Oligarch Wekselberg "Wir schaffen Grundlagen für russische Innovationen"

Der russische Oligarch Viktor Wekselberg über die geplante High-Tech-Hochburg Skolkowo, Steuerprivilegien für Ausländer, die Suche nach deutschen Interessenten und den Hass auf Reiche.

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Viktor Wekselberg Quelle: Fyodor Savintsev für WirtschaftsWoche

Herr Wekselberg, Ihr Präsident will, dass Sie aus dem Dorf Skolkowo bei Moskau ein russisches Silicon Valley zaubern. Träumt er, oder ist das sein Ernst?

Wekselberg (lacht): Alle Träume unseres Präsidenten sind ernst gemeint. Aber das Skolkowo-Projekt ist kein Traum, sondern Teil der neuen russischen Wirtschaftspolitik. Wir wollen Grundlagen schaffen, dass Russland künftig Innovationen exportiert.

Russland ist nicht gerade als High-Tech-Wiege bekannt. In welchen Branchen wollen Sie die USA oder China angreifen?

Wekselberg: Es ist nicht unser Ziel, andere Länder zu überholen, schon gar nicht die USA, zwischen denen und Russland eine Kluft liegt, was die ökonomische Entwicklung angeht. Aber es gibt Gebiete, in denen Russland führend werden kann.

Als da wären?

Wekselberg: Wir sind in der Atomindustrie auf internationalem Niveau, ebenso in der Raumfahrt. Russische IT-Entwickler sind ausgezeichnete Fachleute...

...die am liebsten für globale IT-Konzerne wie Microsoft oder Apple programmieren.

Ja, aber nicht nur. Diese Leute haben auch eigene Ideen, die wir erkennen und fördern müssen. Ebenso gilt das für Branchen wie Bio- und Nanotechnologie. Das sind Zukunftsbranchen, in die jeder Staat investiert, der etwas auf sich hält, wir auch. Eine hohe Priorität hat zudem die Steigerung der Energieeffizienz. Wir sitzen in Russland auf gewaltigen Rohstoffreserven, aber wir verschwenden zu viel.

Aktuell steigen die Preise für Öl und Gas – Rohstoffe, von deren Export Russland jahrelang üppig gelebt hat. Fürchten Sie nicht, die wieder sprudelnden Quellen könnten die Motivation in Ihrem Lande bremsen, sich um Innovationen zu bemühen?

Wekselberg: Wieso denn? Es ist doch gut, wenn zur Finanzierung unserer Innovationsoffensive mehr Mittel im Budget sind.

Rohstoffreiche Länder sind träge und verteilen ihre Petromilliarden oft lieber, als sie in Innovationen zu stecken.

Wekselberg: Sie können immer hinterfragen, ob ein Staat seine Mittel richtig investiert oder nicht. Aber das ist nicht meine Aufgabe. Was Skolkowo betrifft, sind die Entscheidungen zum Bau des Innovationszentrums gefallen. Ich bin überzeugt, dass das Projekt ein Erfolg werden wird.

Bislang ist Skolkowo ein Dorf am westlichen Stadtrand von Moskau, mit grünen Wiesen und grasenden Kälbern. Warum soll ausgerechnet dort Russlands neues Innovationszentrum entstehen?

Wekselberg: In Skolkowo befindet sich bereits eine Business School. Das ist wichtig, denn wir legen Wert auf die Verzahnung von Wirtschaft und Forschung. Insgesamt wollen wir ein optimales Umfeld schaffen für Unternehmen, die etwas Innovatives entwickeln wollen.

Grafik: Wekselbergs Imperium (komplette Grafik: bitte klicken!)

Was haben Sie zu bieten?

Wekselberg: Wir entlasten die Unternehmen von überflüssiger Bürokratie, zum Beispiel bei der Registrierung von ausländischen Mitarbeitern.

Heißt das, Ausländer werden ganz ohne Visum einreisen können?

Wekselberg: Das kann ich leider nicht entscheiden, Visafragen sind Teil der Außenpolitik. Aber für Skolkowo haben wir bereits Vereinbarungen mit dem Migrationsdienst unterschrieben, wonach die Einreise auf maximale Weise vereinfacht wird.

Planen Sie Steuererleichterungen?

Wekselberg: Wir wollen Skolkowo-Investoren entscheidende Steuervorteile verschaffen. Ein Großteil der Steuern wird auf null gesetzt, der Satz für Sozialabgaben fast um die Hälfte auf 14 Prozent gesenkt. Außerdem wollen wir die Zollprozeduren maximal vereinfachen. Wer sein Labor mit Anlagen aus dem Ausland ausstatten will, soll diese so einfach wie möglich einführen können.

Warum soll das nur in Skolkowo klappen und nicht in ganz Russland?

Wekselberg: Russland ist ein riesiger Staat, das kann ich pauschal nicht beantworten. Wir wollen, dass Skolkowo ein Experimentierfeld wird, auf dem wir lernen, wie man wissenschaftliche Forschung in die Praxis umsetzt, wie man Erfindungen kommerzialisiert. Diese Erfahrungen müssen wir auf weitere Projekte im ganzen Land übertragen. Skolkowo wird kein Erfolg, wenn es eine Oase bleibt und im Rest des Landes alles weiterläuft wie bisher.

Sie meinen die überbordende Korruption, die etwa einem Fünftel der russischen Wirtschaftsleistung entspricht.

Wekselberg: Korruption ist ein großes Problem, das für unsere Wirtschaft ebenso schädlich ist wie die überflüssige Bürokratie. Das müssen wir ernsthaft bekämpfen, was unsere Regierung übrigens tut.

