Ostukraine Putin will Referendum verschieben

Putin hat in der Ukraine-Krise ein Signal der Entspannung gesendet: Das für Sonntag geplante Referendum sollte verschoben werden. Eine Konfliktlösung gibt es trotzdem nicht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wladimir Putin hat eine Verschiebung des umstrittenen Unabhängigkeits-Referendums in der Ostukraine gefordert. Geplant war es für diesen Sonntag. Es müssten erst die Bedingungen dafür geschaffen werden, sagte der russische Präsident der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch in Moskau nach einem Treffen mit dem derzeitigen OSZE-Präsidenten Didier Burkhalter.

Das Referendum wird von prorussischen Kräften in Donezk vorbereitet. Sie haben bereits Hunderttausende Wahlzettel gedruckt. Der Westen will die Abstimmung nicht anerkennen. Der Vorsitzende der Wahlkommission der sogenannten Donezker Volksrepublik, Roman Ljagin, sagte der Nachrichtenagentur AP, trotz Putins Äußerung werde an dem Referendum festgehalten.

Putin fordert Ende der Gewalt

Der russische Präsident rief die ukrainischen Streitkräfte auf, alle Operationen gegen prorussische Aktivisten einzustellen. Die Situation im Nachbarland entwickele sich nach dem schlimmsten Szenario, sagte Putin. Dafür verantwortlich sei die Regierung in Kiew, die im Februar mit einem Umsturz den Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt und die Macht an sich gerissen habe. Diese haben in mindestens einem Dutzend ostukrainischer Städte Polizeiwachen und öffentliche Gebäude besetzt. Ukrainische Truppen waren in den vergangenen Tagen vor allem in Slawjansk gegen Aufständische vorgegangen.

Dabei gab es nach Angaben beider Seiten viele Tote und Verletzte. In der Schwarzmeerstadt Odessa waren am Wochenende bei Zusammenstößen prorussischer und proukrainischer Demonstranten mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen. Putin bekräftigte, Russland habe in dem Konflikt nicht Partei ergriffen. Es befänden sich auch keine russischen Truppen an der ukrainischen Grenzen. Die Soldaten und Ausrüstung seien auf die Truppenübungsplätze zurückgezogen worden, betonte der Präsident.

Präsidentenwahlen in der Ukraine

Putin bezeichnete die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl in der Ukraine als „Schritt in die richtige Richtung“. Er wiederholte aber den russische Standpunkt, dass vor Wahlen in der Ukraine eine Verfassungsreform stattfinden sollte. Moskau wünscht föderale Strukturen in der Ukraine, was den Einfluss der Zentralregierung in Kiew reduzieren würde. Der nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Kiew gegründeten Übergangsregierung spricht Moskau die Legitimität ab.

Konfliktlösungen

Militäreinsatz gegen Separatisten gestartet
Ukrainische Soldaten stehen mit unsicher-angespanntem Gesichtsausdruck zwischen Panzern, auf denen die ukrainische Flagge weht. Erstmals hat die Ukraine auf den prorussischen Aufstand im Osten des Landes mit einer Militäraktion reagiert. Quelle: AP
Die pro-russischen Separatisten lassen sich derweil nicht beeindrucken. Sie bauen weiter Barrikaden und verteidigen diese mit teils selbst gebastelten Waffen, so wie hier in der Stadt Kramatorsk. Quelle: AP
Südlich von Kramatorsk sollen am Dienstag ukrainische Spezialkräfte an einem Flughafen rund 30 bewaffnete Männer zurückgedrängt haben, sagte General Vasyl Krutow. Quelle: AP
Separatisten greifen ukrainisches Sicherheitspersonal am Flughafen von Kramatorsk an. Über den genauen Hergang der Gefechte gab es widersprüchliche Angaben. Quelle: AP
Laut der ukrainischen Regierung gab es keine Opfer, russische Medien berichteten jedoch von vier bis elf Toten am Flughafen. Ein Sprecher einer prorussischen Verteidigungsgruppe, Juri Schadobin, sprach von zwei Leichtverletzten, die in eine Klinik gebracht worden seien. Laut der Regierung in Kiew wurde eine nicht näher genannte Zahl von Milizionären gefangen genommen. Quelle: AP
Moskau verurteilte das ukrainische Vorgehen. Es sei „kriminell, mit den eigenen Landsleuten zu kämpfen, während sie für legale Rechte aufstehen“, erklärte das Außenministerium in Moskau. Ressortchef Sergej Lawrow hatte Kiew zuvor vor dem Einsatz von Gewalt gegen die prorussischen Demonstranten gewarnt. Man könne nicht Panzer schicken und zur selben Zeit Gespräche führen, sagte er mit Blick auf die für Donnerstag in Genf geplanten Verhandlungen mit den USA, der Europäischen Union und der Ukraine über die Krise. Quelle: AP
Einige Truppen haben laut Berichten von Reportern vor Ort mittlerweile die Seiten gewechselt. Sie sollen samt Panzern zu den pro-russischen Milizionären übergelaufen sein. Quelle: AP

Neben der OSZE intensivierten auch die Vereinten Nationen und Großbritannien ihre diplomatischen Bemühungen zur Schlichtung des Konflikts. Am Mittwoch traf von Moskau kommend der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Jeffrey Feltman, in Kiew ein. Auch der britische Außenminister William Hague nahm in der ukrainischen Hauptstadt Gespräche mit der Übergangsregierung auf.

Europäische Staaten und die USA erhoffen sich von der Präsidentenwahl eine Stabilisierung der politischen Lage. Im Osten des Landes dauert aber die Konfrontation mit den prorussischen Kräften an, die mehr Autonomie von Kiew fordern. Einer der aussichtsreichsten Präsidentschaftsbewerber, der Milliardär Petro Poroschenko, sagte bei einem Besuch in Berlin, die Aufständischen im Osten des Landes verstünden nur „die Sprache der Gewalt“. Für bewaffnete Separatisten dürfe es „null Toleranz“ geben. Zu Verhandlungen über eine Dezentralisierung der Macht in der Ukraine und ein Referendum sei er bereit, vorausgesetzt die Volksabstimmung sei frei und fair.

von Mario Brück, Anke Henrich, Mark Fehr, Matthias Kamp

Zudem sagte Putin, er unterstütze einen Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem „Runden Tisch“ aller Konfliktparteien, also auch mit den prorussischen Kräften. Eine solche Initiative war bisher nicht erwähnt worden. Die prowestliche Regierung in Kiew lehnt Gespräche mit den „Separatisten“ bisher ab.

Burkhalter sagte, ein neues Treffen der Ukraine, Russlands, der EU und der USA in Genf sei bisher nicht geplant. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wolle noch am Mittwoch allen Parteien einen „Fahrplan“ für eine Krisenlösung vorlegen, sagte Burkhalter, der auch schweizerischer Bundespräsident ist. Er rief ebenso wie Putin zu einem Ende der Gewalt auf.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%