Panama Papers Wütend, wütender, Isländer

Die Wunden der Finanzkrise sind noch nicht ganz verheilt, da kommt mit den Panama Papers der nächste Schock. Islands Regierungschef soll sein Volk an der Nase herumgeführt haben. Die Inselbewohner kochen vor Wut.

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20.000 Menschen demonstrieren in Island gegen ihre korrupte Regierung. Quelle: dpa

Reykjavik Es sind die größten Proteste in der Geschichte Islands, da ist sich die Polizei am nächsten Tag sicher. Um die 12.000 Menschen versammeln sich am Montagabend vor dem Parlament in Reykjavik, schmeißen mit Bananen und Eiern, haben auch Feuerwerkszeug dabei. Über die drei Stunden, die die Demonstration anhält verteilt sind es vielleicht 20.000. Die Menschen in dem kleinen Inselstaat mit nur 330.000 Einwohnern kochen vor Wut. Wut auf ihren Regierungschef.

Den konnten die Isländer am Sonntagabend im Fernsehen dabei beobachten, wie er aus einem Interview herausstürmt. Vorher faucht er den Reporter an. Das war eine dumme Reaktion, gibt Sigmundur Gunnlaugsson hinterher zu. „Ich kann nicht glauben, dass er so aus einem Interview gelaufen ist“, sagt der Isländer Elvar Torfason, der mit seinen Landsleuten vor dem „Althingi“ protestiert.

Es ist eine aufgezeichnete Sendung vom März, es geht um die Enthüllungen über Steueroasen in den „Panama Papers“. Der Journalist hat Gunnlaugsson auf eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln angesprochen, die Gunnlaugssons Frau gehört – und einst auch ihm gehört haben soll. Seit der Ausstrahlung am Sonntagabend kennt der Zorn der Isländer keine Grenzen mehr.

Selbst nach dem Bankenkollaps 2008 gingen auf der Vulkaninsel im Nordatlantik nicht so viele Menschen auf die Straße. Schon damals machten die Isländer mit ihrem trotzigen Zorn auf sich aufmerksam. Die Republik stand wegen der wahnwitzigen Kreditabenteuer der drei größten isländischen Banken mit einem gigantischen Schuldenberg da. Doch die Wikingernachfahren wehrten sich in zwei Referenden dagegen, die Banken gesund zu sparen und mit ihren Steuergeldern für die Schulden der Internetbank Icesave im Ausland geradezustehen.

2013 wählten die Isländer Gunnlaugsson, den jungen Mann aus wohlhabendem Elternhaus, als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit ins Amt - wohl vor allem, weil sie unzufrieden mit der Verteilung der Krisenlasten waren. Damals war der Liberale mit seinen nur 38 Jahren ein politischer Jungspund, der sein Land in die Zukunft führen sollte. Jetzt fühlen sich die Isländer von ihm betrogen.


Nicht die Wut unterschätzen

„Wäre er Ministerpräsident in einem anderen Land, wäre er vor langer Zeit zurückgetreten“, meint die Isländerin Margret Buhl. Drinnen im Parlament werden die Protestierer gehört. Die Opposition hat einen Misstrauensantrag gegen Gunnlaugsson gestellt. An diesem Mittwoch oder Donnerstag könnte darüber entschieden werden.

Schon nach der Aufzeichnung der Sendung im März hätte Gunnlaugsson ahnen können, dass die Ausstrahlung in einer Katastrophe enden würde. Da nützte es auch nichts, dass seine Frau in einem Facebook-Eintrag die Offshore-Firma Wintris erstmals erwähnt, die Gunnlaugsson und sie 2007 zunächst gemeinsam besessen haben sollen, bevor ihr späterer Mann ihr seine 50 Prozent der Anteile 2009 für einen Dollar übertragen haben soll.

Wütend macht die Inselbewohner nicht nur, dass ihr Regierungschef und seine Frau Millionen in einer Offshore-Firma versteckt haben könnten. Sie sind auch sauer darüber, dass Wintris laut „Süddeutscher Zeitung“ auf der Gläubigerliste der Krisenbanken stehen soll.

Als Ministerpräsident hatte Gunnlaugsson Abkommen zwischen Gläubigern und Banken verhandelt. Doch er sieht keinen Grund zum Rücktritt. „Der Premierminister hat den isländischen Bürgern vor Gläubigern – auch vor seiner Frau – immer den Vorzug gegeben“, schreibt Gunnlaugssons Büro in einer Mail an die Deutsche Presse-Agentur. Bei seinen Landsleuten kommen seine Erklärungen nicht an.

Dass allerdings ein Misstrauensvotum im „Althingi“ Erfolg hat, ist äußerst selten – und angesichts der Tatsache, dass Gunnlaugssons Fortschrittspartei und die Unabhängigkeitspartei die Mehrheit im Parlament haben, wohl auch diesmal unwahrscheinlich.

Doch der Regierungschef sollte das Trommeln der Demonstranten nicht unterschätzen. Damit haben die Isländer es schon einmal geschafft, einen Regierungschef zu stürzen. 2009 musste der Konservative Geir Haarde nach Protesten gehen.

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