Bislang haben nur Konzerne wie Siemens, Nokia oder Cisco ihr Interesse am Einzug in Skolkowo angemeldet. Wollen Sie auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen verzichten, die in anderen Ländern die Innovation hervorbringen?

Wekselberg: Nein, gerade die brauchen wir hier. Die Ansiedlung der Konzerne soll kleineren Unternehmen helfen, sich zu entwickeln. Großunternehmen können als Abnehmer auftreten oder einfach nur beratend zur Seite stehen.

Von deutscher Seite hat nur Siemens Interesse an Skolkowo angemeldet. US-Investoren stehen dagegen Schlange. Glauben die Deutschen nicht an das Projekt?

Wekselberg: Nein, das denke ich nicht. Das Skolkowo-Projekt werden wir mit Siemens am 8. Dezember in München vorstellen. Ich bin sicher, dass sich viele Interessenten finden werden. Außerdem wollen wir gezielt Partnerschaften mit deutschen Universitäten vorantreiben.

Manche Investoren aus dem Westen haben schlechte Erfahrungen in Russland gemacht. Der britische Ölriese BP etwa war 2008 drauf und dran, sein 50-Prozent-Paket am russischen Branchendritten TNK-BP zu verkaufen.

Wekselberg: Ach, das Thema ist doch durch!

Der Chef von TNK-BP hieß damals Robert Dudley. Heute ist er BP-Konzernvorstandsvorsitzender. Damals musste er nach Razzien der russischen Steuerfahnder seinen Hut nehmen. Wie können Sie ausschließen, dass sich solche Dinge in Skolkowo wiederholen?

Wekselberg: Wir hatten als Aktionäre von TNK-BP Meinungsverschiedenheiten mit unserem britischen Partner BP. Das betraf die Strategie des Unternehmens. Die sind vom Tisch, heute zählt TNK-BP zu den profitabelsten Ölkonzernen der Welt.

Wekselberg:

Sie sind Dudleys Nachfolger bei TNK-BP, gleichzeitig bauen Sie Skolkowo auf. Wie lange lassen sich beide Jobs miteinander vereinbaren?

Wekselberg: Ab kommendem Jahr werde mich völlig auf Skolkowo konzentrieren und mein Amt bei TNK-BP niederlegen.

Sie sind auch Großaktionär der Schweizer Technologieunternehmen Oerlikon und Sulzer. Profitieren die beiden Konzerne von Ihrem Einstieg?

Wekselberg: Natürlich. Über unseren Einstieg bekommen beide Unternehmen Zugang zum riesigen russischen Markt, auf dem sie vorher praktisch nicht präsent waren. Oerlikon liefert bereits Anlagen zum Bau des ersten russischen Solarzellenwerks, auch Sulzer baut seine Präsenz am russischen Markt aus.

In Ihrer Wahlheimat, der Schweiz, hatten Sie in den vergangenen Monaten mächtig Ärger. Das Finanzdepartement wollte Sie zu einer Strafe verdonnern, weil Sie angeblich beim Verkauf von Oerlikon-Aktien gegen das Börsenrecht verstoßen haben.

Wekselberg: Wir haben den Konflikt auf eine Art und Weise gelöst, die zeigt, dass die Schweiz ein zivilisatorisches und demokratisches Land ist.

Sie haben das Verfahren gewonnen. Aber der Streit war monatelang Dauerbrenner in den Schweizer Medien.

Wekselberg: Natürlich war das Verfahren für uns nicht sehr angenehm, um es vorsichtig zu formulieren. Aber letztlich bin ich um eine Erfahrung reicher...

...um die Erfahrung, dass die Schweizer keine russischen Oligarchen mögen?

Wekselberg: Ich verstehe jetzt besser, wie das Schweizer Rechtssystem funktioniert. Das ist nicht schlecht, das ist nützlich.

Stört es Sie nicht, dass man superreiche Russen wie Sie überall auf der Welt ständig nur abfällig Oligarchen und nicht wie im Westen Investoren nennt?

Wekselberg (lacht): Ich weiß ja selbst nicht genau, was der Begriff überhaupt bedeutet. Aber Sie haben recht, und es ist schon so, dass Oligarch manchmal sogar ein Schimpfwort ist.

Wundert Sie das?

Wekselberg: Die Wurzeln dafür liegen sicherlich in der Privatisierung des Volksvermögens in der Sowjetunion in den Neunzigerjahren...

...die so manchen aus dem sowjetischen Regierungsapparat oder Startup-Unternehmer schnell sehr reich gemacht hat, während die breite Masse der Bevölkerung verarmte.

Wekselberg: Im Grunde geht es doch um etwas anderes, nämlich um das Verhältnis der Menschen zu erfolgreichen Unternehmern, die in der Praxis eben oft sehr reich sind. In den Vereinigten Staaten von Amerika sind solche Leute Stars, der Stolz der Nation. In Sozialdemokratien europäischen Zuschnitts, vor allem aber in Russland, betont man bei erfolgreichen Geschäftsleuten eher die Schattenseiten.

Fast jeder zweite Hochschulabsolvent in Russland will beim Staat arbeiten. Wie will Ihr Land innovativ werden, wenn sich kaum jemand traut, Unternehmer zu werden?

Wekselberg: Ich glaube, das ändert sich langsam. Schauen Sie, vor ein paar Wochen ging das russische Internet-Unternehmen Mail.ru in London an die Börse. Die Gründer haben unter anderem Anteile am sozialen Netzwerk Facebook gekauft. Dann wagen sie selbst einen Börsengang und werden über Nacht zu Milliardären, weil der Markt ihre Idee akzeptiert. Solche Beispiele wird es in Zukunft viele weitere geben. Und ich hoffe, dass darunter auch das eine oder andere Skolkowo-Unternehmen sein wird.

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