Raketen statt Olympia Warum Nordkorea nicht mit Seoul reden will

Südkoreas neuer Präsident Moon will den Norden mit gemeinsamen Projekten ködern. Zwischen 2000 und 2007 hat das Rezept funktioniert. Doch diesmal gibt es ein Problem.

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Der südkoreanische Präsident Moon Jae In. Quelle: dpa

Seoul Seit die Liberalen im Mai an die Macht in Seoul zurückgekehrt sind, macht Südkorea seinem Erzrivalen im Norden Angebote zur Zusammenarbeit. Südkoreas neuer Präsident Moon Jae In glaubt, die Spannungen wegen Nordkoreas Atomwaffenprogramm ließen sich am besten durch Vereinbarungen zwischen den beiden Staaten entschärfen. Doch Nordkorea beißt nicht an. Pjöngjang will gar nicht verhandeln, zumindest nicht mit Südkorea.

Stattdessen hat Nordkorea eine Rakete nach der anderen getestet und droht jetzt mit einem Angriff auf den US-Stützpunkt Guam im Pazifik. Damit demonstriert die Führung des hochgerüsteten Landes, dass sie die USA als eigentlichen Ansprechpartner betrachtet. Das zwingt Moon zu einer Politik, die seinen Neigungen widerspricht.

Die letzten offiziellen Verhandlungen zwischen Nord- und Südkorea gab es im Dezember 2015. Seither treibt Nordkorea sein Rüstungsprogramm mit Atomtests und Raketenstarts voran.

Moon setzte dem die Ankündigung entgegen, an die sogenannte Sonnenscheinpolitik seiner liberalen Vorgänger Kim Dae Jung und Roh Moo Hyun anzuknüpfen. Diese hatten Nordkorea wirtschaftliche Anreize gegeben, um in den Dialog zu treten. Das hatte zu einer zeitweiligen Annäherung der beiden Koreas geführt mit den historischen Treffen der Staatschefs beider Seiten in den Jahren 2000 und 2007 als Höhepunkt.

Moon schlug vor, die Lage auf der Koreanischen Halbinsel durch Zusammenarbeit bei „einfachen“ Themen zu entschärfen. Durch Gespräche könnten die Feindseligkeiten an der schwer bewachten Grenze zwischen beiden Staaten reduziert werden, sagte er zwei Tage nachdem Nordkorea den Test einer Rakete verkündet hatte, die die USA treffen könne. Außerdem sollten wieder Treffen zwischen Verwandten möglich werden, die der Koreakrieg zwischen 1950 bis 1953 auseinandergerissen hatte.

Außerdem lud Moon Nordkorea ein, an den Olympischen Winterspielen im kommenden Februar im südkoreanischen Pyeongchang teilzunehmen. Langfristigere Projekte könnten eine Eisenbahnstrecke über die Grenze sein und eine Erdgasleitung, die beide Staaten mit Russland verbinde.

Wenn die Voraussetzungen stimmten, sei er auch zu einem Treffen mit Nordkoreas Staats- und Parteichef Kim Jong Un bereit, sagte Moon. Nordkorea könne seine Sicherheit nur durch eine „vollständige, überprüfbare und unumkehrbare Entnuklearisierung“ sichern, sagte der südkoreanische Präsident und verurteilte den Raketentest.


Nichts außer Verhöhnung und die nächste Rakete

Doch Nordkorea ging auf Moons Vorschläge nur mit höhnischen Kommentaren ein – und testete Ende Juli die nächste Rakete.

Moon will, dass sein Land eine führende Rolle bei der Beilegung des Nuklearstreits mit Nordkorea übernimmt. Deshalb ist es für ihn entscheidend, wieder mit Pjöngjang ins Gespräch zu kommen. Nach Ansicht von Analysten zeigen die Langstreckenraketentest jedoch, dass Nordkorea nur mit den USA reden will, nicht aber mit der Regierung in Seoul. Deshalb sei es an Moons Vorschlägen auch nicht interessiert.

Noch sind Nordkoreas Langstreckenraketen nicht wirklich funktionstüchtig. Das Land muss also weiter testen. Wenn es die USA aber einmal mit Atomwaffen bedrohen kann, dürfte es versuchen, die Allianz zwischen den USA und Südkorea zu untergraben.

Mit ihren Atomwaffen als Trumpfkarte könnte die Führung in Pjöngjang Friedensverhandlungen mit den USA anstreben, um den Koreakrieg offiziell zu beenden. Bislang gibt es lediglich einen Waffenstillstand. Hauptforderung Nordkoreas dabei: Der Abzug der Zehntausenden US-Soldaten aus Südkorea.

Außerdem verlangt Pjöngjang ein Ende der alljährlichen Militärübungen der USA und Südkoreas. Dann dürfte es versuchen, seine von jahrelangen internationalen Sanktionen geschwächte Wirtschaft wiederzubeleben und neue Märkte für seine billigen Produkte und Arbeitskräfte zu finden.

Diese Ziele sind Pjöngjang offenbar wichtiger als alles, was ihm Südkorea bieten könnte.


Viel kritisierte „harte Linie“ nun eine Option

Als Moon noch Oppositionsführer war, profilierte er sich als Kritiker der damaligen konservativen Regierung, die gegenüber Pjöngjang eine harte Line verfolgte. Moon kritisierte, das stoppe die Rüstungsanstrengungen Nordkoreas nicht und führe nur dazu, dass Südkorea in der Auseinandersetzung an Gewicht verliere. Doch Nordkoreas Unnachgiebigkeit könnte Moon jetzt das gleiche Schicksal bescheren, wie seiner unmittelbaren Vorgängerin Park Geun Hye. Diese hatte zunächst auch mehr Flexibilität gegenüber Pjöngjang versprochen.

Nach dem zweiten Langstreckentest im Norden gab auch Moon eine harte Antwort. Er ordnete Militärgespräche mit den USA an, bei denen es um schwerere Gefechtsköpfe für südkoreanische Raketen gehen soll. Außerdem soll das US-Raketenabwehrsystem THAAD in Südkorea ausgebaut werden.

Südkoreas Konservativen geht das nicht weit genug. Sie fordern zusätzliche Sanktionen gegen und mehr Druck auf Nordkorea. Moons Gesprächsvorschläge in Richtung Pjöngjang seien eine ziemlich einseitige Liebesaffäre, urteilen sie.

Der Analyst Hong Min vom Institut für Nationale Wiedervereinigung in Seoul sieht dagegen noch eine Chance für Moons Ansatz. Pjöngjang könnte darauf eingehen, wenn die jüngst noch einmal verstärkten UN-Sanktionen gegen Nordkorea in den nächsten Monaten effektiv umgesetzt werden, sagt er. Allerdings müsse sich die Regierung in Seoul an den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft um eine Lösung beteiligen und dürfe nicht so tun, als gehe es nur darum, wer dabei die Führung übernimmt.

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