Österreich Baustopp für die Anti-Terror-Mauer von Wien

Österreichs Bundeskanzler Kern hat die im Bau befindliche Anti-Terror-Mauer zum Schutz des Kanzlers und des Bundespräsidenten gestoppt. Die Steuerverschwendung entwickelt sich zum Wahlkampfdebakel für den SPÖ-Chef.

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Österreichs Bundeskanzler liegt vor allem in Sachen Glaubwürdigkeit und Sympathie hinter seinem Herausforderer Sebastian Kurz. Quelle: Reuters

Wien Wiens historischer Ballhausplatz, der Bundeskanzleramt und Bundespräsidialamt quert, ist aufgerissen. Das österreichische Zentrum der politischen Macht ist eine einzige Baustelle. Der Asphalt ist offen, die Armierung liegt frei, der Beton ist frisch gegossen. Ziel der Arbeiten des Baukonzerns Porr sind 80 Zentimeter hohe und ein Meter breite Mauern.

Die fünf unterschiedlichen, acht Meter langen Mauern sollten in der Machtzentrale der Alpenrepublik für mehr Sicherheit sorgen. Schließlich arbeiten hier Bundeskanzler und Bundespräsident quasi gegenüber. Mit dem Betonbauwerk sollte beispielsweise die Zufahrt eines von Terroristen gesteuerten Lastwagens verhindert werden.

Überraschend hat Bundeskanzler Christian Kern vergangene Woche das Anti-Terror-Bauwerk im Herzen der Donaumetropole gestoppt. Schließlich wurde bei den Bauarbeiten klar, dass ein prominenter Platz des Weltkulturerbes mit den Mauern grässlich entstellt werden würde. In Sachen Schönheit ihrer Stadt sind die Wiener ganz besonders empfindlich. Und die mächtige Kronen-Zeitung, an der die Essener Funke-Gruppe maßgeblich beteiligt ist, hatte mächtig Stimmung gemacht. Mit Erfolg. „Das ist der Kniefall vor der Krone“, bringt es ein ehemaliger Politiker in Wien auf den Punkt.

Die 180-Grad-Wende des Kanzlers mitten im Wahlkampf löste nicht nur beim politischen Gegner Kopfschütteln aus. Wie konnte es zu Malheur von mehreren hunderttausend Euro vor dem Kanzleramt überhaupt kommen? Wer ist für das Verschleudern von Steuergeldern verantwortlich?

Auf diese Frage wird es höchstwahrscheinlich nie eine Antwort geben. Denn alle Beteiligten – Kanzleramt, Ministerien und die Stadt Wien – schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Weder das Kanzleramt unter der SPÖ-Regierung noch das ÖVP-geführte Innenministerium wollen in der Posse um Mauern und Poller Verantwortung übernehmen. Ein Schuldeingeständnis ist von niemandem zu erwarten. Schließlich wählt Österreich am 15. Oktober eine neue Regierung. Und am Ende gibt es eine Lösung, wenn auch ein schlechte.

Statt einer Mauer wird es voraussichtlich 30 Poller geben, die mit zwei Ausnahmen nicht einmal versenkbar sind. Darauf hatte sich die ministerialen und städtischen Bürokraten geeinigt. Offenbar mehr als eine halbe Million Euro kostet die bis November geplante Baumaßnahme den österreichischen Steuerzahler.


Wahlkampfpannen häufen sich

Für Kern entwickelt sich die Posse um „Poller statt Mauer“ vor seinem Amtssitz unterdessen zu einer weiteren Panne in einem bislang unglücklichen Wahlkampf. Der mit so viel Verve gestartete SPÖ-Chef liegt nach den letzten Umfragen weiter hinter seinem Herausforderer, Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), zurück. Nach einer Umfrage des Boulevardblatts „Österreich“ vom Sonntag kommt Kurz als Kanzlerkandidat derzeit auf 31 Prozent, Amtsinhaber Kern aber nur auf 24 Prozent – genauso viel wie der rechtspopulistische FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Vor allem in Sachen Glaubwürdigkeit und Sympathie liegt Kurz deutlich vor Kern.

Weitere Fehler im heiß laufenden Wahlkampf kann sich Kern angesichts der Lage nicht mehr leisten. Zuletzt lief es für den Kanzler gar nicht gut. Am Wochenende hatte das österreichische Nachrichtenmagazin „Profil“ aufgedeckt, dass die SPÖ bei einer Wiener Werbeagentur Videos in Auftrag gegeben hatte, die den politischen Gegner Sebastian Kurz diskreditieren sollten.

„Diese Videos wurden von uns nicht direkt beauftragt. Tal Silberstein, der von uns mit der Abwicklung von Umfragen und Fokusgruppen beauftragt war, hat verschiedenste Konzepte entworfen, um diese in Fokusgruppen abzutesten. Dafür wurde ein Video produziert“, sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler zur Erklärung. ÖVP-Chef Kurz zeigte sich unterdessen betroffen. „Ich appelliere an Bundeskanzler Christian Kern, alle Schmutzkübelgeschichten der SPÖ im Internet gegen die politischen Mitbewerber einzustellen“, fordert der konservative Kanzlerkandidat.

Angesichts der Defensive im Duell um die Macht sorgte Kerns Kampagnenchef für eine unerwartete Replik. „Dass Sebastian Kurz erneut behauptet, die SPÖ würde Geld und Energie in angebliches Dirty Campaigning gegen ihn stecken, legt nur offen, dass die ÖVP es vermeidet, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen“, konterte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Niedermühlbichler im Auftrag seines Parteichefs.

Kanzler Kern hat nicht nur inhaltlich ein Problem, sondern griff auch bei seiner Personalwahl daneben: Erst im August musste er sich von seinem Wahlkampfberater Tal Silberstein trennen. Der Datenspezialist wurde in Israel verhaftet. Silberstein werfen die israelischen Ermittlungsbehörden unter anderem Bestechung und Geldwäsche im Zusammenhang mit einer Mine im westafrikanischen Guinea vor.

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