Poroschenko ein Jahr im Amt Der „Schoko-Zar“ zwischen Krieg und Frieden

Der vom Westen unterstützte „Schoko-Zar“ Poroschenko ist seit genau einem Jahr Präsident der Ukraine. Doch von seinen Reformversprechen ist wenig geblieben – auch wegen des Kriegs. Schafft der Staatschef noch die Wende?

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Kritiker werfen ihm mangelnde Reformen vor. Poroschenkos Antwort: „Rom wurde auch nicht an nur einem Tag erbaut.“ Quelle: dpa

Kiew Inmitten blutiger Kämpfe war es ein ersehntes Signal der Hoffnung in der Ukraine. Bereits in der ersten Runde gewann der Süßwaren-Unternehmer Petro Poroschenko vor einem Jahr (25. Mai 2014) die Präsidentenwahl in dem krisengeschüttelten Land.

Der Westen unterstützte den neuen Mann von Beginn – demonstrativ reiste etwa Bundespräsident Joachim Gauck zur Vereidigung nach Kiew. Und auch die Wähler bauten nach dem klaren Sieg des proeuropäischen Politikers auf einen Impuls für baldigen Frieden. Zwölf Monate später scheint viel von der Euphorie verflogen. Der Krieg gegen prorussische Separatisten zehrt Europas zweitgrößten Flächenstaat weiter aus.

„Ich bin der Präsident des Friedens – nicht des Krieges“, betont Poroschenko immer wieder. Er stehe für „europäische Werte“ wie Pressefreiheit. Doch seine Gegner werfen dem 49-Jährigen vor, dünnhäutig geworden zu sein für Kritik.

So reagiere der oft in militärischem Tarnfleck auftretende Staatschef barsch, wenn er an seine Wahlversprechen erinnert werde. Weder können die Ukrainer – wie Poroschenko angekündigt hatte – visafrei in die EU reisen. Noch ist im Unruhegebiet Ostukraine Frieden in Sicht. Länger als ein Jahr dauert die „Anti-Terror-Operation“ gegen Aufständische – und nicht, wie er beim Wahlsieg in Aussicht stellte, „noch ein paar Stunden“.

Allerdings hielt Poroschenko sein Versprechen von vorgezogenen Parlamentswahlen im vergangenen Oktober. Die prowestlichen Kräfte siegten klar. Doch es war ein Votum in einem geteilten Land: Die Separatistengebiete Donezk und Luhansk boykottierten die Abstimmung ebenso wie die von Russland einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Poroschenkos härteste Kritiker werfen ihm vor, es fehle weiter an vorzeigbaren Reformen. Die neue prowestliche Koalition aus fünf Parteien ächzt unter internen Querelen, mehrere Hoffnungsträger warfen das Handtuch. Zudem warnen Finanzexperten vor einem Staatsbankrott.

Das Wirtschaftswachstum sank im ersten Quartal um fast 18 Prozent, der Wert der Landeswährung Griwna halbierte sich. Nachdem der russische Markt nahezu weggebrochen ist, fehlt es an Erlösen aus der Schwerindustrie im Osten. In weite Ferne gerückt sind die für 2020 angestrebten Voraussetzungen für einen EU-Beitritt.


„Alles ist transparent“

Poroschenko betont immer wieder, dass „auch Rom nicht an einem Tag erbaut“ worden sei. Ein Jahr Amtszeit sei zu wenig, um eine seriöse Bilanz zu ziehen. Doch manch früherer Unterstützer hat sich von dem 49-Jährigen abgewandt. Sie werfen dem Präsidenten vor, dass die „europäischen Werte“ im politischen Alltag Lippenbekenntnisse seien.

So beklagen regierungskritische Medien wie die Zeitung Westi, der Nachrichtensender 112 oder das Internetportal Timer in Odessa erheblichen Druck vonseiten der Behörden. Zudem nähren das Abgeordnetenmandat für Poroschenkos ältesten Sohn Alexej sowie die Vergabe von einflussreichen Posten an loyale Geschäftspartner den Verdacht von Vetternwirtschaft. Poroschenko weist dies mit Nachdruck zurück. „Alles ist transparent“, betont das Staatsoberhaupt.

Besonderer Druck kommt aus Russland. Mehrfach hat Moskau Aufklärung gefordert, wie Dutzende Menschen bei den Massenprotesten auf dem Maidan in Kiew Anfang 2014 ums Leben gekommen sind. Auch ein Massaker in Odessa ist weiter ungeklärt. Poroschenko war damals noch nicht im Amt – und er unterstreicht immer wieder: Für den Konflikt im Osten wünscht er sich eine politische Lösung.

Kopfschütteln auch im Westen löst der Präsident mit dem Festhalten an seinem Süßwarenimperium aus. Alles bis auf den Nachrichtensender Fünfter Kanal werde er verkaufen, versprach Poroschenko nach seinem Wahlsieg. Heute wird der „Schoko-Zar“ nur ungern darauf angesprochen. Er habe die Firmenleitung abgegeben und ein Investmentunternehmen mit der Suche nach einem Käufer beauftragt, wiederholt er schmallippig.

Für Russland gilt Poroschenko trotz eines zerrütteten bilateralen Verhältnisses als Ansprechpartner in dem Konflikt im Donbass. Und ungeachtet einer wohl eher mageren innenpolitischen Bilanz: Umfragen zeigen, dass Millionen Ukrainer ihn als Symbol für eine Chance auf Stabilität sehen. Zum Härtetest dürfte die Kommunalwahl im Herbst werden, zu der auch Poroschenkos Partei antritt. Die Abstimmung wird damit auch zum Teil ein Votum über den Kurs des Präsidenten.

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