Organisierte Kriminalität Wie die EU den Zigarettenschmuggel stoppen will

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Auf dem Gelände des Quelle: dpa

Staatliche, aber auch private Ermittler im Auftrag der großen Tabakkonzerne operieren so international wie die unterschiedlichen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität, die mit dem Zigarettenschmuggel Vermögen verdienen und Orte wie Kaliningrad als Logistik-Drehkreuze nutzen. Deutsche  Zollfahnder arbeiten unter anderem mit Beamten in Polen und Russland zusammen. Zöllner in Kaliningrad liefern ihnen so genannte Verkehrswegfeststellungen von Jin-Ling-Ladungen. Wenn den deutschen Beamten eine Ladung Jin Ling ins Netz gegangen ist, können sie mit Hilfe solcher Informationen den Verlauf des Transports rekonstruieren und daraus Rückschlüsse über die Arbeitsweise der Schmuggler ziehen.

Doch die Wirkung bleibt überschaubar: Rund 300 Millionen Schmuggelzigaretten konnten deutsche Zollbeamte im vergangenen Jahr beschlagnahmen, davon ging ein Drittel auf das Konto der BTF. Von 700 Millionen weiteren  Glimmstängeln unterschiedlicher Marken, die nach Deutschland oder weiter in westeuropäische Länder geschafft wurden, wussten die Fahnder. Dazu kommt eine Dunkelziffer, deren Höhe niemand zu schätzen wagt.

Politischer Druck als erfolgversprechendes Gegenmittel

Trotz solcher Dimensionen sieht OLAF-Ermittler Rowan immerhin einen Silberstreif am Horizont. Künftig, sagt er, werde er sich intensiver um Schmuggelnetzwerke wie das der BTF kümmern können: „Die EU-Abkommen mit PMI, JTI und BAT helfen, den Schmuggel mit regulär produzierten Markenzigaretten einzudämmen. Dadurch können wir uns auf die Cheap White Brands konzentrieren“, so Rowan.

Das Kernproblem jedoch, die Quasi-Immunität von Herstellern wie der BTF, wird der EU-Beamte so nicht entschärfen können. Eigentlich könnten  nur die russischen Behörden die Kaliningrader in die Schranken weisen, sagt Luk Joossens, der die WHO in Sachen Schmuggelprävention berät. Darum müsse der Westen „politischen Druck auf die Russische Föderation ausüben, das Protokoll über illegalen Zigarettenhandel zur WHO-Rahmenkonvention für Tabakkontrolle anzunehmen.“ Die Konvention haben 168 Staaten unterzeichnet – auch Russland. Doch das Vertragswerk ist bisher kaum mehr als eine gemeinsame Strategie, den weltweiten Tabakkonsum zurückzudrängen und verpflichtet die Russen zu nichts.

Russen "sehr still"

Die BTF an die Kandare nehmen muss Russland erst dann, wenn es das gerade entstehende Protokoll über illegalen Zigarettenhandel unterzeichnet, das die Staaten zu konkreten Schritten gegen den Schmuggel verpflichten soll. Die BTF dürfte dann beispielsweise nicht mehr an dubiose Briefkastenfirmen in Übersee verkaufen, sondern nur an seriöse, transparente Abnehmer.

Im März war es wieder so weit: Eine Woche lang verhandelten Abgesandte der Unterzeichnerstaaten der Konvention in Genf über den Wortlaut des Protokolls, das eines Tages die Zigarettenmafia in die Knie zwingen soll.Vertreter Russlands nahmen teil, doch die Russen seien „sehr still“ gewesen und hätten „fast keinen Beitrag“ zu den Verhandlungen geleistet, berichtet Joossens. Es sei unsicher, „ob Russland den Inhalt des Entwurfes unterstützt oder nicht“. Kenner der unterschiedlichen Interessen am Verhandlungstisch in Genf sind skeptisch. Mit einer Einigung auf einen Text rechnen sie frühestens in ein paar Jahren.

So bleibt deutschen Zollfahndern vorerst nur, wie gewohnt hier und da einen Schmuggeltransport abzufangen oder einen Händler zu überführen. Taktische Veränderungen gibt es allerdings: Die Beamten setzen zunehmend auf die Wirkung abschreckender Beispiele. Abgebrühte Schmuggler reagieren oft wesentlich bestürzter, wenn ihr Vermögen eingezogen wird als wenn ihnen Haftstrafen verkündet werden. Deshalb gehen die Beamten dazu über, konsequent die Besitztümer überführter Täter zu beschlagnahmen. Den im Juli in  Berlin verurteilten Männern nahmen sie 33.000 Euro Bargeld, eine Eigentumswohnung, fünf Autos und eine Armbanduhr im Wert von 40.000 Euro ab. Wenigstens ein Bruchteil der entgangenen Tabaksteuern kommt so doch noch herein.

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