Oligarch Rinat Achmetow Der reichste Ukrainer ruft zum Widerstand auf

Rinat Achmetow ist der mächtigste Oligarch der Ukraine. Jetzt ruft er zum Widerstand gegen die Separatisten auf. Das kann ihm nur gelingen, wenn die Wirtschaftskrise seinen Unternehmen fern bleibt.

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Der ukrainische Unternehmer und Oligarch Rinat Achmetow hat bereits mit Bundesaußenminister Steinmeier gesprochen. Quelle: dpa

Just an jenem Tag, da der Eigentümer gegenüber den Stahlarbeitern sein klares Bekenntnis zur Einheit der Ukraine abgegeben hat, streicht ein Arbeiter im Lager des Iljitsch-Stahlwerks eine Werkslokomotive – in den blau-gelben Farben der Ukraine. Ist das Zufall? Oder reicht die Macht von Stahlwerks-Besitzer Rinat Achmetow so weit hinein ins Reich der Arbeiter, dass sogar die Farbgebung einer Lok dem Denken des Magnaten folgt? Wohl eher Zufall, aber ein amüsanter.

Es ist indes kein Zufall, dass der acht Milliarden Euro schwere Oligarch Achmetow ausgerechnet im Iljitsch-Stahlwerk zu Widerstand gegen jene „Volksrepublik Donezk“ aufruft, deren Apologeten die Unabhängigkeit von der Ukraine wollen und vom Anschluss an Russland träumen. Denn für den Unternehmer wäre das ein Albtraum. Eine eigenständige Mini-Republik, die kaum ein Land der Welt außer Russland anerkennt, wäre abgeschnitten von den globalen Exportmärkten.

Und das wäre für das Iljitsch-Stahlwerk das Ende. Mehr als die Hälfte der Stahlproduktion geht in die Welt; gleich neben der Lokomotive im Lager stapelt sich Flachstahl für den Abtransport zu einem Großkunden in Singapur. Russland spielt für das Kombinat mit seinen 30000 Mitarbeitern kaum eine Rolle, denn im Nachbarland gibt es mit Severstal und NLMK ebenfalls eine starke Stahlindustrie. Und gegen diese etablierten Russen hätte der Ukrainer Achmetow wiederum keine Chance, wenn sich die Industrieregion Donbass der Russischen Föderation anschließen würde.

So kann man sich fragen, weshalb Achmetow seine Arbeiter so spät gegen die Separatisten in Stellung brachte – aber dass er sie zum Widerstand aufruft, ist für sie nur logisch. Spricht man mit den Arbeitern im Werk, so klingt denn auch wenig Unterstützung für die Abspaltung durch. „Wir brauchen diese Unruhen nicht und wollen nur unseren Job machen“, sagt Andrej Jachontow, der in einer Stahl verarbeitenden Fabrik das Sagen hat. Bei ihm, verspricht er, gebe es keine Separatisten. Vielmehr würden die Arbeiter in ihren Freischichten an Patrouillen in der Stadt teilnehmen, um mit der staatlichen Polizei gegen Marodeure und Unruhestifter Flagge zu zeigen.

