Heute ist die Sicht klar. Normal ist das nicht. „Die Luftverschmutzung macht mir am meisten Sorgen“, sagt Nathan. An schlechten Tagen kratzt es den Basketballspieler im Hals, die Augen tränen. Die Luft ist dann trüb und schmeckt sauer, Sport lässt er lieber. 5.000 Yuan, umgerechnet 600 Euro, verdient Nathan – doppelt so viel wie die meisten Fabrikarbeiter. Ein Auto zu kaufen, ist noch unrealistisch. Aber er hat Pläne. „Erst eine Wohnung, dann ein Auto, am besten einen Audi“, sagt er.
Bei Chinas neuer Mittelschicht steht ein Auto nicht nur für Mobilität, sondern auch für Status. Seit einigen Jahren sind Benzinmotorräder verboten, heute sind Elektroroller das Fortbewegungsmittel für alle, die sich kein Auto leisten können. Hauptverursacher des Smogs sind ohnehin nicht die Autos, sondern die alten Kohlekraftwerke, die – auch – den Strom für die Elektroroller produzieren. Zwar liefert ein Wasserkraftwerk aus der Provinz Yunnan Energie für fünf Millionen Haushalte über eine innovative, 1.400 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstromleitung, die Siemens gebaut hat. Zugleich aber sind elf Kohlekraftwerke im Bau, weitere elf in Planung. Laut Greenpeace sind die 96 Kraftwerke in der Region für mehr als 3.600 Todesfälle im Jahr verantwortlich.
Die Region leidet unter den für die Atemwege gefährlichen Feinstaubpartikeln – auch wenn Spitzenwerte von bis zu 500 Mikrogramm pro Kubikmeter wie in Peking selten erreicht werden. Aber Werte bis 120 sind normal. Der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation liegt bei 25.
Noch schlimmer steht es um das Wasser: Jahrelang flossen Tonnen Abwässer ungefiltert ins Delta, allein 2012 zehn Milliarden Tonnen. 30 Prozent der Flüsse gelten als extrem verschmutzt. Spätestens 2020, warnen Umweltschützer, werde das Delta unter Wasserknappheit leiden. Nicht weil zu wenig Wasser da wäre, sondern weil das vorhandene zu verdreckt sein wird. Immer häufiger sind die Umweltschäden nun Anlass für Proteste der Bevölkerung.
Hochhäuser als Klärwerke
Dabei fehlt es nicht an ehrgeizigen Projekten: Stephen Al von der Hong-Kong-University etwa setzt auf den Wegfall der Grenzen zu Hongkong und Macao 2047. Dann könnte ein Abwassersystem das Perlflussdelta ähnlich wie das Elektrizitätsnetz umspannen.
Auf die Hongkong-Macao-Brücke ließe sich eine riesige Entsalzungsanlage montieren, die Trinkwasser für die Region liefert. Und in den Hochhäusern könnten vertikale Wasserkreisläufe entstehen: Das durch die Bewohner benutzte Wasser wird aufs Dach gepumpt, um Gärten zu bewässern und durchläuft auf dem Weg nach unten mehrere Filterstufen. All das aber ist noch Zukunftsmusik.
Auf der letzten Etappe wird die Aussicht monoton: Hochhaus an Hochhaus – 30, 40, 50 Stockwerke hoch. Selbst Wohnblocks, die an westliche Mehrfamilienhäuser erinnern, haben 15 bis 20 Etagen. Dazwischen Palmen, Bananenstauden und die Dächer der Quartiere jener Wanderarbeiter, die die Häuser in wenigen Monaten hochziehen.