„Präsident der Reichen“ Wie Macron sein Image aufpolieren will

„Präsident der Reichen“ oder „absolutistischer König“ nennen die Franzosen ihren Präsidenten. Der will sich jetzt verstärkt um die Armen kümmern. Denn ohne deren Unterstützung kann Macron die nächste Wahl nicht gewinnen.

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Bei Besuchen in den ärmsten Städten Frankreichs will der Präsident neue Initiativen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorstellen. Quelle: Reuters

Paris Emmanuel Macron ist unter Druck: Kurz vor dem Parteitag verlassen 100 Mitglieder aus Protest seine Bewegung. Sie werfen ihrem Präsidenten vor, wie ein absolutistischer König zu handeln. Auch als „Präsident der Reichen“ ist er kritisiert worden, weil er die Vermögensteuer abgeschafft und die Besteuerung von Kapitalerträgen günstiger gestellt hat. Die Reformen wurden mit der Aussicht auf mehr Investitionen in französische Unternehmen und mehr Wachstum begründet. Unmittelbar zugute kommen sie aber einem sehr geringen Teil der Franzosen, die besonders begütert sind. In dieser Woche will Macron beweisen, dass er sich auch um die armen Franzosen kümmert.

Bei Besuchen in Clichy sous Bois, einem Teil der Banlieu von Paris, in dem vor mehreren Jahren schwere Jugendunruhen stattgefunden haben, so wie in Tourcoing, einer der ärmsten Städte des Landes ganz im Norden Frankreichs, hat der Präsident seine Politik für die benachteiligten Franzosen dargestellt und neue Initiativen bekannt gegeben. „Was wir machen, ist substanzielle Investition, wir respektieren Frauen und Männer, indem wir sie ausbilden, statt ihnen einen kurzfristigen Vertrag ohne Zukunftsperspektiven zu bieten.“ sagte Macron am Dienstag in Tourcoing. „Wir schlagen ihnen eine Ausbildung und eine Qualifizierung vor, auf die sie ein Recht haben und die wir brauchen, wenn wir wirklich das Problem der Arbeitslosigkeit in unserem Land lösen wollen.“ fuhr der Präsident fort.

Macron ist heftig kritisiert worden, weil im Haushalt für 2018 die Zahl subventionierter Arbeitsverträge von 460.000 unter seinem Vorgänger Francois Hollande auf nur noch 200.000 begrenzen wird. Dadurch fallen viele Stellen bei privaten Verbänden und Initiativen fort, die auf staatlich subventionierte Jobs angewiesen sind.

Macron war aber zu dem Schluss gekommen, dass diese unter Hollande aufgeblähte Jobmaschine letzten Endes nur zu einer Verwahranstalt für Arbeitslose geworden war, ohne ihnen einen wirklichen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit zu ermöglichen. Er will stattdessen nur noch Anstellungen im Privatsektor subventionieren, die mit einer wirklichen Qualifizierung verbunden sind.

Dabei geht es die Regierung langsam an: Im kommenden Jahr werden zunächst 10.000 solcher Beschäftigungsverhältnisse geschaffen. „Die Kunst liegt in der Ausführung und nicht in der Ankündigung“, sagt ein Hollande-Berater. Das Zusammenspiel von Unternehmen, staatlichen Hilfen und Arbeitssuchenden müsse genau funktionieren, um zu einem Erfolg zu kommen. In Tourcoing hat Macron diese neue Form der Arbeitsmarktpolitik erläutert und zugleich die sozialen Missstände in Frankreich sowie die Politik seines Vorgängers scharf kritisiert.

„Es ist doch nicht gesund, vor einer Wahl bis zu 500.000 oder gar 600.000 subventionierte Jobs zu schaffen, damit die Kommunen und die Bürgermeister ihre Beschäftigungszahlen kurzfristig schönen können“, sagte Macron bissig. Wenn er die Kritik an seiner Entscheidung, diese Jobmaschine zu bremsen höre, könne er nur sagen: „Wer will denn ernsthaft eine solche Stelle haben, die jederzeit entfallen kann? Ich frage mich, ob diejenigen, die uns jetzt kritisieren, für sich selber ein solches Angebot akzeptieren würden.“


Schlechte Chancen für bestimmte Bevölkerungsteile

Frankreich leidet nicht nur an einer im Vergleich zum fortgeschrittenen Konjunkturzyklus hohen Arbeitslosigkeit von rund neun Prozent, sondern auch an extrem schlechten Chancen für bestimmte Bevölkerungsteile. „In den benachteiligten Wohngebieten haben wir eine Armutsquote von 40 Prozent und die Arbeitslosigkeit liegt mehr als doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt“, räumt man im Elysee ein. In diesen Gebieten würden alle denkbaren Schwierigkeiten aufeinandertreffen: Es gebe nicht nur zu wenige Jobs, der Staat habe sich auch mit seiner Daseinsvorsorge zurückgezogen. So findet man in diesen „Quartiers“ zweimal weniger Ärzte, viermal weniger Kinderkrippen und ein deutlich schlechteres Angebot von Einkaufsmöglichkeiten oder Postämtern.

„Unser erster Schwerpunkt besteht deshalb darin, allen Franzosen wieder zu ermöglichen, dieselben Rechte wahrzunehmen.“ sagt eine Beraterin von Macron. In den benachteiligten Wohngebieten müsse es nicht nur Jobs, sondern auch wieder einen vernünftigen Zugang zur Gesundheitsvorsorge geben. Macron hat versprochen, die Zahl der Ärztehäuser in der Banlieue und in den verarmten Kleinstädten zu verdoppeln. Gleichzeitig soll eine neue Nachbarschaftspolizei für mehr Sicherheit im täglichen Leben sorgen. Die staatlichen Zuwendungen für alleinerziehende Elternteile werden erhöht.

Sicher will Macron mit all diesen Initiativen gegen seine Image des „Präsidenten der Reichen“ ankämpfen. Aber zugleich geht es ihm auch darum, das Übel der Arbeitslosigkeit tatsächlich an der Wurzel zu packen. Der Präsident hat verstanden, dass er ohne Erfolg bei der Verbesserung der Lebensbedingungen für Frankreichs vergessene Bevölkerungsteile keine Chance hat, 2022 wiedergewählt zu werden. Schlimmer noch: Sein Sieg über die rechtsradikalen Populisten des Front National könnte sich schnell als Strohfeuer erweisen. „Ich weiß, wie groß noch immer Verzweiflung und Wut in Frankreich sind“, ist ein Satz, den Macron ständig wiederholt.

Gegen die Diskriminierung vor allem der Jugendlichen, die von Migranten abstammen, will der Staatschef nun härter vorgehen. Bereits im vergangenen Jahr wurde eine erste Aktion des Arbeitsministeriums für ein sogenanntes „Testing“ gestartet. Dabei wird mit verdeckten Bewerbungsversuchen erforscht, ob Unternehmen zwischen unterschiedlichen Jobsuchenden diskriminieren.

Bislang wurden diese Ergebnisse nicht veröffentlicht. „Wir werden das Testing nun intensivieren und außerdem die Ergebnisse publik machen“, gab eine Macron-Beraterin am Dienstag bekannt. „Wir werden nach dem Motto ‚name and shame‘ vorgehen“, drohte sie. In manchen Fällen verstünden Unternehmen nicht einmal, dass ihr Verhalten bei der Vergabe von Bewerbungsgesprächen oder bei Einstellungen diskriminierend sei – denen wolle man auf die Sprünge helfen.

Macron scheint fest entschlossen zu sein, nun auch der Präsident der Armen zu werden.

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