Reform der EU So könnten die neuen Asylregeln aussehen

Die Flüchtlingskrise bringt die EU-Staaten an den Rand der Solidarität: Welches Land soll den Menschen Zuflucht gewähren? Und wer soll in Zukunft verantwortlich sein? Die EU-Kommission bringt neue Asylregeln ins Spiel.

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Warten auf die Weiterreise: In Idomeni sitzen Tausende Menschen fest. Quelle: AFP

Brüssel Ein Migrant kommt nach Europa – wer ist für ihn zuständig? Auf diese Frage gibt das europäische Recht eigentlich eine ziemlich klare Antwort. Meist lautet sie: Der Staat, in dem die Person zum ersten Mal den Boden der Europäischen Union betritt. Das legen die sogenannten Dublin-Regeln fest.

Doch dieses System stößt längst an seine Grenzen – die Flüchtlingskrise hat es aufgeweicht. Grenzen wurden geschlossen, Stacheldrahtzäune errichtet, wo es eigentlich offenen Grenzen geben sollte. Auch Grenzkontollen wurden eingeführt, die Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze will Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Mai wieder aufheben, weil die Zahl der Flüchtlinge deutlich zurückgegangen sind. Andere Grenzen bleiben kontrolliert, manche Länder denken über eine Einführung der Kontrolle nach.

Bis heute funktioniert noch nicht einmal die europaweite Verteilung von 160.000 Flüchtlingen über einen Notfallmechanismus. Es gibt so genannte Elendslager wie das an der griechisch-mazedonischen Grenze in Idomeni, in dem Menschen unter einfachsten Bedingungen leben müssen und auf Weiterreise warten.

Nun hat die EU zu einem Deal mit der Türkei abgeschlossen: Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei bei gleichzeitig Aufnahme von Migranten in der EU. Zwar läuft die Rückführung an, doch was sie bringt, wird sich erst noch zeigen.

Nun diskutiert die EU-Kommission über eine Asyl-Reform, erste Ideen dazu will sie an diesem Mittwoch vorlegen. Ein Entwurf des Papiers zeigt die ersten Vorschläge. Ein Überblick:

Was ist das Problem?

In den vergangenen Jahren haben die Dublin-Regeln zuerst zu einer besonderen Belastung Italiens, dann Griechenlands geführt. Denn in den Ländern Südeuropas kommen die meisten Bootsflüchtlinge an.Die EU-Kommission unterstreicht im Entwurf ihres Reformpapiers zur Asylpolitik: „Das derzeitige System weist die Verantwortung (...) für die große Mehrheit der Asylbewerber einer begrenzten Zahl einzelner Mitgliedsstaaten zu.“ Dies würde jedes Land vor eine Bewährungsprobe stellen, so die Behörde.


Wer solle entscheiden?

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Was schlägt die EU-Kommission vor?

Sie plädiert dafür, dass es weiterhin klare Regeln für die Zuständigkeit im Asylbereich gibt. In jedem Fall soll der erste EU-Staat, den Migranten betreten, für Identifizierung, Registrierung, die Abnahme von Fingerabdrücken zuständig sein. Falls die Ankömmlinge nicht als schutzbedürftig eingestuft werden, würde er sich um die Abschiebung kümmern.

Darüber hinaus schlägt sie zwei Möglichkeiten vor. Option 1: Alles bleibt mehr oder weniger beim Alten. Doch wenn viele Asylbewerber in ein einzelnes Land kommen, dann soll ein zuvor festgelegter „Fairness-Mechanismus“ greifen und die anderen EU-Staaten würden dem Land Flüchtlinge abnehmen. Einen ähnlichen Vorschlag hat die EU-Kommission bereits im September gemacht.

Option 2: Asylbewerber stellen in irgendeinem EU-Staat ihren Antrag, werden dann aber nach einem Schlüssel umverteilt. Bei dem Schlüssel spielen die Größe eines Landes, sein Reichtum und seine „Aufnahmekapazitäten“ eine Rolle. Auch familiäre Bindungen der Bewerber würden berücksichtigt. Gegenüber dem Ist-Zustand wäre das eine „grundlegende Änderung“, wie die EU-Kommission schreibt.

War nicht auch die Rede von einer Verlagerung der Entscheidungen auf die europäische Ebene?

Ja, diesen Teil des Papiers formuliert die EU-Kommission aber äußerst vorsichtig. Langfristig solle überlegt werden, ob die Entscheidung über Asylanträge nicht von der nationalen auf die EU-Ebene verlagert werden könnte, zum Beispiel an die EU-Asylagentur EASO. Es gäbe einen „einzigen und zentralisierten Entscheidungsprozess“, schreibt die Behörde in ihrem Entwurf. Verteilt würden die Flüchtlinge dann über einen Schlüssel. Dass so eine „weitreichende Lösung kurz- und mittelfristig schwer vorstellbar“ ist, schreibt die EU-Kommission selbst. Denn dafür müsste das europäische Asylsystem komplett umgebaut werden.

Haben diese Gedankenspiele Aussicht auf Erfolg?

Wenig. Denn beim Asyl geht es um Kernfragen der nationalen Souveränität. Insbesondere osteuropäische Länder wehren sich gegen eine solche Einmischung. Allein die zum Teil gegen große Widerstände vereinbarte Umverteilung von bis zu 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland in andere EU-Staaten binnen zwei Jahren kommt kaum voran. Dass die grundlegenden Reform-Überlegungen der EU-Kommission eine Mehrheit finden, wo zuvor schon deutlich weniger ehrgeizige Vorhaben ausgebremst wurden, ist unwahrscheinlich. Allerdings ist das aktuelle Papier auch nur eine Diskussionsgrundlage. Konkrete Gesetzesvorschläge sollen später folgen.

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