Österreichs Konjunktur gewinnt an Fahrt Investieren oder sparen?

Der Aufschwung der österreichischen Konjunktur kommt für Bundeskanzler Kern angesichts der vorgezogenen Neuwahlen im Oktober wie gerufen. Anstatt der geplanten Investitionen fordern andere jetzt den Abbau von Schulden.

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Nach Angaben des Wifo stieg der Index der aktuellen Lagebeurteilung für die Gesamtwirtschaft im Juli auf den höchsten Stand seit zehn Jahren. Quelle: Reuters

Wien Nach schwierigen Jahren gewinnt die Konjunktur in Österreich weiter  an Fahrt. Das Bruttoinlandsprodukt der Alpenrepublik legt im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Quartal um 0,8 Prozent zu. „Damit gehört Österreich zu den Euro-Ländern mit dem stärksten Wirtschaftswachstum“, teilte Österreichs führendes Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo am Mittwoch in Wien mit. Insbesondere in der Sachgüterproduktion, bei Bauwirtschaft und bei Dienstleistern würden die Geschäfte rund laufen. „Die Stimmung in Österreich ist ausgezeichnet. Die Investitionsbereitschaft sehr viel größer als noch im Vorjahr. Das merken wir am Kreditvolumen. Selbst kleine Darlehen nehmen zu“, sagte Franz Gasselsberger, CEO der Oberbank, dem Handelsblatt in Wien. Die in Linz ansässige Bank ist insbesondere auf das Geschäft mit dem Mittelstand und Privatkunden spezialisiert. Laut Gasselsberger ist das Wachstum bei kleinen Darlehen zwischen ein und drei Millionen Euro am stärksten. „Das zeigt uns, dass der Aufschwung wirklich alle Bereiche der Wirtschaft erfasst hat und wahrscheinlich nachhaltig ist“, sagt der Oberbank-Chef.

Nach Angaben des Wifo stieg der Index der aktuellen Lagebeurteilung für die Gesamtwirtschaft im Juli auf den höchsten Stand seit zehn Jahren. In diesem Umfeld würde auch die Nachfrage nach Arbeitskräften dynamisch steigen, so die Wirtschaftsforscher. Die Arbeitslosenquote wird nach Einschätzung des Wifo im Juli mit 7,6 Prozent um einen halben Prozentpunkt unter dem Vorjahreswert liegen.

Für Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kommt der Konjunkturaufschwung wie gerufen. Am 15. Oktober wählt die Alpenrepublik ein neues Parlament. Die vorgezogenen Neuwahlen wurden vom konservativen Koalitionspartner ÖVP erzwungen. Christian Kern, Chef der sozialdemokratischen SPÖ, liegt nach Meinungsumfragen klar hinter seinem Herausforderer, dem Außenminister und ÖVP-Vorsitzendem Sebastian Kurz. Beide Spitzenkandidaten wollen mit tiefgreifenden Reformen in Wirtschaft, Bildung und Sozialsystemen die Verkrustungen in Österreich aufbrechen und das Land wieder unter die wirtschaftliche Spitzengruppe Europas bringen. „Wenn der Reformeifer groß genug ist, können wir bis zum Jahr 2020 mit einem Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent rechnen“, ist sich Banker Gasselsberger sicher.

In der Wirtschaft wächst die Zuversicht bereits seit Monaten. „Wir sind von der positiven Einstellung der Unternehmen und Verbraucher überrascht. Schließlich wächst die Wirtschaft mittlerweile stärker als in Deutschland und stärker als im EU-Durchschnitt. Das hätte im vergangenen Jahr noch niemand zu träumen gewagt“, sagte Gasselsberger. „Wir müssen die gute Zeit nutzen, um die Attraktivität des Standorts Österreich mit tiefgreifenden Reformen zu verbessern. Die Erwartungshaltung der Bürger an die politisch Verantwortlichen ist enorm groß.“

Österreich leidet unter einer hohen Staatsverschuldung. Seit Jahren fordern Wirtschaftsverbände von der rot-schwarzen Regierung in Wien verstärkte Anstrengungen, um die Staatsverschuldung abzubauen. „Mit 295 - also nahezu 300 Milliarden Euro –  ist Österreichs Schuldenberg doppelt so hoch wie vor 17 Jahren. Gerade die Niedrigzinsphase muss genutzt werden um die Schulden abzutragen. Dafür ist Deutschland ein gutes Vorbild“, sagte Gasselsberger.

Derzeit ist Österreich vor allem mit dem Wahlkampf beschäftigt. Sowohl Kern als auch Kurz versuchen mit neuen Ideen immer mehr Wählergruppen für ihre Parteien zu gewinnen. Da sich eine neue österreichische Regierung erst im vierten Quartal bilden wird, liegen eine ganze Reihe wichtiger Reformvorhaben jetzt auf Eis.

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