Präsidentenwahl in Portugal Der Präsident mit der Atombombe

Das Amt ist wichtiger denn je – auch für die EU: Portugals Präsident hat das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anordnen. Gut möglich, dass das heute zu wählende Staatsoberhaupt bald davon Gebrauch macht.

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Der Präsidentschaftskandidat gilt als so gut wie gewählt. Quelle: AFP

Madrid Vor gut zwei Monaten überraschte Portugal Europa mit einer neuen Linksregierung. Am heutigen Sonntag stehen in dem Land, das einst Paradebeispiel in Sachen Sparmaßnahmen war, erneut Wahlen an – die des Präsidenten. In dem semipräsidentiellen System kommt dem Amt derzeit eine besondere Bedeutung zu: Der Präsident hat das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anordnen. Die Portugiesen sprechen von der „Atombombe“, über die das Staatsoberhaupt verfügt. Der Präsident bestimmt auch, wer mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt werden soll.

Es kann durchaus sein, dass das neue Staatsoberhaupt von seiner Vernichtungswaffe Gebrauch macht, da die Regierung als fragil gilt. Nach den Parlamentswahlen Anfang Oktober hatte völlig überraschend die unterlegene sozialistische Partei einen Pakt mit ihren Erzfeinden, den Kommunisten, sowie dem ultralinken Bloco de Esquerda geschlossen, die zusammen auf eine Mehrheit kommen. Die konservative Regierungspartei hatte zwar die meisten Stimmen gewonnen, aber die Mehrheit verfehlt.

Die drei linken Parteien jedoch liegen ideologisch weit auseinander und die Frage ist, wie lange sie sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Die Sozialisten stellen die Regierung, sind aber bei jedem Gesetz auf die Stimmen der anderen zwei Parteien angewiesen. Bislang herrscht noch Einigkeit: Die neue Regierung hat bereits angefangen, Sparmaßnahmen zurück zu drehen, die insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro kosten werden. Das beunruhigt sowohl Brüssel als auch die Märkte: Portugiesische Bonds kommen sind seit Jahresanfang unter Druck.

Für das Amt des Präsidenten, der direkt vom Volk gewählt wird, haben sich gleich zehn Kandidaten beworben. „Das ist in Portugal nicht ungewöhnlich, weil die Verfassung jedem das Recht darauf garantiert, der älter als 34 Jahre ist und 7500 Unterstützer-Unterschriften vorweisen kann“, erklärt Politologe Nuno Augusta von der Universität Beira Interior.

Dennoch gibt es einen klaren Favoriten: Der Jura-Professor und Journalist Marcelo Rebelo de Sousa. In der jüngsten am vergangenen Freitag veröffentlichten Umfrage kommt er auf 52 Prozent und liegt damit weit vor den zweit- und drittstärksten Kandidaten mit 17 beziehungsweise elf Prozent.


Ein TV-Gesicht als Schiedsrichter für Portugal

Der 67-jährige Rebelo de Sousa lehrt an der Universität Lissabon, ist den Portugiesen aber vor allem wegen seiner journalistischen Tätigkeit bekannt. Jahrelang hat er jeden Sonntagabend in einer eigenen Sendung 90 Minuten über Politik, Wirtschaft aber auch über Fußball oder Gott philosophiert, stets bemüht um einen eignen, von politischen Richtungen unabhängigen Blick. Die Einschaltquoten des eigenwilligen TV-Formats lagen regelmäßig bei 30 Prozent.

Jeder in Portugal kennt deshalb Rebelo de Sousa und seine Ansichten. Obwohl er als erster Chef der konservativen Partei PSD und als Minister eine politische Karriere hinter sich hat, achtete er streng darauf, dass die Partei seinen Wahlkampf nicht offiziell unterstützt. Er präsentiert sich als Mann des Ausgleiches und verzichtet auf inhaltliche Forderungen. „Für mich ist die Rolle des Präsidenten der Republik die eines Schiedsrichters“, sagt er. „Der Präsident kann kein Regierungsprogramm haben.“

Anders hält es dagegen der Kandidat António Sampaio da Nóvoa, ehemals Rektor der Universität von Portugal. Der 62-Jährige fordert ein Ende des Spardiktats in Portugal und eine Neuverhandlung der Schulden. Der Wahlkampf war sein erster Ausflug in die Politik. Er liegt in den Umfragen mit rund 17 Prozent der Stimmen vor der drittstärksten Kandidatin Maria de Belém (elf Prozent), der ersten Präsidentin der Sozialistischen Partei Portuglas (PS). Der Fokus der 66-Jährigen liegt auf sozialem Engagement für die Schwachen sowie der Förderung von Forschung und Wissenschaft.

Rebelo de Sousa muss im ersten Wahlgang am Sonntag mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, sonst steht am 14. Februar eine Stichwahl mit dem zweitbesten Kandidaten an. Dass ihm im ersten Anlauf ein Sieg gelingt ist zwar sehr wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. „Es hat gerade bei seinem so klaren Favoriten schon Überraschungen gegeben“, sagt Politologe Augusta. „Wenn die Leute glauben, die Wahl ist entschieden, gehen viele gar nicht an die Urne – und damit verschieben sich die Gewichte.“

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