Petersburger Wirtschaftsdialog Gabriel kommt zu Putins Lieblingskonferenz

Russland nutzt jährlich das Internationale Wirtschaftsforum gerne dazu, Partner im Ausland zu finden. Deutsche Unternehmen erwarten wichtige Vertragsabschlüsse. Kurzfristig kommt auch Sigmar Gabriel zu Besuch.

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Russlands Präsident traf sich in St. Petersburg mit den Chefs weltweit führender Nachrichtenagenturen. Quelle: dpa

St. Petersburg Russlands Präsident Wladimir Putin sendet auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg ambivalente Entspannungssignale. Einerseits beklagte er, dass „die Russophobie in einigen Ländern überschwappt“, andererseits meinte er, eine leichte Verbesserung festzustellen. „Ich hoffe, die Tendenz hält an“, sagte er bei einem Treffen mit Journalisten. Thema war auch die Bundestagswahl im Herbst. Putin widersprach neuerlich Vorwürfen, die Wahl beeinflussen zu wollen. Der russischen Führung sei es „egal, mit wem wir zusammenarbeiten“, sagte er. Der Kremlchef räumte zwar Differenzen mit Kanzlerin Angela Merkel ein, betonte aber, dass es „auch viele Berührungspunkte“ gebe.

Über mögliche Anknüpfungspunkte könnte er schon am Freitag mit Außenminister Sigmar Gabriel diskutieren, der sich kurzfristig überraschend als Gast auf dem Forum angesagt hat. Ein Treffen mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow steht für Gabriel fest, ein Treffen mit Putin gilt als wahrscheinlich. Vor Gabriels Zusage galten Indiens Premier Narendra Modi und Österreichs Regierungschef Christian Kern als die einzigen hochrangigen politischen Gäste aus dem Ausland.

Das Programm des Forums widerlege alle Behauptungen, dass Russland isoliert sei, meinte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa. Allerdings hat die russische Führung Petersburg stets als Plattform für einen Dialog genutzt, selbst in Krisenzeiten. Im vergangenen Jahr diskutierte Putin in seiner Heimatstadt mit Italiens damaligem Premier Matteo Renzi und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Auf der wirtschaftlichen Ebene scheint das Forum in seiner 21. Auflage die Krise der letzten Jahre überwunden zu haben. Gut 5000 Teilnehmer haben sich zu den mehr als 100 Wirtschaftsveranstaltungen registriert, ein deutlicher Zuwachs gegenüber 2016. Ein Ansturm, der die Organisatoren offenbar überforderte. Hunderte Sammeltaxis und Limousinen standen am Morgen im Stau vor dem hypermodernen Expo-Zentrum am Rand der alten Zarenhauptstadt – auch wegen der nach dem Manchester-Anschlag noch einmal verstärkten Sicherheitskontrollen.

Die Stimmung der Wirtschaftsvertreter, die bis zu 3000 Euro für eine Teilnahme hinblättern mussten, trübte das nur kurzfristig. Viele von ihnen hoffen in St. Petersburg auf größere Abschlüsse und Impulse durch die jüngste Ölpreis- und Konjunkturerholung in Russland, die höhere Staatsausgaben ermöglicht. Geld habe Russland genug, versicherte dann auch Finanzminister Anton Siluanow in einer der ersten Paneldiskussionen. „Wichtig ist aber die Qualität der Ausgaben“, zügelte er zugleich die Hoffnungen einiger Anwesender auf eine starke Lockerung der Ausgabenpolitik.

Deutsche Unternehmen sind aktiv vor Ort. Siemens, seit Jahren ungeachtet der Sanktionen einer der aktivsten internationalen Akteure auf dem russischen Markt, vereinbarte verschiedene Kooperationen mit dem Ölproduzenten Gazpromneft und dem Lkw-Hersteller Kamaz zur Digitalisierung. Während das Kooperationsabkommen der Bayer AG mit der bekannten Moskauer Lomonossow-Universität zur Bildung eines Start-up-Inkubators als reines Zukunftsprojekt zunächst keine großen finanziellen Auswirkungen haben wird, will der Linde-Konzern einen großen Fisch aus der Newa ziehen.

Die Münchner erhalten den milliardenschweren Auftrag für den Bau einer Chemiefabrik in Tatarstan. Das Abkommen zwischen Linde und Nischnekamsk Neftekhim, dem größten Hersteller von synthetischem Kautschuk in Russland, wird am Freitag im Beisein von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Tatarstans Präsident Rustam Minnichanow unterzeichnet. Der Besitzer von Nischnekamsk Neftekhim, die Gruppe TAIF, gilt als mit der Familie des ehemaligen tatarischen Präsidenten Mintimer Schaimijew verbandelt.

Putin machte den Europäern eine weitere milliardenschwere Offerte. Auf der russischen Polarhalbinsel Jamal seien zusätzliche Gasvorräte in Höhe von 4,2 Billionen Kubikmeter entdeckt worden. „Angesichts der Nähe zwischen Russland und Westeuropa, der kostengünstigen Logistik, der harmonisierten Prozeduren und Technologien ist das eine absolut logische Partnerschaft“, sagte er. Bisher gibt es die Pipeline Jamal–Europa mit einer Kapazität von 33 Milliarden Kubikmeter. Zuletzt hatte Russland seine Gasvorräte auf Jamal aber mit LNG-Projekten eher Richtung Asien orientiert.

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