Ökonomen zur US-Wahl Das Risiko Trump bedroht die Weltwirtschaft

Die Finanzmärkte verfolgen den US-Wahlkampf. Der Sieg Hillary Clintons im TV-Duell wurde mit Erleichterung registriert. Doch Konkurrent Donald Trump holt auf. Ökonomen befürchten schon das Schlimmste.

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Trotz seines eher schwachen Auftritts in der ersten Fernsehdebatte liegt Donald Trump in den Umfragen nur knapp hinter Hillary Clinton. Quelle: AP

Berlin Führende Ökonomen in Deutschland warnen vor massiven wirtschaftlichen Verwerfungen, sollte sich ein Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl im November abzeichnen. „Wenn Donald Trump in den Umfragen aufholen sollte, könnte das zu Erschütterungen an den Finanzmärkten führen“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. „Sonst sind die USA eher der sichere Hafen in Krisen, durch Trump könnten sie wie in der Finanzkrise zum Zentrum eines Finanzmarktbebens werden.“

Ähnlich äußerte sich der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. „Ja, ein Wahlsieg von Donald Trump könnte ein Risiko für die Weltmärkte darstellen“, sagte Schmieding dem Handelsblatt. „Niemand weiß, was er als Präsident wirklich machen würde.“ Während der Kongress die Innen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik präge, habe der US-Präsident „erhebliche“ Befugnisse in der Außen- und Außenwirtschaftspolitik. „‎Sollte er beispielsweise einen Handelskrieg mit China vom Zaun brechen, könnte dies die Welthandelsordnung schwächen. Dies wäre auch eine Gefahr für die weltoffenen Handelsnationen in Europa“, betonte der Volkswirt. „Zumindest die Unsicherheit über das, was Trump tun würde, könnte zeitweilig die Märkte belasten.“

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, äußerte sich besorgt. „Ein Präsident Trump würde vier verlorene Jahre für die Weltwirtschaft bedeuten – in einer Zeit in der die Weltwirtschaft und Europa eine wirtschaftlich und politische starke USA benötigen“, sagte Fratzscher dem Handelsblatt. Selbst wenn ein Präsident Trump auch nur die Hälfte seiner angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen umsetzen sollte, wird die Weltwirtschaft nach Einschätzung Fratzschers „deutlich geschwächt, und es würde zu ernsten Handelskonflikten zwischen Europa und den USA kommen“.

Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, warnte ebenfalls vor einem US-Präsidenten Trump. „Donald Trump ist  primär ein politisches, aber auch ein wirtschaftliches Risiko“, sagte Horn dem Handelsblatt. Die Gefahr bestehe dabei aber nicht in seiner  Gegnerschaft  zum Freihandelsabkommen TTIP, das ohnehin  ein „Vorhaben von zweifelhaftem demokratischen Charakter“ sei, sondern in seiner Grundhypothese, dass der  globale  Handel  Schuld an wirtschaftlichen Problemen der USA sei.  „Aus dieser Haltung heraus könnte er in der Tat  hohe Handelsschranken begründen, die  den Wohlstand  der USA selbst und den ihrer Handelspartner  mindern könnten“, erklärte Horn. 

Ifo-Chef Fuest wies darauf hin, dass Trump kein ausgearbeitetes wirtschaftspolitisches Programm habe. „Stattdessen macht er dubiose Andeutungen, er könnte protektionistische Maßnahmen ergreifen und sogar die US-Staatsschulden nicht zurückzahlen.“ Hinzu komme „außenpolitische Abenteuerlust“.  Es sei zwar unklar, ob er seine Pläne am Ende auch umsetzen könne und würde, aber er verbreite damit Verunsicherung.  Als schädlich bezeichnete etwa IMK-Chef Horn Trumps steuerpolitische Vorschläge, die für  die US-Amerikaner eine „erneute  Welle der Umverteilung von unten nach oben“ auslösen könnte. „Auch dies wirkt  Wohlstandsmindernd“, sagte der Ökonom. 


Märkten droht ein „unsanftes Erwachen“

Die Sorgen der deutschen Ökonomen kommen nicht von ungefähr. Auch US-Analysten haben den Präsidentschaftswahlkampf unter Beobachtung. Beunruhigt haben sie schon registriert, dass jüngste Umfragen auf ein offenes Rennen zwischen der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton und Trump hindeuten und daher auch nicht ausgeschlossen ist, dass der Unternehmer Trump am Ende das Rennen macht.

Der Ausgang der Wahl im November bleibe ein Risiko für die Finanzmärkte, sagte Analyst Craig Erlam vom Broker Oanda. Wie sensibel die Märkte auf das Thema reagieren, konnte man vergangene Woche sehen. Die Wall Street legte nach dem Punktsieg von Clinton im Fernsehduell der US-Präsidentschaftskandidaten gegen Trump moderat zu.

