Post aus Harvard Warum Washington die Staatsverschuldung bekämpfen muss

Eine schlechte Nachricht für die USA: Wie das Congressional Budget Office (CBO) soeben festgestellt hat, wächst unsere Staatsverschuldung schneller als die Wirtschaftsleistung wächst und nähert sich im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) Werten, die eher an Italien oder Spanien denken lassen. Das bestätigt freilich eine meiner Thesen: Das Haushaltsdefizit ist das langfristig ernsteste Problem der amerikanischen Wirtschaftspolitik.

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USA: Staatsverschuldung wächst schneller als die Wirtschaftsleistung. Quelle: Getty Images

Vor einem Jahrzehnt betrug Amerikas Verschuldung auf Bundesebene 35 Prozent des BIP. Jetzt ist es mehr als doppelt so viel, und für 2026 wird eine Relation von 86 Prozent prognostiziert. Das ist aber nur der Anfang. Nach Berechnung des überparteilichen CBO würde das Haushaltsdefizit und damit die Neuverschuldung in zehn Jahren fünf Prozent des dann erwirtschafteten BIP betragen. Wenn sie längere Zeit so hoch bleibt, würde die Staatsverschuldung am Ende auf 125 Prozent des BIP steigen.

Selbst diese pessimistische Prognose geht noch davon aus, dass die relevanten Zinssätze nur langsam ansteigen, auf durchschnittlich 3,5 Prozent im Jahr 2026. Doch wenn die Staatsverschuldung tatsächlich mit Riesenschritten in den Bereich dreistelliger Werte steigen sollte, werden einheimische wie ausländische Anleger zu Recht annehmen, dass der amerikanische Staat seine Finanzen nicht mehr unter Kontrolle hat. Die Folge wären viel höhere Zinsen.

Schulden schaden der amerikanischen Wirtschaft

Denn angesichts einer Explosion der Staatsschulden würde bei ausländischen Besitzern amerikanischer Staatsanleihen die Sorge wachsen, Washington könnte den Realwert seiner Schulden drücken – durch Anheizen der Inflation oder durch eine neue Ertragssteuer auf die fälligen Zinszahlungen. In der Folge würden diese Anleger auf einer Risikoprämie bestehen, also auf höherer Verzinsung der Staatsanleihen. Das wiederum würde das Hasuhaltsdefizit weiter in die Höhe trieben, und damit auch die Staatsverschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung.

Die größten Gläubiger der USA

Das Ausmaß und der Anstieg der Staatsverschuldung schaden der amerikanischen Wirtschaft aus vielen Gründen. Die Zinszahlungen erzwingen höhere Steuern oder aber ein schlimmeres Minus im Haushalt. 2016 betragen die Zinszahlungen auf die Staatsverschuldung auf Bundesebene ungefähr 16 Prozent vom Ertrag der individuellen Einkommensteuer. 2026 würden die vom CBO projizierten Zinszahlungen mehr als 31 Prozent des entsprechenden Steuerertrags ausmachen, selbst bei den von der Behörde angenommenen niedrigen Zinssätzen.

Lebensstandard der Amerikaner ist gefährdet

Ebenso wichtig: Zu mehr als der Hälfte sind zur Zeit die Schuldentitel der amerikanischen Bundesregierung in der Hand ausländischer Gläubiger, und dieser Anteil wird in Zukunft wahrscheinlich noch wachsen. Zur Zeit mögen die Gläubiger noch willens sein, für die entsprechenden Zinseinnahmen und das bei Fälligkeit frei werdende Grundkapital ihrer US-Anleihen entsprechende neu emittierte Papiere aus Washington zu kaufen. Aber das wird sich ändern: Und dann werden die USA gezwungen sein, mehr Waren und Dienstleistungen zu exportieren als zu importieren, um ihre Zinsen zahlen zu können. Wenn wir aber unsere Handelsbilanz entsprechend umkehren wollen, muss der Dollar im Außenwert sinken, damit amerikanische Waren im Ausland weniger und ausländische Güter in den USA mehr kosten. Unmittelbare Folge für die Amerikaner wäre ein niedrigerer Lebensstandard.

Drittens würde die zunehmende Geldaufnahme des Staates auch bedeuten, dass die Privatwirtschaft schwerer an Geld kommt als heute. Weniger Darlehen an die Unternehmen – das bedeutet aber geringeres Wachstum der Produktivität und schließlich auch darum geringeres Wachstum der Realeinkommen.

