Reformdebatte Wie die EU den Euro krisenfest machen will

Ein wohlhabender Norden und ein verschuldeter Süden. Die Debatte über Reformen der Europäischen Union gewinnt an Fahrt. Nun nimmt sich die EU-Kommission das Herzstück vor: die Wirtschafts- und Währungsunion.

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„Das Problem der Eurozone ist heute, dass sie nicht für Konvergenz ihrer Mitgliedstaaten sorgt“, sagt EU-Kommissar Pierre Moscovici. Quelle: Reuters

Brüssel Vor fünf Jahren wollte manch einer keinen Cent mehr auf den Euro wetten – auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise schien die Gemeinschaftswährung auf der Kippe. Der Untergang blieb aus. Aber rund läuft es in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion auch nicht. Von Reformbedarf ist seit Jahren die Rede, am Mittwoch nun hat die Europäische Kommission ihre Vorschläge für die Zeit bis 2025 präsentiert. Dann soll die Wirtschafts- und Währungsunion vollendet sein, wie Finanzkommissar Pierre Moscovici sagte.

Warum braucht man überhaupt eine Reform?

Die Währungsunion – angelegt mit dem Maastricht-Vertrag von 1992 angelegt – hatte von Anfang an ein Problem, das nach der großen Finanzmarktkrise massiv zutage trat: Man führte eine gemeinsame Währung ein, aber die Finanz- und Wirtschaftspolitik blieb in der Hand der Einzelstaaten. Vereinbarte Schulden- und Defizitregeln waren extrem schwer durchzusetzen. Und echte Gemeinschaftsinstrumente wie Eurobonds blieben verpönt. In der Krise drifteten die derzeit 19 Staaten der Eurozone auseinander.

Wieso ist das ein Problem?

EU-Kommissar Moscovici nennt krasse Beispiele: Italien ist doppelt so hoch verschuldet wie Deutschland. Deutschland hat einen doppelt so hohen Leistungsbilanzüberschuss wie der Durchschnitt der Eurozone und eine halb so hohe Arbeitslosigkeit. „Das Problem der Eurozone ist heute, dass sie nicht für Konvergenz ihrer Mitgliedstaaten sorgt“, sagt Moscovoci. Gemeint ist die wirtschaftliche Angleichung. Die Folge ist eine Spaltung zwischen dem wohlhabenderen Norden, der sich über Rettungsaktionen für Schuldenstaaten aufregt, und dem Süden, der sich vom Wachstum abgeschnitten fühlt. Eine dauerhafte Zweiteilung des Währungsraums aber wäre für Moscovici „das Ende des Euro“, mit dem derzeit 340 Millionen Europäer zahlen.

Was will die Kommission?

Sie trägt eher vorsichtig eine Sammlung von Ideen vor, die in zwei Phasen angepackt werden sollen: bis 2019 die Umsetzung vorhandener Konzepte, danach weiterreichende Vorschläge. In der ersten Phase soll es um die weitere Stärkung der Banken und Kapitalmärkte gehen. Konkret wird zum Beispiel eine „finanzielle Letztsicherung“ des Bankenabwicklungsfonds und eine europäische Einlagensicherung gefordert. Die von Moscovici angemahnte „Konvergenz“ soll durch bessere gemeinsame Standards für Wirtschafts- und Sozialsysteme erreicht werden. Instrument ist das „Europäische Semester“, ein längst eingeführter komplexer Prüfzyklus der Kommission für die Mitgliedsländer. Feste Gesprächskanäle zum Europaparlament sollen die demokratische Kontrolle der Eurozone verbessern.

Und wie geht es im nächsten Jahrzehnt weiter?

Für die zweite Phase von 2020 bis 2025 hat die Kommission einen kontroversen Vorschlag in petto: eine „europäische sichere Anlage“ beschrieben als „Finanzinstrument für die gemeinsame Emission von Schuldtiteln“. Mit Eurobonds und einer gemeinsamen Haftung für Schulden soll das aber nichts zu tun haben. Für das kommende Jahrzehnt nimmt sich die Kommission auch die dickeren Bretter institutioneller Reformen vor. So soll ein ständiger hauptamtlicher Vorsitzender der Euro-Gruppe kommen, aus der Euro-Gruppe soll ein offizieller EU-Rat werden. Für die Zeit werden auch ein „Schatzamts“ und ein Europäischer Währungsfonds ins Auge gefasst. Das Papier ist hier aber vage und zurückhaltend.

Welche Chancen hat das?

Reformen an sich sind wahrscheinlich – die Frage ist, wie weit sie gehen und wie schnell sie kommen. Für tiefgreifende Neuerungen wie einen echten EU-Finanzminister mit eigenem Haushalt müssten wohl die EU-Verträge geändert werden, was als extrem schwierig und langwierig gilt. Für solche weiterreichenden Ideen setzt sich aber der frisch gewählte französische Präsident Emmanuel Macron ein. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schloss Vertragsänderungen zuletzt nicht mehr aus.

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