OSZE-Treffen in Hamburg Brücken bauen gegen einen neuen Kalten Krieg

Fast 50 Außenminister sind der deutschen Einladung gefolgt. Beim „Familienfoto“ fehlen dann allerdings die beiden wichtigsten. Und überhaupt: Der Ertrag des Treffens dürfte überschaubar bleiben.

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Außenminister Frank-Walter Steinmeier in den Messehallen in Hamburg auf einer Pressekonferenz nach der ersten Sitzung des OSZE-Ministerrats. Quelle: dpa

Der Weihnachtsbaum im Hotel „Atlantic“, wo während des laufenden OSZE-Ministertreffens in Hamburg die wichtigeren Leute logieren, ist gewiss ein besonders prächtiges Exemplar. Siebeneinhalb Meter hoch, Kerzen bis in die Spitze, dazu ein paar hundert Kugeln, alle in rot. Darunter liegen auch schon die ersten Geschenkkartons. Nur: Wer daran rüttelt, stellt fest, dass sie leer sind.

So verhält es sich in gewissem Sinn mit der gesamten Veranstaltung. Zwar waren für den 23. „Ministerrat“ der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus den 57 Mitgliedstaaten tatsächlich fast alle Minister da. An Prominenz fehlte nur der Brite Boris Johnson. Mit deutscher Gründlichkeit ist alles bis ins Detail durchorganisiert. Die Kameras übertragen in alle Welt. Damit nichts passiert, sind mehr als 13 000 Polizisten im Einsatz.

Der Ertrag des mehrere Millionen Euro teuren Treffens dürfte trotzdem gegen null tendieren - außer, es gelingt bis Freitag noch die große Überraschung. Am ersten Tag jedenfalls: nichts Konkretes. Auch nach einem Zweiertreffen von US-Außenminister John Kerry mit seinem russischen Gegenspieler Sergej Lawrow im Kaminzimmer des „Atlantic“ zur Lage in Syrien wurden keine Fortschritte bekannt.

Steinmeier betont Bedeutung der OSZE als Ost-West-Brückenbauerin

Ansonsten waren in den Messehallen, wo die Arbeitssitzungen stattfinden, die üblichen Appelle zu hören. Gastgeber Frank-Walter Steinmeier mahnte, sich auf die Grundsätze der weltgrößten Sicherheitspartnerschaft zu besinnen. „Gerade in stürmischen Zeiten wie diesen brauchen wir die OSZE als Leuchtturm, der auch Orientierung geben kann.“ Dass solche Treffen notwendig sind, bestreitet ernsthaft auch niemand.

Der deutsche Außenminister dämpfte aber auch selbst die Erwartungen: „Wir dürfen uns nichts vormachen: Der große Wurf zur Überwindung des Trennenden wird uns so schnell nicht gelingen. Aber wir können uns gegen die Verzagtheit auflehnen und beharrlich an realistischen Lösungsansätzen arbeiten.“ Steinmeier verglich das Klima des Treffens dann auch noch mit dem „Schmuddelwetter“, für das Hamburg bekannt ist. In der Tat war es am Donnerstag wieder ausgesprochen grau.

Die OSZE - hervorgegangen aus der KSZE, die mithalf, den Kalten Krieg zu überwinden - steckt schon seit längerer Zeit in der Sinnkrise. Die Hoffnung der Deutschen, verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen zu können, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Im Lauf der letzten zwölf Monate sind - ohne dass sie etwas dafür konnten - noch einige weitere Probleme hinzugekommen, vor allem der Brexit und die Entwicklung in der Türkei.

Wichtigster Streitpunkt bleibt jedoch der Konflikt in der Ukraine. Dabei beharrten auch in Hamburg alle Seiten auf ihren alten Standpunkten. Lawrow und sein ukrainischer Kollege Pawel Klimkin gaben sich zum x-ten Mal gegenseitig die Schuld daran, dass die Friedensvereinbarungen von Minsk immer noch nicht eingehalten werden.

Steinmeier und Kerry nannten das russische Vorgehen auf der Krim einen Verstoß gegen das Völkerrecht, im Gegenzug hielt Lawrow dem Westen „martialische Rhetorik“ vor - alles schon gehabt. Einzige Neuerung war, dass in Hamburg nach allzu langen Erklärungen ein Schiffshorn ertönte. Weder Kerry noch Lawrow ließen sich davon jedoch beirren.

Dafür fehlten beide dann beim großen „Familienfoto“, eigentlich ein Pflichttermin bei solchen Treffen. Bevor es mit den Kollegen zum Mittagessen in den feinen Ruderclub „Germania“ an der Außenalster ging, reiste Kerry auch schon wieder ab. Nächste Station seiner Abschiedstour durch Europa ist Paris. Lawrow blieb noch - wohl auch, um Formulierungen zu verhindern, die den Russen weh tun könnten.

Die Differenzen über die Ukraine sind auch wichtigster Grund dafür, warum es nach dem alljährlichen OSZE-Ministerrat wieder keine gemeinsame Erklärung geben wird. Zum letzten Mal gelang dies 2002. Stattdessen bleibt es bei einem Abschluss-Kommuniqué des Gastgebers. Im nächsten Jahr darf sich dann Österreich versuchen.

Bis Berlin wieder übernimmt, dürfte es eine ganze Weile dauern. Abgesehen davon, dass nach den jetzigen Erfahrungen die Bereitschaft keineswegs gewachsen sein dürfte: Das vorige Mal hatte Deutschland 1991 den Vorsitz, als die ganze Veranstaltung noch KSZE hieß. Bleibt es bei diesem Rhythmus, ist man erst in einem Vierteljahrhundert wieder an der Reihe.

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