Rotwein Chinesen mischen den Weinmarkt auf

Chinesen lieben Luxus aus Europa. Erst kauften sie Weine aus Europa, dann Weingüter in Europa, dann Know-how. Nun beginnen die ersten Winzer, selber guten Wein zu produzieren.

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Chinesischer Wein Quelle: AP

Die Trauben hingen all die Jahre immer dick und prall an den Rebzweigen des Weinguts Changyu. Kein Wunder, dass den Weinmachern in China das Rezept ihres Gastes aus Europa anfangs gar nicht schmeckte: Frühzeitig im Jahr mit der Schere ran an die Trauben und Blätter und gut zwei Drittel der bald zur Frucht reifenden Blüten abschneiden. „Normalerweise sind es die Chinesen gewohnt, stramm zu stehen, aber die Kellermeister haben nicht nur nett reagiert“, erinnert sich Lenz M. Moser, der vor sechs Jahren begonnen hat, als Entwicklungshelfer in China die Weinqualität zu verbessern. Nach inzwischen 15 China-Trips zeitigten seine Vorschläge gute Ergebnisse, und so war man sich bald wieder grün.

Falscher Wein aus nachgebauten Weingütern

Moser ist kein Niemand im Weingeschäft, sein gleichnamiger Vorfahr machte die österreichische Marke Lenz Moser groß, er selbst baute für die kalifornische Weinlegende Robert Mondavi das Geschäft in Europa auf. Seit 2006 hat er ein Unternehmen, das Wein aus aller Welt importiert, Winzer berät und die Weindistribution organisiert. Jüngstes Mitglied der Familie ist das Weingut Changyu – ein unternehmerisches Unterfangen außerhalb der sicheren Weinwelt, die Moser kennt: „Ein verrücktes Projekt.“

Weinregion China

Kaum minder verrückt ist die Begeisterung vieler reicher Chinesen für Rotwein. Neben Uhren, Autos oder Mode zählt Wein von Spitzenweingütern wie Château Lafite-Rothschild oder Château Margaux zu den begehrtesten Gütern. Die teuersten Weine gehen inzwischen zum großen Teil via Hongkong nach China. Die Preise der renommiertesten Weingüter explodierten im vergangenen Jahr (siehe WiWo 29/11). Es ist keine Überraschung, dass angesichts der Summen, die mit teuren Rotweinen zu verdienen sind, die chinesischen Behörden in der Provinz Hebei vor zwei Jahren gleich 30 Weinkellereien schlossen. Zuvor war bekannt geworden, dass unter dem Fantasie-Label „Châteauneuf-du-Pape Cabernet Sauvignon Gran Reserva“ Flüssigkeiten verkauft wurden, die nur zu einem Viertel Wein enthielten. Der Rest: Farbe, Läuterzucker und Aromastoffe. Wein, so falsch wie die Nachbauten renommierter Weingüter.

Der Durst nach teurem Rotwein

Dann aber begannen 2008 die ersten chinesischen Unternehmen im französischen Weinbaugebiet Bordeaux Châteaus aufzukaufen. Der staatliche Nahrungsmittelkonzern Cofco hat inzwischen mindestens drei kleinere Weingüter aufgekauft. Dabei geht es nicht darum, den zunehmenden Durst nach teuren Rotweinen zu stillen; dafür sind die Mengen dieser Güter zu klein. Vielmehr holt sich China so Know-how ins Land, um die für Weinkenner meist ungenießbaren Massenweine des Landes zu verbessern. Mit Erfolg. Zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 servierte die Fluglinie Cathay Pacific ihren First-Class-Passagieren chinesischen Roten. Und im September 2011 konnte sich erstmals ein chinesischer Cabernet bei den World Wine Awards des Magazins „Decanter“ gegen Konkurrenz von Frankreich bis Australien durchsetzen. Verkauft wird er nur in China – für etwa 15 Euro.

Den Trend zu früh erkannt

Rotweinverkostung in China Quelle: REUTERS

Die schiere Menge schafft das Land auch ohne fremde Hilfe. Weinbau hat in China eine lange, aber keine kontinuierliche Tradition. Archäologen fanden 1995 Gefäße, die darauf hinweisen, dass Wein in China schon 2600 vor Christus angebaut wurde. Zur Zeit der Kulturrevolution war es noch verpönt, Wein zu trinken. Erst Ende des vergangenen Jahrzehnts begannen die ersten chinesischen Winzer, es ihren Kollegen, von Napa Valley über den Rheingau bis Australien, nachzutun und auch der Qualität und nicht nur der Quantität Aufmerksamkeit zu schenken. Binnen vier Jahren hat sich China auf Platz sechs der Liste der weltgrößten Produzenten geschoben. Das Institut International Wine and Spirit Research rechnet für den Zeitraum von 2010 bis 2014 mit einem Anstieg der Produktion um 77 Prozent.

