Osteuropa Misswirtschaft treibt die Ukraine in die Pleite

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Vitalij Ostaptschuk hat dieses Jahr in der Ukraine noch gar nichts verkauft. Der Kiewer leitet den Vertrieb des Münchner Mittelständlers F.X. Meiller im GUS-Raum. Die traditionsreiche Maschinenbaufirma macht ihren Umsatz mit hydraulischen Komponenten für Kipplaster – und ist somit in hohem Maße von der Baukonjunktur abhängig. Doch die Bauindustrie ist in der Ukraine kaum noch wahrnehmbar. Selbst wer sich noch einen Lastwagen leisten möchte, könnte ihn kaum mehr bezahlen. Die Zinsen auf Kredite, Leasing- oder Finanzierungsverträge sind in exorbitante Höhen geklettert. Trotzdem hält Ostaptschuk durch: „In meiner Firma versteht man sehr wohl, dass wir auf den osteuropäischen Märkten präsent sein müssen.“ Wer jetzt die Flinte ins Korn werfe, überlasse einen potenziellen Wachstumsmarkt der Konkurrenz. Deswegen wird er noch in diesem Jahr eine Vertriebsrepräsentanz in Kiew eröffnen – selbst wenn er vorerst keine Kipper verkauft.

Aufträge von Investoren, die gerade jetzt wie F.X. Meiller eine Repräsentanz aufbauen möchten, bekommt Sven Henniger vom Beratungsunternehmen Ukraine Consulting derzeit eher selten. Trotzdem hat er gut zu tun. An einem Tag, meint der Direktor, kämen oft fünf Anfragen von potenziellen Neukunden. Die einen wollen sich verkleinern, andere die Buchhaltung auslagern, viele wollen ihr Rechnungswesen durchforsten lassen. „Insbesondere jetzt, da die Währungskurse stark schwanken und Umsätze einbrechen“, begründet Henniger, „muss man seine Zahlungsströme im Griff haben.“

Politischer Grabenkrieg in der Ukraine

Die ordnende Hand ist momentan die von Ceyla Pazarbasioglu, der Ökonomie-Professorin vom IWF. Sie macht diese Woche in Kiew einen großen Kassensturz und prüft, ob die Regierung auch alle Auflagen für die Vergabe des Notkredits im Herbst eingehalten hat. Dazu zählt die Freigabe des Wechselkurses, die Weitergabe der Gaspreise an die Bevölkerung, ein Verbot zur Erhöhung der Sozialstandards, Steuersenkungen und ein ausgeglichenes Budget. Wenn die Ukrainer sich nicht dran halten, steht die zweite Tranche in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar auf der Kippe. Bislang hat die Regierung die meisten Kriterien weit verfehlt.

Zudem tobt wieder ein schmutziger Grabenkrieg: Das Timoschenko-Lager versucht seit Wochen Wladimir Stelmach abzusetzen, den Präsidenten der Nationalbank und Juschtschenko-Anhänger. Er widersetzt sich dem Willen der Regierung, das Rekorddefizit im Haushalt durch die Erhöhung der Geldmenge zu finanzieren. Der massive politische Einfluss auf die eigentlich unabhängige Zentralbank, die ständigen Spannungen in den politischen Lagern, die von vielen favorisierte Wirtschaftspolitik mit der Brechstange – das sind Dinge, die weder dem IWF gefallen, noch der Europäischen Union, der die Ukrainer ja eines Tages beitreten wollen.

Zum Glück wird die IWF-Mission in dieser Woche nur die Währungspolitik der letzten Wochen überprüfen, die ganz im Sinne der Währungshüter gewesen sein dürfte. Das Budget knöpfen sich die Gläubiger im Frühjahr vor. Für Timoschenko und Juschtschenko bedeutet das ein wenig Karenzzeit, um ihr Chaos in Ordnung zu bringen und zu einer stimmigen Wirtschaftspolitik überzugehen. Der Druck ist groß, denn beide wissen: Nichts wäre für die ukrainische Wirtschaft fataler als wenn die Finanzaufseherin vom IWF den Daumen senkt.

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