Reuters-Interview Schäuble hält Staatspleite Griechenlands für möglich

Alles gut im griechischen Schuldenstreit? Von wegen, sagt Finanzminister Wolfgang Schäuble. „Die bloße Ankündigung, man sei einer Einigung nahe, ist noch nicht substantiell“, so der Finanzminister.

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Spekulationen über eine vermeintliche politische Lösung kann Finanzminister Wolfgang Schäuble zwar verstehen – „aber sie sind nicht begründet“. Quelle: Reuters

Berlin/Riga/München Griechenland und seine Geldgeber sind offensichtlich weiter von einer Lösung im Schuldenstreit entfernt, als die Regierung in Athen vermittelt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte in einem am Donnerstag veröffentlichten Reuters-Interview: „Nur die bloße Ankündigung, man sei einer Einigung nahe, ist noch nicht substanziell.“ Auch eine Staatspleite bei einem Scheitern der Verhandlungen schloss er nicht aus. Nur schleppend voran kommt die griechische Regierung im versprochenen Kampf gegen Steuerflucht ins Ausland, wie Unterlagen aus dem Land zeigen. Zugleich werden die Warnungen vor leeren Kassen dringlicher.

Über eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms zur Abwendung einer Staatspleite wird nach Angaben der EU-Kommission zumindest auf Expertenebene nicht gesprochen. Am Rande des EU-Gipfels in Riga wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras über eine Lösung beraten.

Griechenland ringt seit Monaten mit der Euro-Zone und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um die Auflagen für weitere Hilfen in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Parallel muss die Regierung aber ihre Altschulden bedienen, was sich wegen des zähen Streits immer schwerer gestaltet. Am Mittwochabend warnte Finanzminister Yanis Varoufakis, spätestens in der ersten Juni-Woche müsse ein Kompromiss stehen. Nach jahrelanger Rezession und Rekordarbeitslosigkeit will die neue Regierung unter Führung der Linkspartei Syriza dem Volk keine sozialen Einschnitte mehr zumuten.

Angesprochen auf die Möglichkeit einer Staatspleite sagte Schäuble: „Ich kann jedenfalls nichts ausschließen.“ Für die optimistischen Äußerungen griechischer Politiker über eine baldige Einigung sieht der CDU-Politiker wenig Anlass. Die Verhandlungen der Regierung mit den drei Institutionen EZB, EU und IWF kämen nur „sehr zögernd“ voran: „Was ich aus Gesprächen mit den drei Institutionen weiß, trägt die aus den Meldungen aus Athen hervorgehende Zuversicht noch nicht.“


Über Verlängerungen wird nicht gesprochen

Dass es – vorbei an den Regeln der Euro-Zone – zu einer Einigung aus übergeordneten Interessen kommen wird, erwartet Schäuble offenbar nicht: „Die öffentlichen Spekulationen über politische Lösungen kann ich nachvollziehen, sie sind aber in der Substanz durch nichts begründet.“ Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten der Euro-Gruppe, die Mitgliedsländer prüften derzeit eine Verlängerung des am 30. Juni endenden Hilfsprogramms, um Zeit zur Lösung der Hauptstreitpunkte zu gewinnen. Dies sind vor allem Reformen am Arbeitsmarkt und beim Rentensystem.

EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis sagte, dass in der sogenannten Brüssel-Gruppe – also auf Expertenebene – nicht über eine solche Verlängerung gesprochen werde: „Das Hauptszenario ist es, das aktuelle Programm, das bis Ende Juni läuft, abzuschließen.“ Zu möglichen anderen Szenarien wollte er sich nicht äußern.

Bei ihrem Amtsantritt Ende Januar hatte die von Links- und Rechtspopulisten gebildete Regierung auch ein hartes Vorgehen gegen Steuerhinterziehung angekündigt. Aus einem Schreiben von Varoufakis an den SPD-Bundestagsabgeordneten Joachim Poß geht hervor, dass sie dabei nur langsam vorankommt. Demnach wurden aus einer Liste von 2062 mutmaßlichen Steuerflüchtlingen erst 49 geprüft und 31 Millionen Euro an Steuern eingetrieben. Experten gehen davon aus, dass reiche Griechen Schwarzgeld von bis zu 40 Milliarden Euro im Ausland gebunkert haben. Poß nannte die Liste „ein Dokument des Scheiterns der griechischen Politik“.

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