Prozess gegen Südkoreas Staatschefin Wichtige Zeugenaussagen in Polit-Affäre erwartet

Am Dienstag könnte Bewegung in den Prozess gegen die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye kommen. Eine ihrer langjährigen Vertrauten soll vor Gericht aussagen. Die Staatschefin könnte ihr Amt verlieren.

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Die südkoreanische Präsidentin wird wohl nicht bei Gericht erscheinen. Quelle: dpa

Seoul Nach wochenlangen Massenprotesten liegt die Zukunft von Park Geun Hye nun in der Hand des Verfassungsgerichts. Persönlich wird die südkoreanische Präsidentin wohl nicht vor den Richtern erscheinen. Trotzdem steht sie in dem Verfahren zu ihrer Amtsenthebung natürlich ganz im Rampenlicht. Bis ein Urteil gefällt wird, könnten Monate vergehen. Ein wichtiger Termin ist aber schon für Dienstag geplant. Dann nämlich soll Parks langjährige Vertraute Choi Soon Sil befragt werden. Sie gilt als Schlüsselfigur in dem Korruptionsskandal, der das Land in Atem hält.

Park wird die Zeit bis zur Entscheidung im Präsidentenpalast verbringen - allerdings ohne Macht. Die laufenden Geschäfte hat der Ministerpräsident Hwang Kyo Ahn übernommen. Ihm kommt bis auf Weiteres die Aufgabe zu, der schwächelnden Wirtschaft Südkoreas wieder neuen Schwung zu verleihen und gleichzeitig die Wut der Bevölkerung auf das politische System zu besänftigen. Das Verfahren wird derweil mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgt.

Die Anklage wird von den Abgeordneten der Opposition vertreten, die im Dezember die Aufnahme des Verfahrens veranlasst hatten. Angeführt werden sie von Kweon Seong Dong, dem Vorsitzenden des Rechtsausschusses im Parlament. Zu einer Amtsenthebung kommt es dann, wenn mindestens sechs der neun Richter des Gerichts dem Antrag zustimmen. Sollte das geschehen, müsste innerhalb von 60 Tagen eine neue Präsidentin oder ein neuer Präsident gewählt werden.

Zu den Vorwürfen, die Park zur Last gelegt werden, zählen Erpressung, Bestechung, Missbrauch des politischen Amtes und die unerlaubte Weitergabe geheimer Dokumente. Nach Ansicht der Anklage fügte die Präsidentin damit der Demokratie und der Marktwirtschaft des Landes großen Schaden zu.

Gemeinsam mit Choi, die keine offizielle Rolle in der Regierung hatte, und dem ranghohen Berater Ahn Jong Beom soll Park heimische Unternehmen dazu genötigt haben, eine Gesamtsumme von umgerechnet mehr als 60 Millionen Euro an zwei von Choi kontrollierte Stiftungen zu spenden. Park soll Ahn außerdem damit beauftragt haben, mehrere Unternehmen dazu zu drängen, lukrative Geschäfte an Werbe- und Sportmanagement-Agenturen von Choi zu vergeben. Die Unternehmen hätten die Forderungen laut Anklage nicht abweisen können, weil sie Schwierigkeiten beim Erhalt offizieller Genehmigungen für Projekte sowie Behinderungen durch zusätzliche Steuerprüfungen zu befürchten gehabt hätten.

Die Präsidentin soll aber auch direkt zu Schmiergeldzahlungen aufgefordert haben: Im Gegenzug für Überweisungen an die Stiftungen von Choi soll sie den Unternehmen Gefälligkeiten von Seiten der Regierung in Aussicht gestellt haben. Das Gericht wird darüber hinaus Vorwürfe prüfen, nach denen Park dafür gesorgt haben könnte, Geschäftspartner von Choi in Staatsämter zu bringen und Medienberichte zu verhindern. Auch der Umgang der Präsidentin mit einem Schiffsunglück, bei dem 2014 mehr als 300 Menschen ums Leben kam, wird untersucht.


Choi ist selbst angeklagt

Choi sitzt in einem separaten Prozess selbst auf der Anklagebank. Im Amtsenthebungsverfahren gegen Park wird sie am Dienstag aber nur als Zeugin vernommen. Am selben Tag werden auch Ahn und Jung Ho Sung, ein weiterer früherer Berater der Präsidentin, vor Gericht erwartet. Beide sollen in hunderten Fällen vertrauliche Informationen an Choi weitergereicht haben.

Die Anklage fordert zudem eine Befragung des ehemaligen Stabschefs Kim Ki Choon, der tausende kritisch gegenüber Park eingestellte Künstler auf eine Schwarze Liste hat setzen lassen sollen sowie des designierten Samsung-Erben Lee Jae Yong - die Präsidentin soll unter anderem Regierungsbeamte angewiesen haben, eine umstrittene Fusion zweier Tochterfirmen des Großkonzerns zu genehmigen.

Die Strategie der Verteidigung dürfte die sein, auf Zeit zu spielen. Park kann nicht dazu gezwungen werden, selbst vor den Richtern zu erscheinen. Und da die Beliebtheitswerte der Präsidentin wegen des Skandals im Keller sind, dürften die Anwälte es vermeiden wollen, dass sie öffentlich in die Mangel genommen wird. Stattdessen könnten sie zunächst fordern, dass die Anklage ihre Vorwürfe mit weiteren Beweisen belegt - in der Hoffnung, dass das Urteil umso milder ausfällt, je länger das Verfahren sich hinzieht.

Wie lange der Prozess am Ende dauern und wie er ausgehen wird, ist schwer vorauszusehen. Bisher hatte das südkoreanische Parlament nur in einem anderen Fall ein Amtsenthebungsverfahren gegen ein Staatsoberhaupt veranlasst: Damals, im Jahr 2004, setzte das Verfassungsgericht den inzwischen verstorbenen Präsidenten Roh Moo Hyun nach zwei Monaten wieder ins Amt zurück, weil es die vorgebrachten Gründe als nicht ausreichend ansah.

Im aktuellen Fall wiegen die Vorwürfe allerdings deutlich schwerer. Gleichzeitig sind die tief reichenden Verwicklungen der Affäre so komplex, dass Experten mit einem sehr viel längeren Verfahren rechnen. Die gesetzlichen Regeln sehen vor, dass die Richter des Verfassungsgerichts innerhalb von sechs Monaten zu einem Urteil kommen müssen - das würde heißen, spätestens am 6. Juni. Diese Fristen wurden aber schon oft ignoriert.

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