Ölpreise im Keller Das Ende des norwegischen Öl-Märchens

Mit dem Einbruch der Preise geht die Ölindustrie in Norwegen in die Knie. Tausende Jobs fallen weg, die Mitarbeiter müssen Einbußen hinnehmen. Ökonomen sehen eine lange Rezession, die das Land schwächt.

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Dem Land macht der Ölpreisverfall zu schaffen, aber es sind noch Reserven da. Quelle: dpa

Stavanger Der Job schien so sicher, die Zukunft rosig. In der norwegischen Ölindustrie fühlte sich Kristoffer Sandberg gut aufgehoben. Ein hohes Einkommen, tolle Sozialleistungen, überschaubare Arbeitszeiten und viel Urlaub gehörten zum Paket. Mit dem Einbruch der Ölpreise aber sind diese Selbstverständlichkeiten dahin. Die Norweger müssen zurückstecken – im Lebensstandard und in ihren Erwartungen an die Zukunft.

„Ich weiß, dass viele Menschen uns um unsere Situation beneiden“, sagt Sandberg. Doch wie es weitergehen wird, macht ihm Sorgen: „Aber ich weiß nicht, wie viele Leute noch ihren Job verlieren oder wie viel länger diese Unsicherheit anhält.“ Um seine Abstriche in Grenzen halten zu können, geht der 24-Jährige nach Singapur.

Dort hilft er beim Bau einer neuen, gewaltigen Ölplattform mit. Im Vergleich zu seinem früheren Arbeitsplatz auf einer Bohrinsel vor der norwegischen Küste sind die Arbeitsbedingungen aber deutlich schlechter. Vor allem die vielen freien Tage - vier Wochen für alle zwei Wochen Einsatz - gehören der Vergangenheit an.

Einige der Hubschrauber, die die Arbeiter von Stavanger aus zu den Plattformen im Meer brachten, sind schon länger nicht mehr im Einsatz. Rund 10.000 Jobs wurden gestrichen. Und das sehen Ökonomen nur als Beginn einer langen Rezession in der norwegischen Ölindustrie, die 15 Prozent der Wirtschaftskraft, mehr als die Hälfte des Exports und etwa 80 Prozent der Staatseinnahmen ausmacht.

In Norwegen geboren zu sein, sieht Sandberg noch immer als Sechser im Lotto. Doch die Sicherheit schwindet, künftig bleibt das gute Salär mit den jährlichen Einkommenssteigerungen aus, an das er sich gewöhnt hatte. Statistiken des staatlichen Öl- und Gasunternehmens Statoil zeigen die Größenordnung auf. Rund eine Million Kronen (gut 100.000 Euro) zahlte Statoil im vergangenen Jahr im Durchschnitt an seine 23.000 Beschäftigten.


„Ein Land wie Norwegen muss da durch“

Der Einschnitt jetzt sei schmerzhaft, aber nötig, erklärt Knut Sunde von der Arbeitgeberorganisation Norsk Industri. „Der Durchschnittsnorweger bekam zu viel“, sagt er. „Wir haben Jugendliche, die erwarten, dass der Reichtum vom Himmel fällt.“ In Zeiten wie diesen seien Werte wie harte Arbeit wieder gefragt. „Ein Land wie Norwegen muss da durch.“

Der Preis für das Barrel Rohöl der Sorte Brent ist von seinen fast drei Jahre lang stabilen 110 Dollar auf unter 60 gefallen. Damit sind zahlreiche Offshore-Felder vor Norwegen nicht mehr wirtschaftlich. Bohranlagen warten an der Küste vergeblich auf ihren Hochseeeinsatz.

Die Dominanz des Energiesektors in der norwegischen Wirtschaft lässt den Abschwung weite Kreise ziehen. Die Entlassungen schwächen die Kaufkraft, die schrumpfende Industrie zieht Handel, Hotels und Gastronomie in Mitleidenschaft.

Einen Trumpf hat der Staat aber noch in der Hinterhand: Aus den guten Zeiten hat Norwegen umgerechnet rund 760 Milliarden Euro gespart, um die Sozialleistungen in der Krise nicht scharf zurückfahren zu müssen. Das Ende des norwegischen Traums droht damit nicht unvermittelt.

Aber für künftige Generationen wird das skandinavische Land nach Einschätzung von Politikern und Ökonomen nicht mehr das bieten können, für was es bislang in aller Welt beneidet wurde. „Es wird nicht über Nacht passieren“, sagt Hilde Opoku von den Grünen. „Aber wenn wir aus dieser Ölblase aufwachen, werden wir merken, dass wir nie wieder solch märchenhafte Zustände haben werden.“

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