Orlando Wie Trump das Attentat ausnutzt

Noch laufen die Ermittlungen zu den Motiven des Täters von Orlando und einer möglichen Verbindung zur Terrormiliz IS. Schon nutzt Donald Trump das Massaker als Wahlkampfbühne – mit Forderungen, die nicht überall gut ankommen..

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Der Republikaner Donald Trump will das Attentat für sich als Wahlkampfbühne nutzen. Quelle: dpa

Orlando Das Massaker von Orlando mit 50 Toten ist binnen Stunden zum Zankapfel im US-Wahlkampf geworden und heizt die Debatte über schärfere Waffengesetze weiter an. Während die Ermittlungen zu den Motiven des Täters und einer möglichen Verbindung zur Terrormiliz IS noch laufen, preschte der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump vor: Er forderte US-Präsident Barack Obama zum Rücktritt auf, weil dieser in seiner Stellungnahme nicht die Worte „radikaler Islamismus“ benutzte. Er nahm das Attentat zum Anlaß, seine Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime zu bekräftigen.v Trump selbst geriet unter Beschuss, weil seine Äußerungen wie Besserwisserei gedeutet wurden und er zunächst kein Wort für die Hinterbliebenen übrig hatte.

In der Nacht zum Sonntag (Ortszeit) hatte in Orlando (Florida) ein 29-jähriger Mann in einem Schwulenclub 50 Menschen getötet und 53 weitere verletzt. Erst Stunden nach den ersten Schüssen stürmten Polizisten den Club und erschossen den Attentäter. Obama sprach von einem „Akt des Terrors und des Hasses“ und der schlimmsten Bluttat eines Todesschützen in der US-Geschichte. Er ordnete Trauerbeflaggung an allen Bundesgebäuden in den USA an.

Die Bundespolizei FBI erklärte, der von den Ermittlern als Omar Mateen identifizierte Mann habe sich in einem Anruf bei der Polizei im unmittelbaren Zusammenhang mit der Bluttat zum Islamischen Staat (IS) bekannt. Zudem behauptete eine IS-nahe Nachrichtenagentur, den Angriff habe ein Kämpfer der Terrormiliz ausgeführt.

Die Ermittlungsbehörden legten sich zunächst auf kein Motiv fest. Es wurde auch in Richtung eines sogenannten Hassverbrechens ermittelt. Auch Obama betonte: „Wir haben noch kein endgültiges Urteil gefällt, was die genaue Motivation des Killers angeht.“ Ganz anders Trump: Er forderte auch die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton auf, aus dem Rennen um das Weiße Haus auszusteigen, weil sie die Wörter „radikaler Islam“ ebenfalls nicht verwendet habe.

Der Täter, ein US-Bürger mit afghanischen Eltern, hatte gegen 2.00 Uhr kurz vor der Schließung des Nachtclubs „Pulse“ das Feuer auf die Besucher eröffnet. Etwa drei Stunden später wurde der mit einem Sturmgewehr vom Typ AR-15 und einer Handfeuerwaffe ausgerüstete Mann in einem Feuergefecht mit elf Polizisten getötet. Zuvor hatten sich die Beamten eigenen Angaben zufolge unter anderem mit Hilfe eines Sprengsatzes Zugang zum Club verschafft.

Wie bekannt wurde, arbeitete Mateen für eine Sicherheitsfirma in Florida und erwarb seine Waffen kurz vor der Tat legal. Das konnte er, obwohl das FBI 2013 und 2014 gegen ihn ermittelte. Dabei sei es auch um mögliche Verbindungen zum IS gegangen, sagte ein Vertreter der US-Bundesbehörde vor Journalisten.

Die Nachrichtenagentur des IS verbreitete eine kurze Erklärung unter Berufung auf eine nicht genannte Quelle. Darin heißt es: "Der bewaffnete Angriff, der einen Nachtclub für Homosexuelle in Orlando, Florida, zum Ziel hatte und mehr als 100 Tote und Verletzte zurückließ, wurde von einem Kämpfer des Islamischen Staats ausgeführt". Beweise wurden aber nicht angeführt.

Mateen habe drei bis vier Mal pro Woche am Abendgebet der Moschee seines Wohnorts Fort Pierce teilgenommen, berichtete der dortige Imam Syed Shafeeq Rahman. Er hätte "niemals erwartet", das Mateen eine solche Tat begehen könnte, sagte der Imam. Vielleicht habe sich Mateen unbemerkt im Internet radikalisiert.


„Ich dachte zuerst, es war Musik“

Der Vater des mutmaßlichen Täters sagte dem Sender MSNBC, er glaube nicht an ein religiöses Motiv. Stattdessen deutete er an, dass sein Sohn starke Antipathien gegen Schwule gehegt habe. Omar sei einmal sehr ärgerlich geworden, als sich zwei Männer in der Öffentlichkeit geküsst hätten. Mateens 2011 von ihm geschiedene Ex-Frau sagte, ihr Mann sei gewalttätig und psychisch labil gewesen. Sie bezeichnete ihn als nicht sehr religiös.

Ein noch schlimmeres Blutbad in dem Club, wo sich zum Tatzeitpunkt nach Polizeiangaben mehr als 300 Menschen aufhielten, wurde wohl nur knapp vermieden. Der Täter sei in der Nähe einer Eingangstür gewesen und in einem Feuergefecht getötet worden. „Mindestens 30 Geiseln konnten durch die Aktion gerettet werden“, sagte der örtliche Polizeichef John Mina. Der Täter sei „sehr gut organisiert und vorbereitet gewesen“.

Augenzeugen berichteten von Dutzenden Schüssen in schneller Folge – mindestens 40 seien es gewesen, sagte Christopher Hansen dem Sender CNN. „Ich dachte zuerst, es war Musik. Dann warfen sich die Menschen auf den Boden, und ich auch.“

Die Tat von Orlando ist der schwere Terrorakt in den USA seit den Attentaten vom 11. September 2001. Sie gilt zudem als blutigste Tat eines Einzelschützen in der modernen US-Geschichte. Das Attentat ereignete sich während des Gay Pride-Monats, in dem im ganzen Land Homosexuellenparaden und Feste stattfinden. In New York ordnete Bürgermeister Bill de Blasio zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für schwule und lesbische Einrichtungen an.

In Los Angeles gingen am Sonntag rund 150.000 Menschen zu einer Schwulen- und Lesbenparade auf die Straße. Die Polizei nahm einen Mann fest, der mit einem Auto voller Waffen unterwegs zu der Parade war. Seine Motive waren nach Angaben der Polizei von Los Angeles zunächst unklar. Verbindungen zu der Tat in Orlando sah sie nicht.

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