Petersburger Dialog Schwieriges Wiedersehen

In der schwersten Krise seit dem Kalten Krieg wollen Berlin und Moskau wieder mehr miteinander sprechen. Der „Petersburger Dialog“ soll dabei helfen. Gelingt in der Touristenmetropole die Annäherung?

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Das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland hat sich wegen der Krim-Annexion und der Ukraine-Krise abgekühlt. Quelle: dpa

St. Petersburg Für Deutsche und Russen ist es eine Rückkehr zu den Wurzeln – aber keine Rückkehr zur Normalität. Begleitet vom Streit über Aufrüstung und Sanktionen trifft sich das wichtige Diskussionsforum „Petersburger Dialog“ 15 Jahre nach Gründung wieder in St. Petersburg. „Eine einzige Zusammenkunft allein wird aber nicht genügen, um das zerstörte Vertrauen wieder herzustellen“, meint Wladislaw Below, Deutschland-Experte der Russischen Akademie der Wissenschaften. Im Jubiläumsjahr des Gremiums ist es an diesem Freitag ein schwieriges Wiedersehen in der früheren Zarenmetropole.

Bei dem Versöhnungsversuch wird sich Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla als deutscher Delegationsleiter wohl in der Kunst des „Sowohl-Als-Auch“ üben müssen. Berlin will den Gesprächskanal nach Moskau offenhalten, ohne die Probleme zu verschweigen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Weißbuch bezeichnet die Bundesregierung Russland als Sicherheitsrisiko. „Verbrecherisch“ nannte Kanzlerin Angela Merkel die russische Einverleibung der Halbinsel Krim. Moskau wiederum schäumt nach der am Wochenende in Warschau beschlossenen Truppenverlegung in östliche Nato-Länder. Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow spricht gar von Kriegstreiberei des Bündnisses.

Wegen des Ukraine-Konflikts hatte Deutschland 2014 den „Petersburger Dialog“ auf Eis gelegt. Viele hielten das Forum, das 2001 in besseren deutsch-russischen Zeiten von den Duz-Freunden Gerhard Schröder und Wladimir Putin gegründet worden war, bereits für hinfällig. Der russische Delegationsleiter Viktor Subkow sieht in den bilateralen Beziehungen aber die Zeit der Schadensbegrenzung vorbei und will einen Neustart. „Ich bin überzeugt, dass in St. Petersburg eine freundliche Atmosphäre herrschen wird“, meint Pofallas Gegenpart.

Beide Seiten waren nach den Enttäuschungen der jüngsten Zeit zuletzt bemüht, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Demonstrativ besuchte Kremlchef Putin etwa die Deutsche Schule in Moskau und schwärmte vom Wert der bilateralen Beziehungen. „Russland und Deutschland haben stets prosperiert, wenn sie zusammengearbeitet haben“, lobte er.

Aus Berlin wiederum kam Kritik an der Nato. So bezeichnete Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Aufrüstungspläne der Allianz als „Säbelrasseln“. Jedoch hat sich an den grundsätzlichen Positionen wenig geändert. Ost und West stecken weiter in der schwersten Krise seit dem Ende des Kalten Krieges.

„Ich hoffe in St. Petersburg auf einen Dialog ohne die ewige Frage „Wer ist schuld?““, sagt Deutschland-Experte Below. Die gegenseitigen Kritikpunkte seien sattsam bekannt, nun gehe es um Schnittmengen. „Ich erwarte einen Meinungsaustausch sowie Antworten auf die Frage: Was machen wir gemeinsam?“, meint der Direktor des Zentrums für Deutschland-Forschung. Partnerschaft sei ohne Dialog unmöglich.

In der Millionenstadt an der Newa wollen mehr als 250 Experten aus beiden Ländern in zehn Arbeitsgruppen auch über Menschenrechte, den Ukraine-Konflikt und die Flüchtlingskrise sprechen. Auf deutscher Seite nehmen unter anderem der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, teil.

Für Russland diskutieren erstmals Vertreter regierungskritischer Organisationen wie Greenpeace und Memorial mit, was Pofalla als deutliches Zugeständnis der Führung in Moskau sieht. Seit Gründung des Forums waren fast nur kremltreue Kräfte vertreten. Oppositionelle warnen aber vor Augenwischerei: Zuletzt hatte Putin mit einem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung die Repressionen eher verstärkt.

Aber trotz westlicher Wirtschaftssanktionen und Russlands Ausschluss aus dem G8-Bündnis: Bei der Krisenbewältigung führt kaum ein Weg an Moskau vorbei. Am Donnerstagabend erwartete Putin US-Außenminister John Kerry zu Gesprächen über den Syrien-Krieg. Bei allen Konflikten – von Syrien über Berg-Karabach bis zur Ukraine – sitzt Russland mit am Tisch. Zweifellos ist dies auch ein Grund für die Bundesregierung, den „Petersburger Dialog“ wieder aufzunehmen. „Am Ende gibt es Lösungen internationaler Probleme nur mit Russland“, meint Pofalla.

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