Hinter den warnenden Einschätzungen der Experten steht die Ungewissheit, inwieweit Trump seine radikalen Pläne im Falle eines Wahlsiegs umsetzen könnte. Im Wahlkampf gebärdete er sich als Protektionist. Zwar zeigte auch Clinton Abschottungstendenzen, bei Trump waren sie jedoch noch ausgeprägter.

Die Commerzbank hat in einer Analyse mit dem Titel „Was Trump anrichten könnte“ den Kandidaten der US-Republikaner genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd und deckt sich weitgehend mit den Befürchtungen der anderen Experten.

Bei seinem Lieblingsthema „Außenhandel“, schreibt der Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner,  könne Trump als Präsident vieles alleine entscheiden. Bei Steuern oder der Besetzung wichtiger Posten wäre er hingegen auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen, „was ihn vielfach bremsen dürfte“. Allerdings, so Weidensteiner, wären deutlich höhere Haushaltsdefizite „auf jeden Fall zu erwarten“. „So dürfte das Risiko Trump an den Märkten in den kommenden Wochen zunehmend in den Mittelpunkt rücken und zumindest die Volatilität steigen lassen“, resümiert er Experte.

Bei einem Wahlsieg Trumps, so schätzt Weidensteiner, drohe den Märkten ein „unsanftes Erwachen“. Der Ausblick für den Dollar sei dann „extrem unsicher“. Einerseits könne ein Präsident Trump zwar die Haushaltsdefizite stark ausweiten und die Fed ihre Zinserhöhungen beschleunigen, was für den Dollar zumindest kurzfristig positiv wäre. „Auf der anderen Seite wäre  der zu erwartende Konfrontationskurs einer Trump-Administration gegenüber wichtigen Handelspartnern eher negativ für den Dollar“, betonte der Volkswirt. „Ziemlich sicher ist allerdings eine erhöhte Volatilität der US-Währung.“


„Niemand will einen Hitzkopf zum Präsidenten“

Dass Handelsabkommen  wie  die  von  der  US-Regierung  bereits  unterzeichnete Transpazifische Partnerschaft  TPP  oder  das  geplante  Abkommen  mit  Europa  (TTIP) womöglich von  Trump  blockiert  werden hat auch schon die deutsche Wirtschaft alarmiert. Trump setze auf Abschottung, um die eigene Wirtschaft zu stärken. Ein solcher Kurs würde aber nicht nur der USA schaden, sondern auch der deutschen Industrie. „Unsere Unternehmen sind international ausgerichtet. Neue Handelsbarrieren und höhere Zölle würden ihnen enorm schaden“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, kürzlich dem „Spiegel“.

Grillo wurde sogar noch deutlicher: „Niemand will einen Hitzkopf zum Präsidenten“, sagte er. „Seine Entgleisungen und Wissenslücken sind geradezu haarsträubend.“ Das Wirtschaftsprogramm des Republikaners sei nicht dazu geeignet, die US-Wirtschaft anzukurbeln. Im Gegenteil: „Viele seiner Pläne können der Wirtschaft sogar schaden“, sagte der BDI-Präsident. So seien die von Trump versprochenen Steuersenkungen lobenswert, müssten aber gegenfinanziert werden: „Mit Trumps Steuerplänen dürfte das ohnehin hohe Haushaltsdefizit der USA weiter steigen.“

Als eine weitere Quelle von Unsicherheit sieht die Commerzbank in den von Trump geweckten Zweifeln am US-Beistand für die Verbündeten. „Eine Schwächung der Nato würde die Europäer zwingen, höhere Verteidigungslasten zu schultern“, prognostiziert Analyst Weidensteiner. Zudem dürften steigende geopolitische Unsicherheiten den Investitionsstandort Europa schwächen und  den Risikoaufschlag auf europäische Papiere erhöhen. Allerdings glaubt der Experte auch, dass die Supermacht USA schon aus eigenem Interesse Europa nicht dem Einfluss einer anderen Macht überlassen werde. „Die Gefahr ist vielmehr, dass beispielsweise Russland sein Gerede zu ernst nimmt und auf eine aggressivere Politik umschaltet, was die Gefahr steigender Spannungen nach sich zieht“, so Weidensteiner.

Möglicherweise kommt alles vielleicht doch anders und nicht ganz so dramatisch, wie ökonomische Beobachter befürchten. Darauf hofft etwa der DIW-Fratzscher. „Ich habe Vertrauen in die Kontrollmechanismen des amerikanischen politischen Systems, so dass ein Präsident Trump kaum etwas seiner schädlichen Forderungen wird umsetzen können“, sagte er. Und auch Berenberg-Chefökonom Schmieding meinte: „Möglich ist natürlich durchaus, dass er seinen Worten keine Taten folgen lässt und alles sehr glimpflich ausgeht.“ 

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