Parteitage in den USA Angst und Unruhe nach Polizistenmorden

Die Polizistenmorde von Dallas haben die USA in einen Schock versetzt. Die Gewalttat führt nun zu verschärften Sicherheitsvorkehrungen auf den Parteitagen von Republikaner und Demokraten.

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Gut eine Woche nach den Polizistenmorden von Dallas stehen die USA immer noch unter Schock Quelle: AP

Gewaltsame Proteste, Debatten um Waffenbesitz und Roboter-Tötungen: Gut eine Woche nach den Polizistenmorden von Dallas stehen die USA immer noch unter Schock. Die Gewalttat in Texas wirkt sich nun auch auf die bevorstehenden Parteitage von Republikanern und Demokraten aus: Die Versammlungen in Cleveland und Philadelphia stehen unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen.

Cleveland im Staat Ohio, wo am Montag der Parteitag der Republikaner beginnt, hatte die Schaltung einer Hotline um eine Woche vorgezogen, bei der Bürger verdächtige Beobachtungen melden können. Die Sicherheitsmaßnahmen seien wegen des Attentats von Dallas „hochgefahren“ worden, sagt Polizeichef Calvin Williams. Dabei hatte ein Attentäter fünf Polizisten getötet und neun weitere verletzt. Er verübte die Tat am Ende einer Demonstration gegen die Tötung zweier Schwarzer durch Polizisten in den Staaten Louisiana und Minnesota. Der Angreifer wurde anschließend von der Polizei mit einem ferngesteuerten Militärroboter getötet.

Schwarze protestieren gegen Polizeigewalt: „Stop killing us“

„Wir werden sicherstellen, dass wir wachsam bleiben“, sagt Williams. „Aber wir wollen auch sicherstellen, dass die Gemeinde wachsam bleibt.“ Glaubhafte Hinweise auf Bedrohungen gegen Polizisten in Cleveland und Umgebung habe es bisher nicht gegeben. Doch zur Besorgnis trägt auch die sogenannte Open-Carry-Regelung in Ohio bei, wonach das offene Tragen geladener Schusswaffen ohne Waffenschein erlaubt ist.

Ein Anhänger des mutmaßlichen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump hat in diesem Zusammenhang bereits die Teilnehmer der geplanten Kundgebung in Cleveland zur Zurückhaltung aufgerufen. „Wir wollen wirklich nicht, dass Leute Waffen mitbringen“, sagte der Cheforganisator der Gruppe „Citizens für Trump“, Tim Selaty. Ein Führer der Waffenlobby in Ohio sagte, Besucher in der Innenstadt von Ohio sollten vor einer Entscheidung über das Mitnehmen einer Pistole auf ihr Gewissen hören. Dem Gesetz zufolge sei das jedoch erlaubt, betonte der Vizepräsident von „Ohio Carry“, Eric Pucillo.

In Philadelphia, wo vom 25. Juli an die Demokraten tagen wollen, will die Polizei zwar nach eigenen Angaben an ihrem allgemeinen Umgang mit Demonstranten nichts ändern. Doch nach Dallas habe man „die taktische Strategie ändern müssen“, sagt Polizeipräsident Richard Ross. Nähere Angaben dazu wollte er nicht machen.

In der Stadt hatte sich kürzlich eine Protestaktion gegen Polizeigewalt zugespitzt. Die Demonstranten skandierten Parolen gegen die Beamten, und mindestens ein Sprecher lobte den Attentäter von Dallas. Die Organisatoren der Aktion, eine Gruppe namens „Philly Coalition für Real Justice“, beantragte für die Zeit des Parteitags einen weiteren Protestmarsch. Die Entscheidung der Behörden steht noch aus. Doch die Polizei geht ohnehin davon aus, dass sich die Aktivisten von einer fehlenden Erlaubnis nicht würden abhalten lassen. Und allein wegen des Fehlens einer Genehmigung werde man niemanden festnehmen, hieß es.

Mit Blick auf den Parteitag in Cleveland herrschte schon vor dem Attentat von Dallas Sorge vor möglichen gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Trumps. Der Milliardär sagte vergangene Woche weitere Gewalt voraus. „In vielen Städten gab es großen, großen Ärger“, erklärte er. „Und ich glaube, das ist der Anfang für diesen Sommer.“

Die Versammlung der Republikaner wird zum Test werden für die Strafverfolgungsbehörden von Cleveland, die sich im vergangenen Jahr mit dem US-Justizministerium auf Maßnahmen gegen exzessive Polizeigewalt geeinigt hatte. Eine Untersuchung des Ministeriums hatte der Polizei der Stadt zuvor übertriebene Gewaltanwendung und Verstöße gegen die Bürgerrechte zur Last gelegt. Cleveland und der umliegende Bezirk Cuyahoga wollen mehrere Hundert Gefängniszellen für festgenommene Demonstranten bereithalten. Die Polizei und das FBI befragten in den vergangenen Wochen Aktivisten zu deren Protestplänen.

Mindestens eine Gruppe hat nach der Bluttat von Dallas bereits einen geplanten Protestmarsch in Cleveland abgesagt. „Im derzeitigen landesweit unsicheren Klima sorgen wir uns um Polizeibeamte, die mit dem Schutz unserer Demonstranten und Anhänger beauftragt wären, sowie um die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Teilnehmer“, erklärten Michael Weinstein und Tracy Jones von der Aids Healthcare Foundation. An einer zweiten geplanten Kundgebung am Sonntag auf dem Gelände der Cleveland State University wollte die Gruppe hingegen festhalten.

Im schon in erhöhte Alarmbereitschaft versetzten Philadelphia sorgte am Montag vergangener Woche ein Zwischenfall auf einem Hotelhochhaus im Stadtzentrum für Unruhe: Auf dem Dach wurde ein Paar mit Rauchbomben und Kameras aufgegriffen und in Gewahrsam genommen. Die Polizei stellte später fest, dass beide Fotoaufnahmen machten wollten und die Rauchbomben für Spezialeffekte dabei hatten. Gegen den 28-jährigen Mann wurde Anzeige erstattet, gegen seine Begleiterin nicht.

Die Strafverfolgung bemüht sich laut Polizeipräsident Ross verstärkt, die Beamten auch in Stresssituationen zu Gelassenheit anzuhalten. „Das fällt nicht leicht, wenn man auf wenige Zentimeter Entfernung von Leuten auf die übelste Weise beschimpft wird, die man jemals gehört hat“, sagt er. „Wir müssen flexibel und anpassungsfähig sein. Wir werden es den Leuten ermöglichen zu protestieren und ihre Grundrechte wahrzunehmen.“

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