"Operation Condor" Hohe Haftstrafen für Ermordung von Oppositionellen

Ab 1975 machten die südamerikanischen Diktatoren gemeinsam Jagd auf Dissidenten. Nun hat Argentinien frühere Militärs zur Rechenschaft gezogen.

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Der argentinische Diktator Reynaldo Bignone von 1982-1983 wurde am Freitag zu 20 Jahren Haft für seine Beteiligung an der Verschleppung und Ermordung von politichen Gegnern zwischen 1976-1983 verurteilt. Quelle: dpa

Rund 40 Jahre nach der geheimen „Operation Condor“ gegen Oppositionelle sind in Argentinien 15 ehemals hohe Militärs zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Darunter ist der letzte argentinische Diktator Reynaldo Bignone, gegen den 20 Jahre Haft verhängt wurden. In der „Operation Condor“ verfolgten ab 1975 sechs südamerikanische Diktaturen gemeinsam Dissidenten, ließen sie foltern und mehr als 100 von ihnen verschwinden. Die Urteile des argentinischen Bundesgerichts gelten als Meilensteine.

Den inzwischen 88-jährigen Bignone befanden die Richter am Freitag der Beteiligung an einer illegalen Vereinigung sowie der Entführung und des Machtmissbrauchs für schuldig. Der ehemalige General, der Argentinien von 1982 bis zum Ende der Militärdiktatur 1983 beherrschte, verbüßt bereits wegen anderer Menschenrechtsverbrechen des Regimes eine lebenslange Haftstrafe.

Die anderen 14 am Freitag verurteilten müssen wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Entführung und Folter acht bis 25 Jahre hinter Gitter. Darunter ist der uruguayische frühere Armeeoberst Manuel Cordero Piacentini. Er soll Häftlinge in der berüchtigten Werkstatt Automotores Orletti in Buenos Aires gefoltert haben. Dort wurden viele gefangen genommene Linke auf Geheiß ihrer Heimatstaaten verhört.

Die „Operation Condor“ hatten die von den USA gestützten Diktatoren Chiles, Argentiniens, Boliviens, Paraguay und Uruguay im November 1975 gemeinsam gestartet. Brasilien nahm ebenfalls teil. Erstmals hat ein Gericht nun festgestellt, dass es sich um eine internationale kriminelle Verschwörung handelte.

Auf Betreiben des chilenischen Diktators Augusto Pinochet setzten die Länder grenzübergreifend Sondereinheiten auf Oppositionelle an, die Schutz außerhalb ihres Herkunftslands gesucht hatten. Dissidenten wurden verschleppt, gefoltert und getötet. Experten der Unesco gingen 2015 von insgesamt 376 Opfern aus.

Die Leichen der Opfer wurden in vielen Fällen nie gefunden. Die argentinischen Staatsanwälte argumentierten, dass gesetzliche Verjährungsfristen nicht griffen. Die juristische Aufarbeitung dauerte 16 Jahre. Während des Prozesses starben mehrere Angeklagte oder ihre Verfahren wurden eingestellt.

Als wichtiges Beweisstück im Prozess galt eine 1975 verschickte und inzwischen freigegebene Depesche eines FBI-Agenten. Darin wird im Detail beschrieben, wie Geheimdienstinformationen ausgetauscht und Linke in ganz Südamerika getötet werden sollten. Auch im Ausland wurde das Netzwerk aktiv. In den USA wurde der ehemalige Diplomat Orlando Letelier 1976 Opfer eines Bombenanschlags, auch in Europa verfolgten die Agenten der „Operation Condor“ geflohene Dissidenten.

Zu den Opfern zählte Maria Claudia Irureta Goyena, die Schwiegertochter des argentinischen Dichters Juan Gelman. Sie war schwanger, als sie verschleppt und monatelang in Automotores Orletti festgehalten wurde. Dann wurde sie mit einer Maschine der Luftwaffe Argentiniens nach Uruguay gebracht, wo sie ihr Kind zur Welt brachte und dann verschwand. Jahrzehnte vergingen, ehe ihre Tochter Macarena Gelman von ihrer wahren Identität erfuhr.

„'Operation Condor' wirkte sich auf mein Leben aus, meine Familie“, sagte auch die Chilenin Laura Elgueta der Nachrichtenagentur AP. Ihr Bruder Luis sei vor den Truppen Pinochets nach Buenos Aires geflohen. Doch sei er dort 1976 durch die „Operation Condor“ verschwunden.

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