Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz schätzt die Kontrolle

Er machte europaweit Furore mit seiner Haltung zu Flüchtlingen. Sebastian Kurz hat als Österreichs Außenminister oft den diplomatischen Mainstream verlassen. Jetzt muss sich der 31-Jährige als Regierungschef beweisen.

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Der ÖVP-Chef Kurz bei einer Pressekonferenz im Palais Epstein in Wien. Quelle: dpa

Wien Seine strikte Anti-Migrations-Haltung hat ihn populär gemacht. Schon 2015, als viele Menschen in Österreich und Deutschland noch Fans der Willkommenskultur waren, fing Sebastian Kurz an zu warnen: Unkontrollierte Zuwanderung kann nicht gut gehen. Als Außenminister Österreichs zimmerte er zusammen mit den Balkanstaaten ein Bündnis, mit dem die von den Flüchtlingen bis dahin gern genutzte Balkanroute Anfang 2016 weitgehend geschlossen wurde. Diese Maßnahme sah er auch im österreichischen Wahlkampf als eines seiner größten Verdienste. Und es gelang ihm, mit seinem Image des Politikers, der auch angeblich unangenehme Wahrheiten ausspricht, manche Wähler der rechten FPÖ zur konservativen ÖVP zu locken.

Kontrolle ist eines der Schlüsselworte der steilen Karriere des erst 31-Jährigen. „Kurz ist die personifizierte Selbstkontrolle. Wenn er auftritt, ist nichts dem Zufall überlassen“, heißt es in der jüngsten Biografie über ihn. Er spricht oft druckreif. Zugleich gönnt Kurz den Zuhörern selten rhetorische Variationen, sondern bleibt lieber bei von ihm oft gebrauchten Formeln.

Als junger Integrations-Staatssekretär - damals war er gerade einmal 24 Jahre alt - schickte er Integrations-Botschafter in die Schulen: Österreicher mit Migrationshintergrund, die es durch Leistung zu etwas gebracht hatten. Mit seiner verschärften Tonlage können manche Weggefährten von damals nichts mehr anfangen und haben sich von ihm distanziert.

Mit 27 wurde Kurz schon Außenminister. Und auch auf dieser Ebene machte er international eine sehr passable Figur. Spätestens seitdem galt das Einzelkind - Mutter Lehrerin, Vater Techniker - als die ganz große Hoffnung der konservativen ÖVP.

Kurz hört im Gegensatz zu anderen Politikern zu - oder zumindest vermittelt er den Eindruck. Rat fordert der Freizeitsportler (Bergsteigen, Mountainbiken) ein. Er kann sich auf ein kleines Kernteam von Vertrauten verlassen. Die Inszenierungen im Wahlkampf („Zeit für Neues“) waren auch im Internet perfekt. „Er ist kein Vordenker. Er ist Stilist“, meint das Magazin „trend“. Und der Psychologe Michael Schmitz schreibt weiter: „Kurz ist fesch und sympathisch. Wer so rüberkommt, gilt vielen nahezu automatisch als glaubwürdig und dann schnell auch als fähig. Die Psychologie nennt diese weit verbreitete Gedankenverknüpfung einen „Zuordnungs-Irrtum“.

Nach der Vereidigung Anfang kommender Woche ist Kurz der bisher jüngste Kanzler Österreichs. Er will die Vorteile seines Alters voll ausnutzen. Er werde vielleicht schon in zehn Jahren etwas anderes machen als Politik, wiederholte er jüngst. Zeit genug für eine zweite Karriere oder gar das Nachholen seines Studienabschlusses in Jura hat er ja.

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