Präsidenten-Wahl in Polen Knappes Rennen bei Stichwahl

Spannung vor der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt: Es wird ein enges Rennen zwischen Amtsinhaber Komorowski und seinem Herausforderer Andrzej Duda – mit Signalwirkung für die Parlamentswahlen im Herbst.

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Am Donnerstag trafen die beiden Kontrahenten Komorowski (l.) und Duda im polnischen Fernsehen aufeinander. Quelle: Reuters

Warschau Rund 30 Millionen polnische Bürger bestimmen an diesem Sonntag in einer Stichwahl ihren künftigen Präsidenten. Laut Umfragen wird es ein äußerst knappes Rennen zwischen dem liberal-konservativen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski und seinem eher national orientierten Herausforderer Andrzej Duda. Entscheidend dürften demnach die bis zuletzt Unentschlossenen sein.

Nach dem unaufgeregten Wahlkampf vor der ersten Abstimmung über elf Kandidaten, als alles auf eine Wiederwahl Komorowskis hindeutete, haben die zwei verbliebenen Kontrahenten ihre Kampagne verschärft. Der 62-jährige Komorowski und der 43-jährige Duda tourten durchs Land und versuchten diejenigen zu mobilisieren, die vor zwei Wochen zu Hause geblieben waren.

Nach einer Umfrage liegt Duda mit 48 Prozent in Führung vor Komorowski, den 44 Prozent wählen wollen. In einer am Freitag veröffentlichten Umfrage eines anderen Meinungsforschers führt Komorowski hingegen mit 45 Prozent vor Duda, der auf 43 Prozent hoffen könne.

Duda ist Kandidat der christdemokratischen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die im Herbst auf einen Machtwechsel nach den Parlamentswahlen hofft. Der Jurist machte teure Wahlversprechen, sicherte sich die Unterstützung der großen Gewerkschaftsverbände und spricht von der polnischen Identität, die er stärken will - auch wenn es um Positionen in der EU geht.

Komorowski, der die liberal-konservative Regierungspartei Bürgerplattform (PO) hinter sich hat, setzt auf seine Erfahrung nicht nur als Staatsmann, sondern auch als früherer Verteidigungsminister - in einer Zeit, da der Konflikt im Nachbarland Ukraine Schatten auf Polen wirft. Zwei seiner Amtsvorgänger, Lech Walesa und Aleksander Kwasniewski, und fünf ehemalige Außenminister Polens haben Komorowski in den vergangenen zehn Tagen demonstrativ den Rücken gestärkt: Er stehe für Glaubwürdigkeit und Besonnenheit, für Dialog und Vernunft.

Kritiker gestehen Duda zu, im Wahlkampf als menschlich sympathischer Kandidat herübergekommen zu sein. Zugleich erinnern politische Gegner an die Zeit, als die PiS Präsident Lech Kaczynski stellte und dessen Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski Regierungschef war: Eine Zeit voller Konflikte mit den Nachbarn, Isolierung in der EU, Störungen im Verhältnis zu Deutschland. Gerade in Zeiten des Konflikts in der Ukraine dürfe es keine Wiederholung eines solchen Szenarios geben.


„Glaubwürdigkeit und Effektivität“

Duda ist zwar ein neues Gesicht auf der politischen Bühne Polens. Doch er könnte das Land in altbekannte Zeiten zurückführen, als seine rechtskonservative Partei schon einmal an der Macht war. Der 43-Jährige ist der überraschende Herausforderer von Amtsinhaber Bronislaw Komorowski in der Stichwahl um das Präsidentenamt an diesem Sonntag. Aus dem ersten Wahlgang war Duda unerwartet sogar als Sieger hervorgegangen.

In den Augen von Dudas Anhängern war die Herrschaft der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine goldene Ära: Die Führung bekämpfte die Korruption, erwies vergessenen Weltkriegshelden die Ehre und verteidigte traditionelle katholische Werte. Kritiker erinnern sich dagegen an eine Zeit der Hexenjagden und außenpolitischen Peinlichkeiten. Vor allem die Kaczynski-Zwillinge leisteten sich im Amt einige diplomatische Fauxpas.

Noch heute wird die euroskeptische PiS von dem überlebenden Kaczynski-Bruder Jaroslaw geführt. Im Gegensatz zu ihr steht Komorowskis Bürgerplattform (PO) für einen konservativen, proeuropäischen Kurs. Für die Stichwahl erwarten Meinungsforscher ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Der 62-jährige Komorowski, der seit fünf Jahren im Amt ist, ist bei der Bevölkerung beliebt. Daher hatten Beobachter lange einen klaren Sieg für ihn in der ersten Wahlrunde erwartet. Der Staatspräsident gilt zwar als zurückhaltend, aber auch als großer Versöhner. Erst zuletzt entstand der Eindruck, er habe die Nähe zu den Wählern verloren.

