Rückführung in die Türkei Flüchtlinge wehren sich gegen „Deportationen“

Am Montag geht es los: Die ersten Flüchtlinge aus Griechenland sollen in die Türkei zurückgebracht werden. Auf den Inseln Lesbos und Chios gibt es Proteste. Die Regierung in Athen stellt sich auf unruhige Tage ein.

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Athener Behörden befürchten erhebliche Widerstände gegen die Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei. Quelle: AFP

Athen/Lesbos Die Vorbereitungen für die umstrittene Rückführung von Flüchtlingen und Migranten aus Griechenland in die Türkei laufen auf Hochtouren. Der Plan der Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht vor, dass von Montag bis Mittwoch zunächst rund 750 Asylsuchende, die illegal auf die griechischen Inseln gekommen sind, in die Türkei zurückgebracht werden. Im Gegenzug werden in Deutschland und anderen EU-Ländern die ersten Syrer erwartet, die auf Grundlage des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei legal in der Europäischen Union aufgenommen werden sollen.

Die Behörden in Griechenland befürchten erhebliche Widerstände unter den Flüchtlingen, die zwangsweise zurückgebracht werden sollen. Auf den Inseln Lesbos und Chios gibt es Proteste, Migranten verurteilten die geplanten Rückführungen als „Deportationen“. Hunderte Flüchtlinge, die am Freitag aus dem „Hotspot“ von Chios ausgebrochen waren, harrten am Samstag im Hafen der Inselhauptstadt aus.

„Athen, Athen“ und „Freiheit, Freiheit“ skandieren die Menschen. Sie forderten, dass Fähren sie zum griechischen Festland und nicht in die Türkei bringen. Zwei Fähren wurden deshalb umgeleitet, sie legten außerplanmäßig im Hafen von Mestá im Westen der Insel an, wie der griechische Rundfunk berichtete. In den „Hotspots“ werden Flüchtlinge seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts mit der Türkei festgehalten, um in die Türkei abgeschoben werden zu können.

Die Vereinbarung sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die nach dem 20. März illegal nach Griechenland übergesetzt sind, zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Für jeden Syrer, den die EU abschiebt, soll ein anderer Syrer auf legalem Wege in die EU kommen – die Union rechnet mit bis zu 72 000 Personen. Davon sollen weniger als 16 000 auf Deutschland entfallen. Deutschland will am Montag die ersten Syrer einfliegen lassen.

Das griechische Parlament machte am Freitagabend im Eilverfahren den Weg für die Rückführung in die Türkei frei. Das Gesetz wurde mit breiter Mehrheit gebilligt. Menschenrechtsorganisationen sehen die Vereinbarung der EU mit Ankara äußerst kritisch. Nach einem Bericht von Amnesty International soll die Türkei in den vergangenen Wochen massenhaft Flüchtlinge aus Syrien in das Bürgerkriegsland abgeschoben haben.

Trotz des Rückführungsabkommens kamen bis zum Samstag binnen 24 Stunden 566 neue Migranten aus der Türkei nach Griechenland. Die Rückführungsaktion soll am Montag starten. Die ersten Flüchtlinge sollen um 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 MESZ) aus dem Hafen Mitilini auf Lesbos in den türkischen Hafen von Dikili gebracht werden. Dies berichtete die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA unter Berufung auf Regierungskreise.

„Für jeden Migranten, der ausgewiesen wird, werden wir einen Polizisten als Aufpasser einsetzen“, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. „Unsere Angst ist, wie man diese Menschen aus den Lagern rausholt.“ Die Stimmung unter den Migranten sei explosiv. „Spirale der Gewalt in den Aufnahmelagern“, titelte die konservative Athener Zeitung „Kathimerini“. „Messerstechereien und Massenausbrüche“, meldete das Boulevardblatt „Ethnos“.

Dramatisch ist die Lage auch auf dem Festland. Vor allem im Elendslager von Idomeni im Norden und im Hafen von Piräus harren Tausende Menschen in Kuppelzelten und Wartehallen aus. Die griechische Regierung ist ratlos, wie sie mit den Menschen umgehen soll. In den vergangenen Tagen war es wiederholt zu Schlägereien und Tumulten gekommen. Wie die Athener Tageszeitung „Kathimerini“ am Samstag weiter berichtete, schließt Bürgerschutzminister Nikos Toskas erstmals den „Einsatz leichter Polizeigewalt“ nicht mehr aus - allerdings nur in Ausnahmefällen, wenn „jemand Probleme macht“.

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