Premier Manuel Valls wendet sich ab Hollande verliert seinen letzten Verbündeten

François Hollande steht nach einem Rundumschlag mit seinem Skandalbuch ohne Partner da. Der bislang stets loyale Premierminister Manuel Valls stellt sich gegen den Präsidenten. Doch er wird Hollandes Schatten nicht los.

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Frankreichs Premierminister Manuel Valls (links) will sich endgültig von Francois Hollande emanzipieren. Dabei hat er auch den Präsidentenjob im Auge. Quelle: AFP

Paris Seit Ende März 2014 dient der heute 54-jährige Manuel Valls dem französischen Präsidenten als Premierminister. Nun ist er offenbar bereit, sich gegen seinen Mentor François Hollande aufzulehnen. Valls fürchtet, dass Hollande ihn mit in den Abgrund reißt. Der Präsident hat in Umfragen fast 90 Prozent der Wähler gegen sich. Nach der Veröffentlichung des von zwei Le Monde-Journalisten geschriebenen Buchs über Gespräche mit Hollande, in denen der Staatsgeheimnisse ausplaudert und sich verletzend über aktive Politiker äußert, ist Valls der Kragen geplatzt: „Die Sozialisten schämen sich“, kritisierte er direkt seinen Chef. Der hatte unter anderem über die „notwendige Liquidierung der Sozialistischen Partei“ schwadroniert.

Valls und Hollande sind ein merkwürdiges Tandem. Der in Barcelona geborene Valls ist unglaublich ehrgeizig und recht autoritär. Freigeister wie den früheren Wirtschaftsminister Emmanuel Macron erträgt er nicht. Doch gleichzeitig hat er Hollande zweieinhalb Jahre hindurch sehr loyal gedient. Selber wollte er das Land stark reformieren, im Zusammenspiel mit Macron. Als deutlich wurde, dass Hollande dafür nicht zu haben ist, zog Macron die Konsequenzen, fordert öffentlich einen entschiedeneren Reformkurs und verließ schließlich die Regierung. Er wird in den nächsten Wochen offiziell seine Kandidatur zur Präsidentschaftswahl bekannt geben.

Ganz anders Valls. Der sonst so energische Politiker hat sich von Hollande den Schneid abkaufen lassen. Gegen Hollandes Reform-Absage opponierte er nicht. Vor seinen Freunden hat er das lange mit der Struktur des französischen politischen Systems erklärt: Das gebe nun einmal dem Präsidenten sehr weitgehende Machtbefugnisse, als Premier habe man das zu akzeptieren.

Doch seit der Buchveröffentlichung, die in Frankreich als eine Erniedrigung des Präsidentenamtes und Selbstzerstörung von Hollande gesehen wird, scheint Valls seine Demut zu verlieren. In der Öffentlichkeit tritt er als der Politiker auf, der als sozialistischer Kandidat in den Präsidentschaftswahlkampf 2017 ziehen könnte – anstelle von Hollande. Bei einer Rede in Tours rief er vor ein paar Tagen andere Aspiranten dazu auf, sich ihm anzuschließen. Dabei gab er sich präsidial: „Reden wir über das, was uns verbindet, was wir gemeinsam geschafft haben.“ Die Angesprochenen wie Macron, der selber kandidieren will, lehnten jedoch dankend ab.

Valls hat Verbündete bei den Sozialisten, doch es sind nicht viele. Möglicherweise sind zu wenige, um Hollande an den Rand drängen zu können. Parlamentspräsident Claude Bartolone hasst Hollande, seit der ihn im genannten Buch öffentlich der runtergemacht hat. Er möchte gerne verhindern, dass Hollande als Kandidat antritt. Hier vereinen sich seine Interessen mit denen von Valls.


Probleme mit den Linken

Doch viele linke Sozialisten, die Hollande als Verräter ihre Ideale ansehen, verurteilen Valls erst recht als einen Totengräber des Sozialismus. Der hatte sich schon vor Jahren gegen die 35-Stunden-Woche ausgesprochen und damit ein Tabu der Sozialisten gebrochen. Außerdem warnt er regelmäßig, die Linke könne „sterben“, wenn sie nicht lerne, pragmatischer zu handeln. Damit hat er sich in der Partei mehr Feinde als Freunde gemacht.

Die Ambition, Hollande zu ersetzen, darf man Valls unterstellen. Am 7. Oktober hielt er vor der Delors-Stiftung eine ausführliche europapolitische Rede. Für französische Verhältnisse war das eine Provokation: Die Europapolitik ist die Domäne des Präsidenten, der Premier hat dort keine Befugnisse, zumal wenn er derselben Partei angehört. Valls aber legte – zum ersten Mal, seit Hollande im Amt ist – ausführlich seine Ansichten dar und kritisierte seiner eigene politischen Familie. Sie habe „keine Antwort auf das Ende der Sowjetunion und auf die Globalisierung gegeben.“ Nebenbei erinnerte er noch einmal seine Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik, die in diesem Frühjahr für Aufregung gesorgt hatte.

Doch bislang hat der Premier nicht zu erkennen gegeben, wie er Hollande loswerden will. Der ziert sich noch, seine Kandidatur bekannt zu geben, doch jeder in Frankreich rechnet damit. Peinlich genug ist, dass er bereits eine Urwahl des sozialistischen Kandidaten akzeptiert hat, die im Januar stattfinden soll.

Derzeit tourt Hollande durch ganz Frankreich, in einem inoffiziellen Vorwahlkampf. In Paris und in der Provinz reiht er einen öffentlichen Auftritt an den nächsten. Kein Anlass ist zu gering, um sich in Szene zu setzen: Am Mittwoch weihte der Präsident morgens in der Normandie eine neue Molkerei ein, für den Nachmittag stand eine Visite eines Teilchenbeschleunigers samt Rede auf dem Programm.

Hollande erweckt nicht den Eindruck, als wolle er sich widerstandslos aufs Altenteil schieben lassen. Valls wird kämpfen müssen, wenn er die Kandidatur Hollandes tatsächlich verhindern will. Dabei winkt ihm nur ein bescheidener Preis. Denn selbst wenn der Premier es schafft, von den Sozialisten als Kandidat nominiert zu werden, hat er laut allen Umfragen keinerlei Chance, 2017 in die Stichwahl um die Präsidentschaft einzuziehen. Sogar Macron, der mit 39 Jahren deutlich weniger Erfahrung hat als Valls, hängt ihn ab. Valls würde aber seine Ausgangsbedingungen für den Machtkampf verbessern, der bei den Sozialisten nach der verlorenen Wahl unweigerlich losbrechen wird.

Seine Ambition hat Valls nun zu erkennen gegeben. Man weiß, dass er „den Dolch im Gewande“ führt. Hat er auch den Mut, den Brutus zu spielen und Hollande politisch zu meucheln? Viel Zeit zur Entscheidung wird der ihm nicht mehr lassen. Denn mit seinen Visiten bei Teilchenbeschleunigern und Käsereien versucht Hollande, sein peinliches Buch in Vergessenheit geraten zu lassen. Nun will er sich als einziger denkbarer Versöhner der Sozialisten in Szene zu setzen.

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