Obergrenze Limit für Bargeld? Grober Unfug!

In Brüssel wirbt Berlin für eine Beschränkung der Bargeldzahlungen. Spanien hat das das Limit schon eingeführt. Vor allem, um Schwarzarbeit zu bekämpfen. Aber Positives hört man dazu von der Bevölkerung in Madrid kaum.

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Deutschland denkt über eine Begrenzung des Bargelds nach. Quelle: dpa

Madrid Deutschland denkt über die Beschränkung der Bargeldzahlungen nach. Darüber diskutieren am heutigen Freitag auch die EU-Finanzminister in Brüssel. Einige von ihnen haben die Idee offen aufgenommen. „Große Bargeldsummen können leicht zur Terrorfinanzierung genutzt werden, da besteht ein Risiko“, sagte der niederländische Finanzminister und Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, am Freitag in Brüssel. Zuvor hatten Deutschland und Frankreich eine europaweite Begrenzung von Barzahlungen ins Spiel gebracht. Die Bundesregierung könnte sich ein Limit von 5.000 Euro vorstellen. Bargeld als solches dürfe jedoch nicht in Frage gestellt werden, sagte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. „Ich bin einhundertprozentig für die Erhaltung des Bargelds.“ Das Schicksal des 500-Euro-Scheins wurde vertagt – bis die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet.

Dass die deutsche Regierung die Einführung einer Obergrenze für Bargeld-Zahlungen erwägt und auch in Brüssel dafür wirbt, kann Ignacio nicht verstehen. „Die Deutschen sind doch klug. Man braucht sich nur hier in Spanien ein bisschen umzuschauen, um zu erkennen, dass das kaum etwas bringt“, sagt kopfschüttelnd der ältere Señor, der in der Region um die Hauptstadt Madrid mit Gebrauchtwagen handelt. „Un gran disparate!“, grober Unfug sei das.

Eine Obergrenze von 2.500 Euro für Barzahlungen gibt es in Spanien bereits seit Herbst 2012. Mitten in einer schlimmen Krise hatte die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy diese und andere Maßnahmen eingeführt, um Steuerbetrug und Schwarzarbeit zu bekämpfen und die klammen Staatskassen zu füllen.

Ignacio, der seinen echten Namen lieber nicht nennen möchte, beteuert, er sei „im Gegensatz zu vielen Politikern in diesem Land ein rechtschaffener Mann“. Aber wenn ein Kunde bar zahlen möchte, dann könne man ihm das doch nicht verbieten, man lebe „doch schließlich in einer Demokratie“, wettert er. „Ob Handwerker, Ladenbesitzer oder Wohnungsvermieter, niemand wird ein Geschäft verpassen, nur weil der Kunde bar zahlen möchte.“ Und er weist darauf hin: „Kaum jemand weiß bei uns von diesem Limit.“

Giovanna Tagliavía kennt Ignacio nicht. Die Direktorin des nationalen Juwelier- und Uhrenmacher-Verbandes (AEJPR) gibt aber, ebenso wie ihr Landsmann, den sehr vielen Limit-Skeptikern in Deutschland recht. „Wir sind davon überzeugt, dass die Beschränkung des Bargeldverkehrs eine schlechte Maßnahme für Wirtschaft und Handel allgemein ist.“ Dem Ziel der Bekämpfung der Schwarzarbeit dienten solche Aktionen auf keinen Fall, so die gelernte Anwältin.

