Post aus Harvard Japans verhängnisvolle Schuldenspirale

In Japan, der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, wollen die Bürger nicht mehr sparen. Das belastet nicht nur den japanischen Staatshaushalt, sondern birgt auch Risiken für die Weltwirtschaft. Von Martin Feldstein.

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Martin Feldstein ist Professor an der Harvard-Universität. Der renommierte US-Ökonom schreibt jeden Monat exklusiv für WirtschaftsWoche und wiwo.de Quelle: Laif/Polaris

Japan hatte lange Jahre die höchste Sparquote aller Industrieländer. In den frühen Achtzigerjahren legten die Privathaushalte rund 15 Prozent ihres Einkommens nach Steuern zurück. Es war eine Zeit steil ansteigender Löhne, in der die Haushalte Nippons ihren Konsum deutlich erhöhen und gleichzeitig ihre Ersparnisse um hohe Beträge aufstocken konnten. Im weiteren Verlauf des Jahrzehnts nahm die Sparquote ab, lag 1990 aber immer noch bei rund zehn Prozent.

Als sich die Wachstumsraten in den Neunzigerjahren abschwächten, versuchten die Verbraucher, ihr Konsumniveau zu halten. Trotz hoher Wertverluste bei Aktien und Immobilien hatten sie nicht das Gefühl, mehr zurücklegen zu müssen, um alte Vermögenswerte wieder aufzubauen.

Konsum lieber sofort

Mehrere Faktoren haben zur rückläufigen Sparquote der Privathaushalte beigetragen. Einer sinkenden Zahl von Erwerbstätigen in den „besten“ Sparjahren steht eine immer größere Anzahl von Ruheständlern entgegen. Laut aktuellen Studien interessieren sich junge Japaner mehr für sofortigen Konsum und sorgen sich weniger um die Zukunft als frühere Generationen. Zudem verliert die traditionelle Vorstellung an Gewicht, dass man sparen müsse, um seinen Kindern etwas vererben zu können. Die Sparquote der Privathaushalte fiel daher Ende der Neunzigerjahre unter fünf Prozent – und lag 2009 nur noch knapp über zwei Prozent.

Überschuss geht ins Ausland

Gleichzeitig ist das Haushaltsdefizit auf über sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen. Diese Kombination aus geringer Sparquote und erheblichem Entsparen des Staates würde ein Land normalerweise zwingen, sich Geld im Ausland zu leihen. Japan verfügt jedoch über einen Leistungsbilanzüberschuss und schickt nach wie vor über drei Prozent seines BIPs ins Ausland, womit es in diesem Jahr über 175 Milliarden US-Dollar an Krediten für andere Länder bereitstellt.

Dieses scheinbare Paradox lässt sich durch die Kombination aus einer hohen Unternehmensersparnis und niedrigen Anlageinvestitionen in Wohneigentum und andere Bereiche erklären. Fakt ist: Japans gesamtwirtschaftliche Ersparnisse übersteigen immer noch seine Investitionen im Inland, sodass das Land vorerst Nettokapitalexporteur bleibt.

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