Platz sechs für China

"Wir waren wohl einfach zu früh dran"

Einen Seecontainer voll mit Flaschen hat die Hamburgerin Susanne Haumann 2006 nach Deutschland bringen lassen. Gefüllt war er mit Weinen von Grace Vineyards, deren Weinmacherin und Mitbesitzerin Judy Leissner mit Haumann persönlich bekannt ist. Haumann, von Haus aus Inhaberin einer Agentur für Sponsoring und Kommunikation, versuchte über Werbekampagnen bei Kaufhof und Karstadt und bei einigen Händlern die Weine in Deutschland zu vermarkten: „Die Weine waren gut, aber es hat trotzdem nicht funktioniert.“ Über drei Jahre importierte sie 100 000 Flaschen, die zwischen 8 und 35 Euro kosten sollten, bis sie 2009 den Versuch aufgab: „Wir waren wohl einfach zu früh dran.“

Die Qualität macht den Erfolg

Lenz Moser ist kein Seiteneinsteiger und hat ein Gespür für Timing. Der Name TXB-Wines für seine Gesellschaft ist ein Sprachspiel. TXB ist die Kurzform für „Thanx, Bob“. Bob steht für den 2008 verstorbenen Robert Mondavi, von dem Moser viel gelernt hat. Auch wie ein vormals unbekanntes Weinbaugebiet es schafft, binnen weniger Jahrzehnte zu den renommiertesten der Welt zu zählen. Mit Innovationen hat Mondavi das Napa Valley bekannt gemacht. Nun macht sich Moser in China rechtzeitig an die gleiche Arbeit.

Die Erfolge von Nationen wie Australien, Südafrika oder Neuseeland lehren, dass binnen kürzester Zeit bessere Weinqualität wirtschaftlichen Erfolg bringt. Ihren Teil tragen sogenannte Flying Winemaker bei, die als önologische Unternehmensberater in aller Herren Länder ihr Wissen über Bodencharakteristika, Klima, Kellertechnik und Marketing verkaufen.

Skepsis gegenüber chinesischer Weine

Weingut Château Haut-Brion Quelle: AP

Rat ist nötig. Die klimatischen Bedingungen sind in Chinas Weingebieten, die teils mehrere Tausend Kilometer voneinander entfernt liegen, höchst unterschiedlich. Eiskalte Nächte, die die Reben erfrieren lassen, hohe Luftfeuchtigkeit oder große Hitze lassen teils nur den Anbau eigener Sorten wie Cabernet Gernish zu. Das französische Weinimperium von Eric de Rothschild, die Domaines Barons de Rothschild, die neben Alltagsweinen mit dem Lafite auch einen der teuersten Rotweine der Welt verkauft, ließ auf der Halbinsel Penglai seit 2009 in einem Joint Venture die Böden prüfen und hat im Mai 2011 die ersten Rebstöcke der Sorte Cabernet Sauvignon gepflanzt.

Spitzenweine aus China

Das Publikum weiß den Qualitätssprung zu schätzen. Die Schilderungen von chinesischen Weintrinkern, die teure Rotweine mit Cola oder Sprite verdünnen oder zumindest bis zum Rand des Glases füllen sind Legende. In der Schicht der Begüterten, die sich die teuersten Flaschen für mehrere Hundert Euro pro Stück leisten können, wachsen jedoch rapide die Kenntnisse über Wein. Der deutsche Winzer Wilhelm Weil vom Weingut Robert Weil präsentierte zuletzt 2011 bei einem Dinner seine Weine in einem Luxushotel in Peking: „Dort gibt es ein schnell wachsendes Verständnis für Qualität.“

Deutsche Weinkenner hingegen sind oft noch skeptisch gegenüber chinesischen Weinen, nicht zuletzt, weil sie lediglich die Massenware mit Namen wie „Great Wall“ oder „Dynasty“ kennen. Der Autor Joel Payne, der für das Fachmagazin „Falstaff“ mehrere Weingüter besuchte, hat eine Liste von zehn Weinen erstellt, die er mit Werten von 87 bis 90 von 100 möglichen Punkten einschätzt. In der Summe zeigt er sich überrascht von der Güte einzelner Tropfen und mokiert sich ironisch darüber, dass der staatseigene Konzern Cofco einen Wein im „Nava Valley“ anbaut. Er soll umgerechnet 3175 Euro kosten. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, schreibt Payne.

Vorteil: Die Reblaus gibt es in China nicht

Paynes Kollegen sind unterschiedlicher Ansicht über die Qualität. Weinautor Eckhard Supp verkostete Anfang 2012 den „Deep Blue“ von Grace Vineyards und resümierte: „Anständiger Wein ohne große Eleganz und Finesse.“ Auch der Chefredakteur der Internet-Weinzeitung „Captain Cork“, Manfred Klimek, konnte bislang nur „blieb unter den Erwartungen an einen zeitgemäßen Rotwein“ notieren.

Einig sind sich jedoch alle, dass es Weine sind, die bei einer Blindprobe nicht als chinesische Weine zu erkennen sind. Und einen Feind hat der Weinbau in China weniger als Europa. Anfang des 20. Jahrhunderts vernichtete er allein in Frankreich 2,5 Millionen Hektar Anbaufläche: die Reblaus. Sie hat den Weg bis China wohl noch nicht gefunden.

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