Präsidentschaftswahlen Südkorea will den Trump-Schreck

Mitten in der Korea-Krise wählt Südkorea einen neuen Präsidenten. Das Ergebnis könnte US-Präsident Donald Trump Kopfzerbrechen bereiten. Der linksliberale Favorit Moon Jae-in steht für eine Öffnung gegenüber Nordkorea.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Moon wird eher zugetraut, Trump die Stirn zu bieten. Quelle: Reuters

Seoul Auf den ersten Blick läuft die Präsidentschaftswahl in Südkorea wie gewöhnlich. Lautsprecherbusse stehen an Kreuzungen, um für die Kandidaten Stimmung zu machen. Die Hoffnungsvollen touren durchs Land, schütteln Hände und halten von improvisierten Bühnen Reden vor mehr oder weniger großen Menschenmengen. Doch dieses Mal ist die Lage alles andere als normal.

Schon der Anlass der Wahl wühlt die Südkoreaner auf. Die Nation liegt im Clinch mit der Schattenseite von Südkoreas Entwicklungswunder: Der Klüngel zwischen Regierung und den riesigen Familienkonglomeraten wie Samsung, die das Land aufgebaut haben, macht die Bevölkerung wütend.

So wurde im März Präsidentin Park Geun-hye endgültig des Amtes enthoben und kurze Zeit wegen Korruption, Machtmissbrauch und anderen Vorwürfen verhaftet. Ausgerechnet Park, deren Vater Park Chung-he als Diktator das bitterarme Land auf Wachstumskurs gepeitscht hatte. Park soll die Patriarchen der Korea AG aufgefordert haben, Geld an Stiftungen ihrer engen Beraterin Choi Soon-sil zu überweisen. Folgsam zahlten die Konzerne rund 60 Millionen Euro.

Doch stellvertretend für die Unternehmen wurde zudem Samsung an den Pranger gestellt. Der 48 Jahre alte Firmenerbe und faktische Chef Lee Jae-yong wurde verhaftet und wartet wie Park auf sein Urteil. Der Vorwurf: Die mächtige Freundin der Präsidentin habe als Dank für generöse Spenden geholfen, eine umstrittene Fusion von zwei Samsung-Firmen durchzuwinken.

Die Folge dieses Jahrhundertskandals ist möglicherweise ein innenpolitischer Richtungswechsel, der geopolitische Auswirkungen haben könnte. Denn der haushohe Favorit der Wahl ist der linksliberale Politiker Moon Jae-in von der demokratischen Partei, der 2012 die Präsidentschaftswahl gegen Park verloren hatte.

Er führt mit rund 40 Prozent Zustimmung die Umfragen an. Da in Korea wie in den USA der Kandidat mit den meisten Stimmen Präsident wird, könnte selbst dieses Niveau reichen. Schließlich ist das konservative Lager durch den Sturz seiner Bannerträgerin nicht nur blamiert, sondern auch tief gespalten.

So war auch der in Umfragen zweitplatzierte Kandidat, Ahn Cheol-soo von der Volkspartei, bisher in der Opposition, auch wenn er nun um Stimmen der konservativen Wähler buhlt. Doch nach einem kurzen Höhenflug kommt er nur noch auf 20 Prozent Zustimmung.

Erst knapp dahinter folgt mit Hong Joon-pyo von der ehemaligen Regierungspartei, ein waschechter Konservativer. Doch er muss noch mit einem weiteren Rechten einer Anti-Park-Fraktion konkurrieren. Denn alle Aufrufe zu einer konservativen Einheitsfront verhallten bisher ungehört.

Dabei versucht Hong nun die Wähler zu warnen, dass mit Moon nach zehn Jahren konservativer Regierungen „pro-nordkoreanische, linke Kräfte“ an die Macht kommen würden. Tatsächlich weckt der Favorit selbst beim Verbündeten USA die Sorge, dass er nach einem Wahlsieg auf Abstand zu US-Präsident Donald Trump und auf Schmusekurs zu China und Nordkorea gehen könnte.