Tagliavía betont, man könne zwar nicht sagen, inwieweit schlechtere Geschäfte im Juwelier-Sektor mit dem Bargeld-Limit zu tun hätten. „Die Käufer, die Barzahlung vorziehen, wollen ihre Intimität wahren, auch und vor allem gegenüber den Banken, die Policen und Anlagen verkaufen wollen und dazu jede Transaktion ihrer Kunden analysieren.“

Die Einführung des Limits war in Spanien nicht wirklich umstritten, und auch heute noch gibt es keine öffentliche Diskussion darüber – wohl auch deshalb, weil viele ahnungslos sind. Die Obergrenze gilt nur für Zahlungen, an denen Unternehmer oder Freiberufler beteiligt sind - zum Beispiel Maler oder Makler. Für Touristen oder Nichtsteuerresidenten gilt ein Limit von 15.000 Euro. Bei Verstößen wird eine Strafe von 25 Prozent des Bargeldbetrags fällig.


Doch wie sieht konkret der Nutzen aus?

Aus Sicht der Verantwortlichen hat die Beschränkung einiges bewegt. In ihrer bisher letzten Bilanz berichtete die Steuerbehörde von knapp 4800 Anzeigen wegen Verstößen gegen das Bargeld-Limit im Jahr 2014. „Das waren 51,28 Prozent mehr als im Vorjahr“, sagte Behördenchef Santiago Menendez. Die Anzeigen kämen manchmal von einem der Beteiligten, der in dem Fall straffrei wegkommt, aber vorwiegend von Dritten, etwa von Notaren und Anwälten, hieß es.

Die Mitarbeiter des spanischen Finanzamtes warten aber nicht nur in ihren Büros auf Anzeigen, sondern gehen auch auf Sünderjagd. 2014 wurden allein im Bereich der Wohnungsvermietung gut 7400 „Kontrollbesuche“ gemacht. Dabei werden auch ungeniert Nachbarn, der Bäcker von nebenan oder die Lehrer der Schule befragt.

Doch wie sieht konkret der Nutzen aus? Laut amtlicher Schätzungen ist die Schattenwirtschaft von 2012 auf 2013 leicht um 0,6 Punkte auf 18,6 Prozent der Wirtschaftsleistung oder 196 Milliarden Euro zurückgegangen. 2014 noch mal leicht auf 190 Milliarden. Gleichzeitig nehmen die Steuereinnahmen zu. 2014 zum Beispiel um gut sechs auf knapp 400 Milliarden Euro. Gerade mal 1,5 Prozent - bei einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent.

Tagliavía bezweifelt, dass die leichte Besserung mit dem Bargeld-Limit zu tun hat. „Kein Gesetz hat jemals Betrüger abgehalten“, meint sie. Die Beschränkung benachteilige die Ehrlichen, die bei Benutzung von „Plastikgeld“ draufzahlen müssten. Den Sündern seien genug Mittel und Wege bekannt, um auch bei Kartenzahlung die Steuer zu umgehen. „Die EU weiß nicht, was auf der Straße los ist“, klagt sie. Anstatt Firmengründungen zu fördern, setze sie Unternehmer als „Polizisten zur Bürgerüberwachung“ ein. Brüssel solle lieber die Steuerparadiese in Europa abschaffen.

Obergrenzen für Bargeldzahlungen gibt es in Europa nicht nur in Spanien, sondern zum Beispiel auch in Frankreich und Italien. Rom hob die Begrenzung am 1. Januar von 1000 auf 3000 Euro an. Bei der Bevölkerung löste das teilweise große Kritik aus, weil befürchtet wird, dass Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte gefördert werden. Auch der Chef der Antikorruptionsbehörde (Anac), Raffaele Cantone, hatte den Schritt bereits im Vorfeld scharf kritisiert. Es handele sich um eine „völlig falsche Entscheidung“, weil der Kampf gegen Steuerhinterziehung „Stabilität und klare und dauerhafte Normen braucht - und nicht ein ständiges Auf und Ab.“

Der frühere Industrieminister Pier Luigi Bersani kommentierte, illegale Geldgeschäfte seien in Italien ein „kolossales Phänomen“, weshalb die neuen Regeln Grund zur Besorgnis seien. „Wenn man in den USA seine Hotelrechnung bar bezahlt, dann rufen die da den Sheriff“, meinte er.

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