Referendum in Norditalien Historisch oder Geldverschwendung?

Regionale Autonomiebestrebungen bereiten im Zuge der Katalonien-Krise Sorgen. In Italien stimmen zwei der reichsten Regionen über mehr eigene Kompetenzen ab. Die Meinungen über den Sinn des Referendums gehen auseinander.

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Der Präsident von Venetien, Luca Zaia, gibt seine seiner Stimme ab. Quelle: dpa

Rom Im Schatten der Katalonien-Krise haben in Italien die Menschen in den wirtschaftsstarken Regionen Lombardei und Venetien über mehr Autonomie von der Regierung in Rom abgestimmt. Zu den Referenden am Sonntag in zwei der reichsten Gegenden des Landes waren rund zehn Millionen Menschen aufgerufen. Sie sollten entscheiden, ob ihre Regionalregierungen mehr Kompetenzen bekommen – vor allem, um das hier erwirtschaftete Geld in der Region halten. Im Gegensatz zu der spanischen Region Katalonien geht es nicht um die Unabhängigkeit.

Die Referenden sind rechtlich nicht bindend. Sie sollen vielmehr den jeweiligen Regionalvertretern mehr Gewicht in Verhandlungen mit der Regierung in Rom geben. Im Lichte der Katalonien-Krise, in der sich die reiche spanische Region von der Zentralregierung in Madrid lossagen will, werden auch die Abstimmungen in Italien mit Spannung verfolgt.

Die Wahllokale sind bis 23 Uhr geöffnet, Ergebnisse werden in der Nacht zu Montag erwartet. Entscheidend wird die Wahlbeteiligung sein. Während in Venetien ein Hürde von 50 Prozent übersprungen werden muss, gilt in der Lombardei mit der Wirtschaftsmetropole Mailand kein solches Quorum. Der Präsident der Region, Roberto Maroni, hofft auf eine Wahlbeteiligung von mehr als 34 Prozent. „Ich hoffe, dass die Bürger in der Lombardei und in Venetien verstehen, dass dies eine historische und außerordentliche Gelegenheit ist“, sagte Maroni.

Am Mittag lag die Wahlbeteiligung in der Lombardei bei knapp elf Prozent und in Venetien bei rund 21 Prozent.

Antreiber der Autonomiebestrebungen ist die Partei Lega Nord, die einst gegründet wurde, um den reichen Norden vom armen Süden Italiens abzuspalten. Die Partei stellt auch die beiden Regionalpräsidenten in Venetien und der Lombardei. Mittlerweile hat die Lega Nord eine fremdenfeindliche Ausrichtung und verfolgt das Ziel der Abspaltung nicht mehr offensiv.

Die Parteiführung hatte mehrmals darauf hingewiesen, dass die Volksbefragungen am Sonntag im verfassungsrechtlichen Rahmen ablaufen werde und die Unabhängigkeit von Italien kein Thema sei. „Wir haben seit jeher gesagt, dass wir diesen Weg zur Autonomie wollen, wir machen das auf demokratischem und legalem Weg, im Einklang mit der Verfassung“, sagte der Präsident von Venetien, Luca Zaia. Auch Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi von der konservativen Forza Italia hatte für das Referendum getrommelt.

„Diese beiden Referenden sind legitim, während es das in Katalonien nicht war. Und das katalanische Referendum war für eine Unabhängigkeit, während das in der Lombardei und in Venetien für mehr Autonomie ist“, sagte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani der Zeitung „Il Messaggero“.

Unter anderem wollen die Lombardei und Venetien mit Touristenhochburgen wie Verona und Venedig das Geld, das sie erwirtschaften, in der Region halten. Rom verschlingt in ihren Augen das ganze Geld. Die Lombardei spricht zum Beispiel von 54 Milliarden Euro, die sie an Steuern an Rom überweisen.

Kritiker monieren, dass die Referenden Geldverschwendung seien, weil sich rechtlich sowieso nicht bindend seien und nur als politisches Mittel eingesetzt würden.

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