Olympische Spiele Rios Enttäuschung

Sie sollten eigentlich einen gehörigen Wirtschaftsschub bringen. Aber die Olympischen Spiele Rio de Janeiro drohen zu einem Flop zu werden - die Zahl der Touristen bleibt wohl deutlich hinter den Erwartungen zurück.

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Das olympische Maskottchen Vinicius ist alles andere als ein Verkaufsschlager. Quelle: REUTERS

In Sachen Strategien zur Förderung des Tourismus kann Rio de Janeiro sicher noch einiges lernen. Die Bilder von Männern in martialischen gelben Schutzanzügen, die Moskitos mit Pestiziden den Krieg erklären, gingen um die Welt. Ebenso jene von Polizisten, die Ankommende am Flughafen mit dem Banner begrüßten: „Willkommen in der Hölle. Wer nach Rio kommt, ist nicht sicher.“

Die - angesichts des starken Rückgangs unbegründete - Angst vor dem Zika-Virus und der Ruf als gefährliche Stadt wurde damit tatkräftig gefördert. Dabei sind die ersten Olympiagäste erstaunt, wie sicher man sich zum Beispiel am Strand in Copacabana fühlt. Und dass es wegen des südamerikanischen Winters praktisch keine Moskitos gibt.

Was bringt Olympia dem abgestürzten, einstigen Boomland Brasilien? Sicher nicht die erhofften Tourismuseinnahmen. Während man zunächst auf 800.000 bis zu einer Million Gäste gesetzt hatte, werden sich nach Angaben der Tourismusbehörde Embratur während der Olympischen Spiele nur zwischen 300.000 und 500.000 ausländische Gäste in Rio aufhalten.

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Laut der Hotelvereinigung sind zwar 90 Prozent der Zimmer ausgebucht. Doch Touranbieter, etwa für Rundgänge durch Favelas, klagen über eine viel geringere Nachfrage als zur Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Nach einer Projektion der Zentralbank werden die ausländischen Touristen nur 200 Millionen Dollar an Zusatzeinnahmen bescheren, deutlich weniger als zur Fußball-WM, als es rund 900 Millionen Dollar waren.

Bei Olympia-Paketen gab es zuletzt deutliche Nachlässe - immerhin rund 80 Prozent der 6,1 Millionen Tickets wurden bisher verkauft. Aus den USA erwartet man nach Argentinien die zweitmeisten Olympia-Touristen. Deutschland sieht man an Position neun. Der Kreditversicherer Euler Hermes rechnet mit mehr Pleiten, weil sich viele Hoffnungen von vor Olympia gegründeten Unternehmen, etwa in Gastronomie, Transport, Dienstleistungen, Freizeit und Kommunikation nicht erfüllt hätten. „Allein durch Olympia rechnen wir in Rio mit zusätzlichen 5 Prozent Pleiten, bei Kleinunternehmen sogar plus 12 Prozent“, sagt Chefvolkswirt Ludovic Subran.

Südamerika fürs Depot

An der Copacabana wurde am Strand ein Megastore mit Rio2016-Produkten aufgebaut, hier ist der Andrang oft mäßig, die Preise sind gesalzen: 115 Reais (32 Euro) etwa für das Maskottchen Vinicius, benannt nach einem Bossa-Novas-Musiker, eine Art Kreuzung aus Affe und Wildkatze, es steht für die Tiervielfalt. Die meisten machen Selfies mit dem gelben Maskottchen, aber kaufen nichts. Immerhin hat sich die Landeswährung Real stabilisiert gegenüber dem Dollar und Euro - was den Aufenthalt für Touristen aus den USA und EU teurer macht.

„Die erhöhte Sichtbarkeit des Landes führt zu potenziellem Wachstum des touristischen Interesses“, glaubt Embratur. Aber Brasilien hat das Scheinwerferlicht durch Olympia bisher eher zur Selbstdemontage genutzt: Politisches Chaos mit der Suspendierung von Präsidentin Dilma Rousseff, ein Korruptionsskandal, in den fast die ganze politische Elite verstrickt ist. Bürgermeister Eduardo Paes klagt, Olympia sei eine vertane Chance. Er sieht die fröhlichen Spiele in Barcelona 1992 als Vorbild - sie lösten einen Touristenboom aus.

Der Leiter der Böll-Stiftung, Dawid Danilo Bartelt, hat sich in einer Analyse eingehend mit dem ökonomischen Nutzen solcher Großereignisse beschäftigt. Sein Fazit: „Die volkswirtschaftlichen Effekte sind gering. Vor der Fußball-WM 2014 gab es Studien, die zusätzliche Einnahmen und Investitionen in Milliardenhöhe und Hunderttausende neue Arbeitsplätze versprachen“, bilanziert Bartelt. „Das Wachstum im WM-Jahr war dann aber geringer als im Vorjahr und sackte 2015 ganz ab, die Arbeitslosigkeit stieg.“

Auch Luiz Ribeiro, Brasilien-Fondsmanager bei der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank, glaubt nicht an einen Wachstumsschub durch Olympia für Brasilien. „Einen starken Effekt auf die Wirtschaft werden die Spiele nicht haben“, sagt er. Zwar habe sich die Infrastruktur in Rio verbessert. Doch Investitionen von gut 10 Milliarden Dollar seien zu wenig, um eine so große Volkswirtschaft wie Brasilien nachhaltig zu beeinflussen. „Allerdings wird es Auswirkungen auf die generelle Stimmung und das Vertrauen in das Land haben, wenn Brasilien gezeigt hat, dass es mit der Weltmeisterschaft 2014 und den Olympischen Spielen in diesem Jahr zwei Großereignisse erfolgreich über die Bühne gebracht hat“.

2015 kamen 6,3 Millionen Touristen nach Brasilien - immerhin sind das 17 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Es ist aber nicht ausgemacht, ob die Zahl dieses Jahr steigt - allein Zika hat für einige Verwerfungen und Stornierungen gesorgt. Ähnlich wie Athen 2004 könnten sich Rio und Brasilien mit den Spielen verhoben haben.

Zwar tragen von den rund 10,5 Milliarden Euro Kosten 58 Prozent private Investoren. Aber nur ein Notkredit der Regierung von rund 800 Millionen Euro half, ausstehende Gehälter der Polizei zu zahlen - und Olympia-Projekte fertig zu bauen. Die Staatsverschuldung und Inflation werden durch Olympia steigen, prophezeit Euler Hermes.

Die Wirtschaftsleistung ist 2015 um 3,8 Prozent eingebrochen, 2016 wird es ähnlich schlimm - aber es gibt zumindest leichte Hoffnung, dass die Talsohle bald durchschritten sein könnte. Rio profitiert zumindest von einer starken Verbesserung des Verkehrssystems: eine neue Metrolinie, Schnellbuslinien, Ausbau des Flughafens. Aber: Der Bundesstaat Rio ist fast pleite, vor allem weil hier die traditionell wichtigen Erdöleinnahmen eingebrochen sind. Der Notkredit muss zurückgezahlt werden, wegen der Olympiakosten könnte der Stadt ein drastischer Sparkurs drohen. Steigt dann zum Beispiel wegen weniger Polizeipräsenz die Gewalt wieder, würden Touristen abgeschreckt. Olympia und die Folgen würden sich als ökonomische Pleite erweisen.

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