Reformen in Russland Wladimir Putins letzte Chance

Während der 16-jährigen Regentschaft von Wladimir Putin ist der Staatsanteil an der russischen Wirtschaft von 10 auf mehr als 50 Prozent gestiegen. Putin braucht eine neue Wirtschaftspolitik, wenn er im Amt bleiben will.

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Wie Muskelprotz Putin sich fit hält
In Sotschi ließ sich Sportfan Wladimir Putin nicht nur auf den Tribünen blicken. Hier posiert er mit Teilnehmern der Paralympischen Spiele. Quelle: dpa
Mit schicker Sonnenbrille... Quelle: rtr
...verfolgte er die Wettkämpfe auf den Pisten von Krasnaya Polyana. An seiner Seite: der russische Sportminister Vitaly Mutko. Quelle: dpa
Hier geht es im Sessellift mit Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew (Mitte) auf den Berg – zur nächsten Abfahrt. Quelle: rtr
Um ein wenig Muskeln aufzubauen, hat Wladimir Putin als schmächtiger Junge den Nutzen von Judo erlebt. 2005 stieg er zu Showzwecken noch einmal auf die Matte. Quelle: AP
Mit seinen Kampfsportkenntnissen – die er hier bei einer Trainingsstunde in St. Peterburg noch einmal vorführte – konnte sich der als schwächlich beschriebene „Wolodja“ in seiner Heimatstadt gegen stärkere Nachbarjungs verteidigen. Quelle: REUTERS
Legendär sind die Aufnahmen, die Putin in freier Wildbahn zeigen. Hier als Indiana-Jones-Double in Sibirien... Quelle: AP

Eigentlich müssten die Russen ihrem Präsidenten Wladimir Putin massiv die Unterstützung entziehen: Der Rubel bricht mit dem Ölpreis ein, die zweistellige Inflation entwertet die Ersparnisse der Russen und mindert so deren Lebensstandard, die Wirtschaftsleistung sinkt rapide und liegt kaum mehr über der deutlich kleinerer Länder wie Italien oder der Türkei, einem von Putins neuen politischen Kontrahenten. Doch trotz der schweren Wirtschaftskrise ist die Popularität Putins, des Allrounders mit eingebauter Reformresistenz, innerhalb Russlands ungebrochen. Diese Unterstützung für Putin ist aber alles andere als für die Ewigkeit garantiert.

Wenn Putin nicht kurzfristig zur Reform der überkommenen Wirtschaftsstrukturen Russlands ansetzt, wird seine Macht bröckeln. Ein dauerhaftes Absinken ihres Lebensstandards werden die Russen ihm nicht verzeihen. Zu sehr fußt Russlands ökonomische Krise auf einer Ansammlung von Putins ökonomischen Fehlleistungen: Statt freie Unternehmer und ihre Ideen zu fördern, stieg während Putins 16-jähriger Regentschaft der Staatsanteil an der russischen Wirtschaft von 10 auf mehr als 50 Prozent. Statt Anreize zur Weiterverarbeitung von Öl im Inland zu schaffen, entwickelte er ein Steuersystem, das bloße Rohölexporte begünstigt.

Statt dass Korruption und Bürokratie abgebaut wurden, wuchert in Russland ein korruptes Justiz- und Zollsystem. Nicht zuletzt schuf Putin mit seiner unberechenbaren Außenpolitik ein Klima der Unsicherheit für Investoren: Wer als Russe früher in Russland investiert hätte, schafft sein Geld heute lieber ins Ausland; internationale Investoren machen ohnehin einen Bogen um den Risikomarkt. Der Weg zur Weltmarktfähigkeit ist also weit.

Solange sich Russen mit ihren Ideen im Silicon Valley selbstständig machen, weil sie in Russland keinen Kredit bekommen, solange ein Mittelständler des Erfolgs wegen von größeren Wettbewerbern enteignet wird, weil Letzterer die Gerichte bestechen kann, solange Banken selbst Konzernen für den Bau einer petrochemischen Fabrik keine langfristigen Kredite bewilligen – so lange wird dieses Land in der Stagnation feststecken. Beheben lässt sich die Schieflage nur, wenn Putin Russland aus der selbst gewählten Isolation holt und sich dem internationalen Wettbewerb stellt. Das Land braucht ein moderneres Bildungssystem statt mehr Militär. Rechtssicherheit muss her, Korruption und Bürokratie müssen bekämpft werden. Noch bestimmt nicht der Ölpreis Putins Schicksal, sondern er selbst. Aber nicht mehr lange.

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