OSZE-Konferenz in Berlin Frank-Walter Steinmeier wagt den Neustart mit Russland

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Russland auf der Welle des Hurra-Patriotismus

Das Konzept der „ökonomischen Konnektivität“ folgt der Logik des „Wandel durch Handel“, ein Dogma, das die Sozialdemokraten seit der Ostpolitik von Willy Brandt auf Osteuropas Nachthimmel projizieren wie Batmans Fledermaus-Logo. Dem liegt die Annahme zu Grunde, das autoritäre Russland würde sich wie einst die Sowjetunion durch wirtschaftlichen Austausch zu einem verlässlichen Partner wandeln.

„Konnektivität“ ist die konzeptionelle Neuauflage der „Modernisierungspartnerschaft“ aus Steinmeiers erster Amtszeit (2005 bis 2009). Die scheiterte spätestens 2012, als Wladimir Putin erneut im Kreml das Ruder übernahm und sein Land unbeeindruckt in Richtung Autoritarismus steuerte.

von Florian Willershausen, Gregor Peter Schmitz

Im Kern will Steinmeier die Russen also bei ihren Interessen packen, den wirtschaftlichen Interessen. Das Problem ist, dass Russland (anders als Deutschland) nicht nur wirtschaftlichen Interessen folgt, sondern auch geopolitischen – und diese letztlich der russischen Innenpolitik dienen.

Die Krim-Annexion etwa löste in Russland eine solche Welle des Hurra-Patriotismus aus, dass sich kaum wer mehr über die Stagnation beklagte. Das imperiale Gefühl, Russland biete dem vermeintlich feindseligen Westen die Stirn, lässt die Russen vergessen, dass ihre Wirtschaftskrise die Folge verschleppter Wirtschaftsreformen ist.

Insgesamt löst also auch diese durchaus innovative OSZE-Konferenz ein Dilemma der deutschen Russlandpolitik nicht auf: Deutschland kann den Russen immer wieder die Hand ausstrecken – aber die müssen sie auch ergreifen. Und wenn sich die West-Partnerschaft im Inland schlecht vermitteln lässt, weil Kraftmeierei gerade besser ankommt, tun sie das eben nicht. Steinmeier behilft sich, indem er gegenüber Moskau konziliante Töne anschlägt, ohne den Völkerrechtsbruch der Russen zu akzeptieren.

Ob diese Ostpolitik für Fortgeschrittene zur dauerhaften Entspannung führen wird, bleibt offen. Moskau schickte jedenfalls nur einen der vielen stellvertretenden Wirtschaftsminister nach Berlin – und der behauptet ohne Angabe der Quelle, die EU-Sanktionen würden vor allem Europa schaden und dort zwei Millionen Jobs kosten. Stand jetzt, strotzt Russland weiterhin vor Selbstbewusstsein.

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