Organisierte Kriminalität Wie die EU den Zigarettenschmuggel stoppen will

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Ein Beamter der mobilen Quelle: dpa/dpaweb

Doch die Disziplinarmaßnahmen der EU haben Nebenwirkungen: Je wirksamer die Tabakriesen den Schmuggel von Zigaretten aus ihren Werken unterbinden, desto mehr Raum entsteht für Fälscherfabriken und andere Zigarettendreher, die sich nicht um EU-Vorschriften scheren. Der bekannteste unter ihnen ist die Baltische Tabakfabrik (BTF). Umgeben von EU-Ländern produziert, versteuert und verkauft sie in der russischen Exklave Kaliningrad unter Wahrung russischer Gesetze die Marke „Jin Ling“. In einigen Gebieten Deutschlands zählen die „Jingles“, wie manche Raucher sie liebevoll nennen, bereits zu den zehn meistgekauften Sorten. BTF verkauft ab Werk legal an Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen wie den British Virgin Islands. Sobald ein Container Jin Ling russisches Territorium verlässt, verliert sich seine Spur in den Kanälen der Schmuggelmafia. Die Kaliningrader Zöllner wissen, dass die Ware für die illegale Einfuhr nach Deutschland und in andere EU-Länder mit hohen Tabaksteuern bestimmt ist. Aber sie haben nichts gegen die BTF in der Hand.

Neue Liga der "Cheap White Brands"

„Jin Ling ist ein legal hergestelltes, für den illegalen Markt bestimmtes Produkt“, sagt der Belgier Luk Joossens, Experte für illegalen Zigarettenhandel bei der Nichtregierungsorganisation Framework Convention Alliance, die sich für eine globale Kontrolle der Tabakindustrie unter Aufsicht der Weltgesundheitsorganisation WHO stark macht.

In seinen Augen steht die zwielichtige Firma aus Kaliningrad für einen besorgniserregenden Trend – sie ist Vorreiterin einer neuen Liga von Zigarettenherstellern. „Cheap White Brands“ nennen die Ermittler der europäischen Antibetrugsbehörde OLAF Sorten wie Jin Ling - billige weiße Marken, die sich mit einer gut geölten Vertriebsmaschinerie und dank niedriger Preise ohne jedes Marketing auf dem Schwarzmarkt etablieren lassen. Gerade im Kommen sind die Jin Ling-Konkurrenten „Raquel“ und „Gold Classic“, hergestellt von einem Unternehmen in der Freihandelszone von Larnaka auf Zypern.

Weite Umwege lohnen sich für Schmuggler

Austin Rowan verfolgt das Gedeihen der neuen Schwarzmarktgewächse mit besonderem Interesse: „Das illegale Zigarettengeschäft hat sich in den vergangenen 15 Jahren drastisch gewandelt“, sagt der Chef der Ermittlungseinheit gegen Zigarettenschmuggel bei OLAF in Brüssel.  Anfangs strömten legal in Osteuropa produzierte Markenzigaretten auf westeuropäische Märkte mit hohen Tabaksteuern. Dann machten Markenfälscher mit Marlboro-, West-, und Pall Mall-Plagiaten der Industrie die Vorherrschaft streitig. Seit Kurzem nun mischen Jin Ling und Konsorten das Business auf.

Weil die Maschinen des Cheap-White-Pioniers BTF in Kaliningrad und in seinen Zweigwerken in der Ukraine und Moldawien Zigaretten fast so billig ausspucken wie chinesische Fälscherwerkstätten, lohnen sich für die Russen und Ihre Vertriebspartner auch weite Umwege: „Die Margen sind so enorm, dass die Schmuggler ihre Ware leicht von Kaliningrad nach Asien und zurück nach Europa verschiffen können“, sagt Rowan. Seine Ermittler verfolgten die Spur der Jin Ling bis in Umschlagländer wie Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. In Kairo will OLAF demnächst einen eigenen Verbindungsbeamten installieren, um enger mit den ägyptischen Behörden zusammenarbeiten zu können.

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