Parlamentswahl in Weißrussland Lukaschenko gönnt der Opposition zwei Sitze

Erstmals seit zwölf Jahren lässt der weißrussische Machthaber Lukaschenko zu, dass die Opposition ins Parlament einzieht. Er wirbt um Kredite aus dem Westen, denn sein Land liegt wirtschaftlich am Boden.

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Der weißrussische Präsident lässt erstmals Mitglieder der Opposition im Parlament zu. Quelle: dpa

Minsk Bei der Parlamentswahl im autoritären Weißrussland haben OSZE-Beobachter trotz des ersten Erfolgs der Opposition seit zwölf Jahren demokratische Defizite kritisiert. „Weißrussland muss noch wichtige Schritte auf dem Weg zu demokratischen Wahlen machen“, sagte Kent Harstedt von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Minsk.

Die frühere Sowjetrepublik um Machthaber Alexander Lukaschenko steckt in einer Wirtschaftskrise und hofft auf Kredite aus dem Westen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Lukaschenko regiert seit 1994 mit harter Hand. Sein Land vollstreckt als letztes in Europa die Todesstrafe.

Weißrussland habe zwar Fortschritte bei der Organisation von Wahlen gemacht, doch gebe es weiterhin Defizite, teilte die OSZE mit. Zur Teilnahme von Oppositionskandidaten sagte OSZE-Chef-Beobachter Harstedt: „Ernsthafte Fortschritte gab es nicht.“

Die Beteiligung lag bei rund 75 Prozent. Die meisten der 110 Mandate gingen nach vorläufigem Stand an parteilose Lukaschenko-Anhänger. Lediglich 16 Gewählte gehören Parteien an, acht davon sind Kommunisten. Zuletzt waren 105 Abgeordnete parteilose Regime-Anhänger.

Mit der Politikerin Anna Kanopazkaja von der Vereinigten Bürgerpartei kann erstmals seit 2004 wieder eine Oppositionsvertreterin ins Parlament einziehen. Beobachter bezeichnen sie als Oppositionelle aus der zweiten Reihe. Sie hatte im Wahlkampf konstruktive Kritik geübt und den Bau von Schulen gefordert. Sie setzte sich in ihrem Minsker Wahlkreis überraschend gegen die Ex-Präsidentschaftskandidatin Tatjana Korotkewitsch durch. Kanopazkajas Partei kündigte an, das Mandat möglicherweise aus Protest gegen das Regime abzulehnen.

Kritische Medien stuften zudem die gewählte Politikerin Jelena Anisim als Oppositionelle ein. Sie setzt sich für eine Stärkung der weißrussischen Sprache ein. Die Opposition ist zersplittert. Bürgerrechtler und verschiedene Gruppen warfen den Behörden massiven Betrug vor allem bei der vorzeitigen Stimmabgabe vor. Zwischen dem 6. und 10. September soll fast ein Drittel der sieben Millionen Berechtigten gewählt haben. Der Vorgang sei nicht zu prüfen, heißt es.

Der Experte Wolfgang Sender von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) wertete den Ablauf der Wahl dennoch als positiven Schritt, weil Lukaschenko dem Westen damit Kompromissbereitschaft signalisiere. „Das Wahlergebnis wird sicher dazu beitragen, dass die Beziehungen besser werden. Weißrussland ist ein anderes Land als noch vor zwei Jahren“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die EU hatte nach der Freilassung politischer Häftlinge 2015 Sanktionen gegen Minsk gelockert. Die Wirtschaft des Landes mit 9,5 Millionen Menschen liegt am Boden und war vergangenes Jahr um fast vier Prozent geschrumpft. „Weißrussland muss sich im Ausland besser verkaufen, und dafür muss es sich so verändern, dass es nicht mehr als „letzte Diktatur Europas“ bezeichnet werden kann“, sagte Sender.

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