf der Time-Liste dürfte auch Kim Jong Un fallen. Der nordkoreanische Diktator hatte zu Beginn seiner Amtszeit vor etwa drei Jahren viele Hoffnungen auf Wandel in dem jahrzehntelang isolierten und autoritär geführten System geweckt. „Diese Hoffnungen sind unerfüllt verflogen“, schreibt Kang Cheol Hwan, ein nordkoreanischer Dissident und Direktor des südkoreanischen North Korea Strategy Centers. Die Öffnung, die einige erwartet haben, hat bisher nicht stattgefunden. Ob das an der eigentlichen Machtlosigkeit Kim Jong Uns liegt – einige vermuten, dass im Hintergrund andere die Strippen ziehen – oder ob der Jungdiktator selbst nicht von der provokativen Linie mit Militärmanövern und Raketentests abweichen will, ist unklar. Quelle: REUTERS
Auch er hat die Weltgemeinschaft in den vergangenen 16 Monaten seit Ausbruch der Ukrainekrise mehrfach zittern lassen: Wladimir Putin, russischer Präsident und Machtpolitiker suchte die Konfrontation mit dem Westen, indem er vor knapp einem Jahr die zuvor ukrainische Krim annektierte. Szenen wie hier 2013, als er Angela Merkel bei einem G20-Gipfeltreffen einen Mantel umlegte, gehören vorerst der Vergangenheit an. Das Verhältnis ist abgekühlt. Doch klar ist auch: Ohne die Supermacht Russland geht in der Weltdiplomatie nichts, ob mit Blick auf die Ukrainekrise oder auch mit Blick auf Streitthemen wie den Syrienkrieg oder das iranische Atomprogramm. Deshalb zählt Putin nach Ansicht des Time Magazine trotz aller Schwächung seines Landes in Zeiten der Sanktionen zu den wichtigsten politischen Führern 2015. Quelle: dpa
Er mischt die europäische Politik seit Anfang des Jahres enorm auf, hat den deutschen Finanzminister zu kaum gekannten Zornesausbrüchen getrieben und alle Blicke auf sein Land gelenkt: Zweifelsohne ist der griechische Regierungschef Alexis Tsipras eine der Personen in Europa, die das erste Quartal 2015 am stärksten geprägt haben. Ob er im Rahmen der griechischen Schuldenkrise eine tragische oder eine heldenhafte Rolle in der Geschichte einnehmen wird, muss sich erst noch weisen. In jedem Fall stellte er jahrelange Parolen europäischer Politiker von „alternativlosen“ Maßnahmen erstmals auf die Probe und begeisterte so auch viele Menschen. Quelle: AP

Der Präsident appellierte eindringlich an Toleranz und Gleichberechtigung in den USA. „Wenn Politiker Muslime beleidigen, wenn eine Moschee verwüstet wird, ein Kind schikaniert, macht uns das nicht sicherer. Es macht uns schwächer in den Augen der Welt.“

Obama rief nachdrücklich dazu auf, politische Gräben zu überwinden.

„Zum wenigen, was ich in meiner Präsidentschaft bedaure, gehört, dass Verbitterung und Verdächtigungen zwischen den Parteien schlimmer geworden sind und nicht besser“, sagte Obama. „Kein Zweifel, ein Präsident wie Lincoln oder Roosevelt hätte das besser hinbekommen.“ Er bat den Kongress, aber auch jeden einzelnen Amerikaner, um Unterstützung.

Das ganze System müsse geändert werden, sagte Obama. Alle müssten dabei helfen. Dies gelte für die Praxis der willkürlichen Zuschneidung der Wahlbezirke, für einen zu großen Einfluss des Geldes auf die Politik, eine Konzentration der Macht, verdeckte Interessen. Zu viele Amerikaner seien frustriert. „Was ich erbitte, ist hart“, sagte Obama. Aber trotz wachsender Frustration sei ein Rückfall in politische Stämme oder das Beschuldigen von Sündenböcken, anders Aussehender oder anders Betender kein Weg.

Angesichts eines bereits jetzt aufgeheizten Klimas im Wahlkampf rief Obama: „Woran auch immer Sie glauben, und welche Partei auch immer Sie bevorzugen - unsere gemeinsame Zukunft hängt von Ihrem Willen ab, Ihre Verpflichtungen als Bürger hochzuhalten.“

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