Regierungsbildung in Katalonien Die große Show um Puigdemont

Carles Puigdemont steckt politisch in der Sackgasse. Ihm bleibt nur die Rolle des Störers. Doch seine Aktionen werden an Kraft verlieren, wenn Katalonien einen neuen, legitim vereidigten Präsidenten hat. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die geplante Vereidigung des abgesetzten katalanischen Regierungschefs ist nichts als pure Show. Quelle: Reuters

Madrid Jetzt ist es amtlich: Der neue katalanische Parlamentschef hat den abgesetzten Regierungschef Carles Puigdemont als einzigen Kandidaten für den Posten des Regierungschefs benannt. Das ist eine neue Provokation für Madrid. Puigdemont will sich von Brüssel aus vereidigen lassen, weil in Spanien ein Haftbefehl wegen Rebellion gegen ihn vorliegt. Die spanische Regierung hat wiederholt klar gemacht, dass eine Amtseinführung aus der Ferne gegen die Regeln des katalanischen Parlaments verstößt. Auch die Rechtsexperten des Parlaments in Barcelona kommen zu demselben Schluss.

Das bedeutet: Sollte die separatistische Mehrheit der Abgeordneten Puigdemont trotzdem wählen, würde seine Regentschaft wohl kaum Bestand haben. Madrid wird dagegen vor dem Verfassungsgericht klagen, das die Wahl voraussichtlich für nichtig erklären wird. Einigen sich die Separatisten danach nicht auf einen anderen Kandidaten, gibt es Neuwahlen. Die Chance, dass Puigdemonts Liste dann erneut stärkste Kraft im Lager der Separatisten wird, ist gering.

Zudem dürften die Separatisten kein Interesse an einem neuen Urnengang haben – die Gefahr wäre groß, dass sie dann ihre parlamentarische Mehrheit verlieren. Der Grund: Kurz vor Weihnachten war die Wut über die Polizeigewalt während des illegalen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober und die anschließende Zwangsverwaltung der Region noch frisch. Mit der Zeit aber wird sie verblassen.

Es spricht deshalb viel dafür, dass Puigdemonts geplante Vereidigung nichts weiter ist als eine große Show ist, ein Tribut an seine Wähler. Denen hat er als zentralen Punkt im Wahlkampf versprochen, erneut als Präsident zurückzukehren, sollte er die Wahl gewinnen. Über eine Million Katalanen haben ihm daraufhin ihre Stimme gegeben und seine Liste zur stärksten im Block der Separatisten gemacht.

Doch wie viele Versprechen der Separatisten wird auch dieses gerade von der Realität eingeholt. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Politik der Konfrontation Katalonien der Unabhängigkeit kein Stück näher bringt. Im Gegenteil: Ihre Vordenker befinden sich größtenteils im Gefängnis oder sind nach Brüssel geflohen.

Doch Puigdemont ist ein Kämpfer und die Rolle des Störers scheint dem ehemaligen Journalisten auf den Leib geschrieben. Er wird sich auch ohne Amt weiter als legitimen Präsidenten Kataloniens und als Opfer eines despotischen Staates präsentieren, der den Willen des katalanischen Volkes ignoriert.

Doch er wird nach und nach die Kraft verlieren, Spanien mit seinen Aktionen in Atem zu halten. Montagfrüh verfolgte ganz Spanien gebannt und in TV-Sondersendungen seine Reise nach Kopenhagen. Dort nimmt er am heutigen Montag an einer Konferenz teil und trifft am Dienstag dänische Abgeordnete. Die spanische Staatsanwaltschaft beantragte umgehend nach Puigdemonts Abflug aus Brüssel einen europäischen Haftbefehl, um ihn in Kopenhagen festnehmen zu lassen. Doch der zuständige Richter in Madrid entschied am Mittag, den Haftbefehl weiter ausschließlich für Spanien aufrecht zu erhalten. So kann die spanische Justiz festlegen, für welche Straftaten Puigdemont zur Rechenschaft gezogen wird.

Die Aufmerksamkeit für derartige Reisen und Schachzüge von Puigdemont wird nachlassen, wenn Katalonien einen neuen, tatsächlich legitim ernannten Präsidenten hat. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass er Konflikt sich so bald beruhigt. Denn auch Madrid hat kein Interesse an einer Lösung. In der spanischen Hauptstadt läuft gerade einer der größten Korruptionsprozesse, in dessen Zentrum die konservative Partei des spanischen Premiers Mariano Rajoy steht. Dem dürfte es daher sehr recht sein, wenn sich die öffentliche Aufmerksamkeit weiter voll auf Katalonien richtet.

Eine harte Haltung gegenüber den Separatisten bringt ihm zudem Sympathien im Rest des Landes ein. In dieser Logik hat Rajoy am Montag die Bitte des katalanischen Parlamentspräsidenten nach einem Treffen ausgeschlagen, bei dem die Möglichkeiten einer Regierungsbildung in Katalonien erörtert werden sollten.

Der Streit verunsichert Unternehmen und Investoren - und schadet damit sowohl Katalonien als auch Spanien. Aber er nützt politisch beiden Seiten und wird deshalb so schnell nicht enden.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%