Pressefreiheit in China „Bist Du ein ausländischer Spion?“

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Die „Sicht des Westens“

Mehr als wundern aber kann man sich über Menschen, die in einem Rechtsstaat mit freier Presse aufgewachsen sind, aber die strukturellen Unterschiede zwischen freier und zensierter Berichterstattung ignorieren. Auch manche Vertreter der deutschen Wirtschaft sind der Meinung, die deutsche Berichterstattung über China sei zu negativ, weil geschäftsschädigend.

Altlinke stimmen ihnen aus anderen Motiven zu; die freuen sich klammheimlich, dass wenigstens eine Kommunistische Partei auf der Welt überlebt hat. Und rechts außen bewundert man, wie durchsetzungsstark die Regierung in China doch ist.

Sicherlich machen Journalisten Fehler. Sicherlich gibt es Wahrnehmungsschablonen in deutschen Redaktionen und vielleicht auch bei manchen Kollegen. Sie lauten: Das chinesische Wirtschaftswunder ist eine Blase, die bald platzt, ganz China steckt permanent unter einer gigantischen Smog-Glocke, alle Wanderarbeiter werden von Foxconn ausgebeutet und das Regime steckt jeden bis an sein Lebensende ins Gulag, der Kritik äußert.

Propaganda wirkt subtiler

Doch auch jeder meiner Kollegen, der länger als ein halbes Jahr in China ist, weiß, dass die Realität komplexer und vielschichtiger ist. Und gibt sich äußerste Mühe, die Veränderungen, die 1,3 Milliarden Menschen durchleben, abzubilden.

Wer diese höchst diverse Berichterstattung zur „Sicht des Westens“ marginalisiert, hat nichts verstanden. Denn genau die Herstellung dieser Äquidistanz ist das Ziel der Propaganda-Maschine Chinas. Im Wesen unterscheidet sie sich von Putins Lügen und der Hau-drauf-Zensur anderer Diktatoren nur dadurch, dass die chinesische Propaganda feiner und subtiler wirkt.

Monica sah ich nach diesem Tag nicht mehr wieder. Wann immer ich sie fragte, ob sie Zeit habe, mir zu helfen, war sie verhindert. Auch das kann ich ihr nicht übel nehmen: Es ist ein bewährtes Mittel der KP, Assistenten und Übersetzer ausländischer Korrespondenten unter Druck zu setzen.

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