Eine kleine Verringerung des Defizits könnte die Verschuldungsrate stark senken

Aus all diesen Gründen ist es also extrem wichtig, das Haushaltsdefizit zu reduzieren und die Gesamtverschuldung des Staates in der Zukunft deutlich herunterzufahren. Es ist immerhin erfreulich, dass eine vergleichsweise bescheidene Verkleinerung des Defizits die Verschuldungsrate ganz deutlich absenken könnte. Eine Verringerung des Defizits auf von fünf auf zwei Prozent des BIP zum Beispiel würde schon dafür sorgen, dass die Gesamtverschuldung 2026 statt der bedrohlichen 125 Prozent nur 50 Prozent betragen würde.

Aber wie soll das gehen? Um das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, muss der Staat entweder seine Ausgaben reduzieren oder seine Einnahmen erhöhen. Oder beides. Nichts ist hier politisch problemlos, aber unmöglich ist keine der beiden Strategien.

Ausgabenkürzungen sind schwieriger geworden, weil etliche Kürzungen schon vollzogen worden sind. Der Anteil der staatlichen Verteidigungsausgaben am amerikanischen BIP ist von 7,5 Prozent 1966 auf 3,2 Prozent in diesem Jahr gefallen, und für das kommende Jahrzehnt prognostiziert das CBO einen weiteren Rückgang auf 2,6 Prozent. Das wäre der niedrigste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg auf ein Niveau, das Militärexperten für unzureichend halten.

Die weiteren Staatsausgaben lassen sich unterteilen an die in jedem Jahr neu ausgehandelten und verteilten Haushaltsposten und andererseits auf die Haushaltstitel, die durch Gesetzgebung langfristig feststehen und nicht Jahr für Jahr zur Disposition stehen.

Sozialausgaben zu Gunsten der Mittelschicht steigen

Die Haushaltsausgaben, die weder zum Verteidigungsbudget gehören noch langfristig festgelegt sind, sinken derzeit und nähern sich genau wie die militärischen Ausgaben der Marke von 2,6 Prozent des BIP – weniger als irgendwann seit dem Zweiten Weltkrieg. Was seit Jahren rapide steigt, sind die langfristig festgeschriebenen Ausgaben. Ihr Anteil am gleichzeitigen BIP betrug 1966 erst 4,5 Prozent, liegt jetzt bei 13,3 Prozent und dürfte 2026 15 Prozent erreichen. Im Wesentlichen sind das Sozialausgaben zu Gunsten älterer Menschen aus der amerikanischen Mittelschicht, weniger Maßnahmen zugunsten der im Vergleich armen Bürger Amerikas. Schon darum sind die meisten Fachleute der Meinung, dass eine Begrenzung des Anstiegs dieser Aufgaben wichtiger Bestandteil einer Haushaltssanierung sein muss.

Die amerikanischen Bundessteuern machen derzeit 18,3 Prozent des BIP aus. Der CBO-Prognose zufolge werden sie auf diesem Niveau bleiben, wenn sich die Steuergesetzgebung nicht erheblich ändert. Was sich in den vergangenen 30 Jahren geändert hat, sind die Steuersätze der individuellen Besteuerung. So ist der Spitzensatz von 28 Prozent im Jahr 1986 auf heute mehr als 40 Prozent gestiegen, und die Unternehmensbesteuerung ist mit von 35 Prozent die höchste in allen Industriestaaten.

Noch höhere Grenzsteuersätze würden Anreize zu wirtschaftlicher Anstrengung schwächen und unternehmerische Entscheidungen in falsche Bahnen lenken. Darum plädiere ich ebenso wie andere Beobachter dafür, bei der Haushaltssanierung auf der Seite der Staatseinnahmen nicht an die Steuersätze zu gehen, sondern an die steuerlichen Sonderbestimmungen, die auf die Schaffung von Schlupflöchern herauslaufen. Das beginnt mit kleineren Vergünstigungen wie den 7500 Dollar, die der Käufer eines Autos mit Elektroantrieb bei der Steuer einspart, bis hin zu großen Posten wie der Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinsen und der Befreiung von Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung von der Einkommensteuer.

Durch die Begünstigung der Hypotehkenabzahler entgehen dem amerikanischen Bundeshaushalt in diesem Jahr 84 Milliarden Dollar oder fünf Prozent der Gesamteinnahmen aus der Einkommensteuer. Und die Nichtverrechnung der Krankenversicherungsbeiträge beim steuerpflichtigen Einkommen der Arbeitnehmer kostet den Fiskus sogar mehr als 200 Milliarden Dollar.

Doch vor der Präsidentschaftswahl im kommenden November wird in Sachen Defizitbekämpfung nichts geschehen. Doch nach der Amtsübergabe im Weißen Haus Anfang 2017 gehört die Reform des Haushalts auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmenseite ganz nach oben auf die Tagesordnung.

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