Podemos-Programm Spanische Linke setzt auf das Ikea-Prinzip

Die linkspopulistische spanische Partei Podemos hat ihr Wahlprogramm wie einen Ikea-Katalog gestaltet. Die Strategie geht auf: innerhalb weniger Tage waren alle 800 Exemplare vergriffen.

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Die spanische Linkspartei Podemos wirbt für das eigene Programm wie ein berühmter schwedischer Möbelriese. Quelle: dpa

Bei Wahlen entscheiden in der Regel Sympathien für Personen oder für die grundsätzliche politische Ausrichtung. Kaum ein Wähler aber liest sich für seine Entscheidung die Programme der Parteien durch. Die linkspopulistische spanische Partei Podemos will das ändern: Sie hat zwei Wochen vor den Neuwahlen in Spanien ihr Parteiprogramm in Form eines Ikea-Katalogs präsentiert.

Auf 196 Seiten präsentieren sich dort die Parteivorderen in ihren Küchen, Wohnzimmern und Balkonen. Dort, wo bei Ikea die Preise stehen, platziert Podemos wichtige Zahlen. Neben Parteichef Pablo Iglesias etwa, der visionär von seinem Balkon aus über die Dächer von Madrid blickt, steht „43 Prozent der spanischen Rentner beziehen Renten, die unter der Armutsgrenze liegen“. Die 43 ist fett hervorgehoben.

Podemos-Mitgründerin Carolina Bescansa erklärt bei der Vorstellung des Programms das Motiv für die ungewöhnliche Präsentation: „Uns würde es gefallen, wenn es das meistgelesene Programm der Demokratie würde.“ Der Wunsch könnte tatsächlich in Erfüllung gehen. Am heutigen Sonntag erklärte Podemos auf Anfrage, alle 800 gedruckten Kataloge seien innerhalb weniger Tage bereits ausverkauft gewesen. Interessenten konnten sie online bestellen und mussten 1,80 Euro plus Porto zahlen. Obwohl Bascansas Erwartungen nicht gerade bescheiden waren, habe die hohe Nachfrage Podemos überrascht, heißt es in der Parteizentrale, die jetzt schleunigst Nachdrucke organisiert.

Was Podemos nicht sagt, aber was ein weiterer Effekt der Katalog-Aktion ist: Sie zeigt den Schwenk der Partei, die in ihren Anfängen im Jahr 2014 noch demonstrativ ihre Sympathien für die Regime in Südamerika, vor allem für das Venezuela des Ex-Dikators Hugo Chavez gezeigt hat hin zu einem Modell wie es skandinavische Länder wie Schweden praktizieren. Was könnte für diese unterschwellige Botschaft besser geeignet sein als ein Ikea-Katalog? Der Möbelkonzern selbst reagierte nicht auf Anfragen zu dem Thema.

Ob der Partei-Katalog wirklich das meistgelesene Programm der Demokratie wird, bleibt dahin gestellt. Möglich dagegen erscheint derzeit, dass Podemos in Spanien tatsächlich Geschichte schreibt: In der jüngsten Wahl-Umfrage von dem viel beachteten staatlichen Institut CIS kommt die Partei auf 25,6 Prozent der Stimmen und wäre damit zweistärkste Kraft vor den Sozialisten und hinter den erneuten Wahlgewinnern, der konservativen PP mit 29,2 Prozent. Eine spanische Regierung mit einem Ministerpräsidenten Pablo Iglesias ist damit durchaus denkbar.

Anhebung der Unternehmenssteuer geplant


Spanien ist bereits seit sechs Monaten ohne neue Regierung, weil die Parteien sich nach den Wahlen im vergangenen Dezember nicht auf eine Koalition einigen konnten. Die aktuell hohen Umfragewerte hat die Formation von Iglesias einem Pakt zu verdanken, den sie nach dem Scheitern aller Gespräche mit „Izquierda Unida“ eingegangen ist – einer Partei, die sich vor Jahren aus verschiedenen Linksparteien rund um die ehemalige kommunistische Partei Spaniens gegründet hatte. Der neuen Allianz „Unidos Podemos“ („Gemeinsam können wir“) würde in Umfragen eben ein Viertel der Spanier ihre Stimme geben.

Inhaltlich präsentiert Podemos in seinem Reform-Katalog eine expansive Wirtschaftspolitik. Die Partei fordert das Ende der Austerität und will das Defizit-Kriterium der EU erst zum Ende der Legislaturperiode erfüllen. Die Staatsausgaben sollen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht reduziert, sondern konstant gehalten werden.

Podemos geht davon aus, dass die Wirtschaft durch die expansive Ausgabenpolitik jährlich statt um derzeit prognostizierten 2,5 Prozent um 3,5 Prozent wachsen wird. Die Staatsausgaben sollen das entsprechend auch tun, was zu Mehrausgaben von 60 Milliarden Euro im Jahr 2019 führen würde. Das Geld will Podemos nutzen, um die von der konservativen PP-Regierung durchgesetzten Kürzungen bei Bildung und Gesundheit rückgängig zu machen und um mehr in Armutsbekämpfung, Umweltschutz und technologische Innovationen zu investieren.

Finanziert werden soll das Ganze unter anderem mit einem effektiveren Kampf gegen die Korruption, einer höheren Besteuerung von Einkommen über 60.000 Euro sowie einer Anhebung  der Unternehmenssteuer und dem Streichen von Abschreibungsmöglichkeiten.

Experten halten die Gegenfinanzierung des Programms, das im Wesentlichen dem für die Wahlen im Dezember entspricht, für unrealistisch. „Das Problem mit Ikea ist, dass es bei Dir zuhause nie so aussieht wie im Katalog“, resümierte etwa die Wirtschaftszeitung Expansion.

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