Parteitag der US-Demokraten Dunkle Wolken über Hillary Clintons Nominierung

Ausgerechnet vor "ihrem" großen Parteitag steht Hillary Clinton blamiert da. Gehackte E-Mails zeigen: Clinton bekam Hilfe von der Parteispitze, um ihren parteiinternen Gegner Bernie Sanders in Schach zu halten.

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Auf dem Nominierungsparteitag wird sie zur US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gewählt werden: Hillary Clinton. Quelle: dpa

Donald Trumps einigermaßen verunglückter Nominierungsparteitag in Cleveland ist kaum vorüber, da kann der Präsidentschaftskandidat der Republikaner jubeln. Der Grund liegt beim Gegner. Der Parteitag der Demokraten in Philadelphia hat noch nicht richtig begonnen, da zerfleischt sich die Partei von Trumps mutmaßlicher Gegnerin Hillary Clinton bereits selbst. Erstes Opfer: Parteichefin Debbie Wasserman Schultz.

Die blond gelockte Führungsfigur kündigte am Sonntag ihren Rücktritt für das Ende des viertägigen Konvents in Philadelphia an. Zuvor will sie die Megaveranstaltung aber noch managen und auch eine Rede halten. Einige Kommentatoren bezeichneten dies als Entscheidung, die möglicherweise noch einmal überdacht wird. Den eigentlichen Grund für ihren Rückzug nannte sie in ihrem Statement nicht. Nur zwei Tage vorher hatte die Plattform Wikileaks 20.000 gehackte E-Mails der Demokraten enthüllt.

Daraus wird deutlich, dass die Parteiführung im Vorwahlkampf zwischen Clinton und ihrem parteiinternen Rivalen Bernie Sanders einseitig Partei für die frühere Außenministerin und First Lady ergriffen hat Einen Sanders-Vertrauten nannte Wasserman Schultz unverblümt einen „verdammten Lügner“. In anderen Mails wurde deutlich, wie die eigene Partei den Bewerber Sanders wegen dessen religiöser Einstellung aufs Korn nehmen wollte.

Sanders selbst, dessen Rede am Montag auf dem Parteitag mit Spannung erwartet wurde und der die Partei in den vergangenen Monaten stetig nach links dränge, hatte Wasserman Schultz zum Rücktritt aufgefordert. Während das Clinton-Lager im klimatisierten Meeting-Room tagte, gingen die Sanders-Anhänger am Sonntagabend in der drückenden Sommerhitze von Philadelphia auf die Straße. Sie hatten einen Satz ihres Idols besonders gut in Erinnerung. „Die Parteiführung muss unparteiisch bleiben während des Nominierungsprozesses für einen Präsidentschaftskandidaten - das war 2016 nicht der Fall“, sagte Sanders in seinem Statement. Klare Worte, starker Tobak.

Sanders beeilte sich zwar, die Nominierung seiner Konkurrentin, der er viel länger als erwartet die Stirn geboten hatte, außer Frage zu stellen. „Wir werden alles tun, damit Hillary Clinton Präsidentin wird“, sagte der 74-Jährige Senator aus Vermont im Sender NBC. Doch der Schaden ist angerichtet.

Hillary Clinton, im Wahljahr 2016 nicht nur wegen der nun bereits zweiten E-Mail-Affäre viel weniger überzeugend als anfangs erwartet, geht geschwächt in ihren Nominierungsparteitag. Dass Amtsinhaber Barack Obama am selben Tag zum besten gab, es gebe bessere Rednerinnen als Clinton, macht die Gemengelage auch nicht günstiger.

„Die demokratische Partei ist in Auflösung begriffen“, feixte Donald Trump auf Twitter. Das mag eine Übertreibung gewesen sein, wie man sie von dem Schaumschläger aus New York inzwischen mehr als gewohnt ist. Doch Futter für den politischen Gegner ist ein solch verunglückter Parteitagsstart allemal. Zumal im Sanders-Lager inzwischen ob des äußerst knappen Ausgangs der Vorwahlen für Clinton die Frage aufkommt: „Was wäre gewesen, wenn alles neutral gelaufen wäre?“

In den Umfragen stünde Sanders im Rennen gegen Trump besser da, als Clinton. Die Ex-Außenministerin hat zuletzt ihren Vorsprung gegen den schrillen Seiteneinsteiger weitgehend eingebüßt, erste Umfragen sehen Trump sogar leicht vorn. Nicht einmal bei den Beliebtheitswerten kann Clinton gegen den umstrittenen Immobilienmilliardär entscheidend Boden gut machen. Auch in den wichtigen, am Ende wahlentscheidenden Swing States holte er auf, zuletzt noch einmal nach dem Parteitag in Cleveland.

Doch Hillary Clinton ist mit allen Wassern gewaschen, den Willen der 68-Jährigen, nach der Vorwahlniederlage gegen Barack Obama 2008 einen siegreichen Anlauf aufs Weiße Haus zu nehmen, unterschätzt niemand. Im Moment behält sie die Nerven.

Die Wahl ihres Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Kaine, ein seriöser Arbeiter ohne Hang zum Drama, ist ein Hinweis darauf, dass es ihr eher um Inhalte als um Verpackung geht. Dass New Yorks populärer früherer Bürgermeister Michael Bloomberg als Redner auf dem Demokraten-Parteitag zugesagt hat und sich als Konservativer auf die Seite Clintons schlagen will, darf als weiterer Punktsieg für die frühere First Lady verbucht werden.

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