Die Menschen vertrauen ihm

Militäreinsatz gegen Separatisten gestartet
Ukrainische Soldaten stehen mit unsicher-angespanntem Gesichtsausdruck zwischen Panzern, auf denen die ukrainische Flagge weht. Erstmals hat die Ukraine auf den prorussischen Aufstand im Osten des Landes mit einer Militäraktion reagiert. Quelle: AP
Die pro-russischen Separatisten lassen sich derweil nicht beeindrucken. Sie bauen weiter Barrikaden und verteidigen diese mit teils selbst gebastelten Waffen, so wie hier in der Stadt Kramatorsk. Quelle: AP
Südlich von Kramatorsk sollen am Dienstag ukrainische Spezialkräfte an einem Flughafen rund 30 bewaffnete Männer zurückgedrängt haben, sagte General Vasyl Krutow. Quelle: AP
Separatisten greifen ukrainisches Sicherheitspersonal am Flughafen von Kramatorsk an. Über den genauen Hergang der Gefechte gab es widersprüchliche Angaben. Quelle: AP
Laut der ukrainischen Regierung gab es keine Opfer, russische Medien berichteten jedoch von vier bis elf Toten am Flughafen. Ein Sprecher einer prorussischen Verteidigungsgruppe, Juri Schadobin, sprach von zwei Leichtverletzten, die in eine Klinik gebracht worden seien. Laut der Regierung in Kiew wurde eine nicht näher genannte Zahl von Milizionären gefangen genommen. Quelle: AP
Moskau verurteilte das ukrainische Vorgehen. Es sei „kriminell, mit den eigenen Landsleuten zu kämpfen, während sie für legale Rechte aufstehen“, erklärte das Außenministerium in Moskau. Ressortchef Sergej Lawrow hatte Kiew zuvor vor dem Einsatz von Gewalt gegen die prorussischen Demonstranten gewarnt. Man könne nicht Panzer schicken und zur selben Zeit Gespräche führen, sagte er mit Blick auf die für Donnerstag in Genf geplanten Verhandlungen mit den USA, der Europäischen Union und der Ukraine über die Krise. Quelle: AP
Einige Truppen haben laut Berichten von Reportern vor Ort mittlerweile die Seiten gewechselt. Sie sollen samt Panzern zu den pro-russischen Milizionären übergelaufen sein. Quelle: AP

In zwei gepfefferten Videobotschaften hatte Achmetow diese Woche zum Widerstand aufgerufen. „In den Städten herrschen Banditen und Marodeure. Die Menschen sind es leid, in Angst zu leben“, sagte er – und stellte sich damit klar gegen die Bewertung des russischen Staatsfernsehens, wonach die „Selbstverteidigungskräfte“ den Osten des Landes vor von Europa und den USA finanzierten „Faschisten“ aus Kiew beschützen würden. Im überwiegend russischsprachigen Donbass schaltet man abends vor allem die russischen Kanäle ein und lehnt die ukrainischen Sender als Propaganda ab. Die Mitarbeiter auch seiner eigenen Unternehmen rief der Oligarch zu einem täglichen Warnstreik auf – nach dem Motto: „Für den Frieden! Gegen das Blutvergießen!“

Während die Menschen im wesentlich wohlhabenderen Russland solchen Großkapitalisten wie Rinat Achmetow mit Neid und Skepsis gegenüberstehen, vertrauen die Menschen im Donbass dem 47-Jährigen. Der Banker hat sich seit seiner dubiosen Machtübernahme in der Region als Garant für die Arbeitsplätze erwiesen und gerade den 50000 Beschäftigten der Stahlindustrie einige Sicherheit beschert. Im Iljitsch-Kombinat in Mariupol laufen die Anlagen tatsächlich überwiegend auf Hochtouren, zumal die schwache Griwna die Weltmarkt-Position des ukrainischen Stahls verbessert. Im Schwesterwerk von Asow-Stal schwächelt dagegen die Nachfrage, da Großkunden wie die russische Staatsbahn RZD ihre Bestellungen heruntergefahren haben.

Solange die wirtschaftliche Lage stabil bleibt, dürften zumindest die halbwegs gut bezahlten Stahlarbeiter hinter Rinat Achmetow stehen im Widerstandskampf gegen die Separatisten der Region. Fraglich indes ist die Unterstützung der 140000 Beschäftigten seiner Kohlegruben, wo es bereits in den vergangenen Wochen mehrere Streiks gegeben hatte – aus „ökonomischen Gründen“, wie das Unternehmen versichert.

Die Menschen forderten Lohnerhöhungen, die sie relativ rasch auch bekamen. Doch die Lage der Kohlesparte verbessert sich nicht, je länger die Krise dauert: Ein Großteil des Brennstoffs landet unter hohen Subventionen am Binnenmarkt; sowohl die Subventionen als auch die Nachfrage fallen wegen der Krise und der teilweisen Blockade der Transportwege in den Osten weg. Wenn der politische Konflikt nicht bald entschärft werden kann, dürfte der wirtschaftliche Niedergang der Ostukraine zunehmen. Irgendwann könnte auch ein Achmetow Schwierigkeiten haben, die Arbeiter hinter sich zu versammeln.

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