Ein Grund ist Moons Vergangenheit: Als Stabschef des früheren Präsidenten Roh Moo-hyun, der von 2003 bis 2008 regierte, vertrat er dessen „Sonnenscheinpolitik“. Und die setzte nicht auf Sanktionen gegen Nordkoreas atomare Ambitionen, sondern auf wirtschaftlichen und kulturellen Austausch.


Keine Neuauflage einer puren Sonnenscheinpolitik

Auch Moon trug zu dem Bild bei. So hatte er vor dem Wahlkampf gesagt, dass er als erstes Nordkorea besuchen und die Wirtschaftssonderzone im nordkoreanischen Kaesong wiederbeleben wolle. Schon damit würde er sich gegen die US-Politik stellen. Zudem fordert er, dass die neue Regierung über die Stationierung des amerikanischen Raketenabwehrsystems Thaad entscheiden solle, mit dem die USA Südkorea sowie die 38.000 dort stationierten US-Soldaten schützen will. Die Ex-Präsidentin Park hatte den Deal aus Angst vor dem Widerstand der Linken am Parlament vorbei durchgeboxt.

Der Konflikt mit Nordkorea bestimmt den Wahlkampf. Denn seit Trump dem Nachbarn mit einem amerikanischen Militärschlag drohte, schwelt bei den Südkoreanern erstmals seit Jahren Angst vor einem Krieg, meint der politische Kolumnist Choi Sung-jin. „Das Krisengefühl ist höher als zuvor.“

Nur schadet die linke Vergangenheit Moon dieses Mal weniger, meint Choi. Viele Wähler wollten einen Kandidaten, der Südkoreas Stimme im Nordkorea-Streit Gehör verschafft. Denn mit Trump sind die USA als Alliierter unberechenbar geworden.

Erst droht er Nordkorea mit Krieg. Vorige Woche lobte er dann Kim als cleveres Kerlchen und bot ein Treffen an, wenn die Umstände reif dafür seien. Gleichzeitig forderte von Südkorea für das Raketenabwehrsystem plötzlich eine Milliarde US-Dollar sowie eine Neuverhandlung des bilateralen Freihandelsabkommens. Das stößt in Südkorea sauer auf, auch weil China das Land wegen der Stationierung mit einem Wirtschaftskrieg bestraft.

Moon wird eher zugetraut, Trump die Stirn zu bieten. Zugleich gilt er unter Experten als weit weniger radikal als die Konservativen weiß machen wollen. Der Lackmustest ist das Raketenabwehrsystem, dessen erste Batterie vorige Woche einsatzbereit wurde, meint Lee Seong-hyon, Sicherheitsexperte am privaten Sejong Institute, das Südkoreas bürokratische Elite in der Außenpolitik schult. „Ich bin recht zuversichtlich, dass alle Kandidaten das System stehen lassen würden.“ Auch Moon.

Der Grund: Moon hatte sich persönlich nicht deutlich gegen die Stationierung ausgesprochen und auf der Suche nach konservativen Wählern eine härtere Politik gegen nordkoreanische Provokationen angekündigt. Lee glaubt daher, dass Moon dem Norden mit einer Politik von Zuckerbrot und Peitsche begegnen will.

Außerdem lässt die deutlich kritischere Beziehung zu Nordkorea gar keine Neuauflage einer puren Sonnenscheinpolitik zu, urteilt der amerikanische Sicherheitsexperte Daniel Pinkston, der an der Troy Universität doziert. „Solange Nordkorea sein Verhalten nicht ändert, ist eine Annäherung kaum möglich.“

Allerdings müsste Trump unter Moon mit einem selbstbewussteren Südkorea rechnen, das im Hickhack der Großmächte China und USA mehr Kontrolle über seine Sicherheitspolitik anstreben werde, meint Pinkston. So fordert Moon zum Beispiel, dass Südkorea in Kriegszeiten das Oberkommando über die alliierten Streitkräfte übernimmt. Auch ohne einen Kuschelkurs mit Nordkorea könnte Moon damit für Spannungen sorgen. Schließlich ist noch offen, wie Trump mit einem Juniorpartner umspringen wird, der ihm nicht nach der Pfeife tanzt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%