Sein schlechtes Abschneiden spiegelt eine allgemeine Unzufriedenheit mit der seit acht Jahren herrschenden PO wider. Der Trend könnte der Partei auch bei den im Herbst erwarteten Parlamentswahlen zum Verhängnis werden. Zwar wird der PO ein unerwartetes Wirtschaftswachstum zu Gute gehalten. Jetzt zahlt sie aber offenbar den Preis für eine Serie von Skandalen und unpopulären Maßnahmen wie der Anhebung des Rentenalters.

Einen Dämpfer versetzte der PO auch der Verlust ihres früheren charismatischen Parteichefs und Ministerpräsidenten Donald Tusk, der im vergangenen Jahr EU-Präsident wurde. Aus Protest liefen viele Wähler im ersten Wahlgang am 10. Mai zu antibürgerlichen Kandidaten über. Unter diesen war etwa der Punkrock-Musiker Pawel Kukiz, der mehr als 20 Prozent der Stimmen abräumte.

Zwar ist der Präsident in Polen oberster Befehlshaber, kann mit seinem Veto Gesetze blockieren und verfügt über ein gewisses Mitspracherecht in der Außenpolitik. Dennoch hat er weitgehend repräsentative Funktionen - die eigentliche Macht liegt beim Ministerpräsidenten. Das hielt die beiden Kandidaten aber nicht von vollmundigen Versprechen im Wahlkampf ab.


Seitenhieb gegen Kaczynski

Duda präsentierte sich als Kandidat des Wandels nach acht Jahren PO-Herrschaft. Immer wieder kam er auf die mehr als zwei Millionen Polen zu sprechen, die in den vergangenen zehn Jahren das Land verließen. Das Wirtschaftswachstum sei bei der Mehrheit der Polen nicht angekommen, erklärte er. Duda versprach höhere Löhne und eine Senkung des Rentenalters. Zum Schutz der polnischen Wirtschaft kündigte er neue Steuern für Banken und Großmärkte an, die sich zumeist in ausländischer Hand befinden.

Komorowski hingegen betonte, dass er für Versöhnung und Stabilität stehe und keinem Parteichef Rechenschaft schuldig sei. Das war ein klarer Seitenhieb gegen den früheren Regierungschef Kaczynski, der nach Ansicht von Kritikern im Falle einer Präsidentschaft Dudas die Fäden fest in der Hand halten würde.

Die PiS war von 2005 bis 2007 an der Regierung, zeitweise mit Kaczynski als Ministerpräsident. Von 2005 an war sein Zwillingsbruder Lech Präsident, bis dieser 2010 bei einem Flugzeugabsturz in Russland ums Leben kam. Sein Nachfolger wurde Komorowski.

Während ihrer Regierungszeit fuhr die PiS einen kompromisslosen Kurs gegen Korruption - Kritiker warfen der Partei vor, dabei die Bürgerrechte zu missachten. Ein geplantes Gesetz wurde sogar vom Verfassungsgericht gestoppt: Mit ihm sollten alle früheren Kollaborateure des kommunistischen Sicherheitsministeriums aus dem öffentlichen Leben verbannt werden.

Auch gegenüber Russland nahmen die Kaczynski-Brüder eine kämpferische Haltung ein, und selbst das Verhältnis zum deutschen Nachbarn war in dieser Zeit von Verstimmungen geprägt. 2006 sagte Lech Kaczynski einen offiziellen Deutschland-Besuch ab, nachdem die Zeitung „taz“ ihn in einer Satire als „Polens neue Kartoffel“ bezeichnet hatte.

Kritisiert wurde die Regierungspartei auch mehrfach wegen homophober Äußerungen ihrer Vertreter. Eine ranghohe PiS-Politikerin löste einen Sturm der Entrüstung aus, als sie untersuchen lassen wollte, ob die Kinder-Fernsehserie „Teletubbies“ für Homosexualität wirbt. Das Misstrauen hatte die Figur „Tinky Winky“ geweckt, die männlich wirkt, aber eine Damenhandtasche bei sich trägt.

Die fünf ehemaligen Außenminister bilanzierten nun in ihrem Unterstützungsbrief für Komorowski, unter der PiS habe Polen „Abenteuertum, Komplexe und Konflikte“ erlebt, die das Land international an den Rand gedrängt hätten. Unterzeichnet wurde das Schreiben von Radek Sikorski, Wlodzimierz Cimoszewicz, Andrzej Olechowski, Dariusz Rosati und Adam Daniel Rotfeld.

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